Entscheidungsstichwort (Thema)

Wohnungseigentumsrecht: keine Anspruchsbegründung durch Mehrheitsbeschluss

 

Leitsatz (amtlich)

Entgegen in der obergerichtlichen Rechtsprechung teilweise vertretener Auffassung kann eine Leistungspflicht einzelner Wohnungseigentümer, etwa zur Beseitigung baulicher Veränderungen, nicht durch bestandskräftigen Mehrheitsbeschluss begründet werden.

 

Normenkette

WEG § 21 ff.; BGB § 1004

 

Verfahrensgang

LG Koblenz (Beschluss vom 18.04.2007; Aktenzeichen 2 T 5/07)

AG Koblenz (Beschluss vom 13.12.2006; Aktenzeichen 143 UR II 22/03. WEG)

 

Tenor

I. Der angefochtene Beschluss wird mit Ausnahme der Geschäftswertfesetzung aufgehoben und die erste Beschwerde der Beteiligten zu 2) gegen den Beschluss des AG Koblenz vom 13.12.2006 zurückgewiesen.

II. Die Beteiligten zu 2) haben die Gerichtskosten beider Rechtsmittelzüge zu tragen; eine Entscheidung von außergerichtlichen Kosten wird nicht angeordnet.

III. Der Geschäftswert für das Verfahren der sofortigen weiteren Beschwerde wird auf 2.500 EUR festgesetzt.

 

Gründe

1. Die sofortige weitere Beschwerde des Beteiligten zu 1) ist verfahrensrechtlich bedenkenfrei und somit zulässig (§§ 43 Abs. 1 Nr. 1, 45 Abs. 1 WEG, §§ 27, 29 Abs. 1 und Abs. 4, 22 Abs. 1 FGG).

Das LG hat auch zu Recht im Eingang seines Beschlusses als Antragsteller für das mit dem Gegenantrag verfolgte Beseitigungsbegehren die Wohnungseigentümer mit Ausnahme des Beteiligten zu 1) angesehen und nicht den teilrechtsfähigen Verband der Wohnungseigentümergemeinschaft. Denn der Verband ist weder Mitglied der Eigentümergemeinschaft noch Miteigentümer und mithin nicht Inhaber von Abwehr- oder Beseitigungsansprüchen aus dem Miteigentum an dem Grundstück (vgl. BGH GuT 2007, 161 [162] m.w.N.; BGH ZMR 2006, 457; Riecke/v. Rechenberg, MDR 2007, 128 f.).

2. Das Rechtsmittel hat in der Sache Erfolg und führt hinsichtlich des in den Rechtsmittelinstanzen allein verfahrensgegenständlichen Beseitigungsverlangens zur Wiederherstellung der den darauf gerichteten Gegenantrag der Beteiligten zu 2) abweisenden Entscheidung des AG.

Entgegen der Auffassung des LG können die Beteiligten zu 2) von dem Beteiligten zu 1) nicht nach § 1004 Abs. 1 S. 1 BGB i.V.m. §§ 15 Abs. 3, 22 Abs. 1 WEG verlangen, den Zugang zum Balkon seiner Wohnung Nr. 19 zu beseitigen und die ursprünglich vorhandene Gaubenkonstruktion wiederherzustellen. Das kann der Senat als Rechtsbeschwerdegericht selbst entscheiden, da weitere tatsächliche Feststellungen nicht erforderlich sind: Der bereits in erster Instanz verfahrensrechtlich einwandfrei festgestellte Sachverhalt ist allein in rechtlicher Hinsicht anders zu würdigen als dies das LG getan hat.

a) Die Zivilkammer hat gemeint, einer Prüfung der sachlichen Berechtigung des geltend gemachten Anspruchs auf Störungsbeseitigung deshalb ledig zu sein, weil die Beseitigungs- und Wiederherstellungspflicht des Beteiligten zu 1) durch den - in dem vorliegenden Verfahren nach Beendigung der ersten Instanz bestandskräftig gewordenen - Mehrheitsbeschluss zu TOP 15 der Wohnungseigentümerversammlung vom 28.4.2003 konstitutiv festgelegt worden sei und die Gerichte an die Bestandskraft dieses Eigentümerbeschlusses gebunden seien.

Das trifft nicht zu. Selbst wenn - wie tatsächlich nicht (vgl. unten. b)) - dem in Rede stehenden Beschluss vom 28.4.2003 inhaltlich ein Feststellungswille bezüglich der Begründetheit des Anspruchs auf Vornahme der verlangten Handlungen durch den Beteiligten zu 1) zu entnehmen wäre, hätte es den Wohnungseigentümern jedenfalls an der erforderlichen Beschlusskompetenz gefehlt. Denn durch Beschlussfassung können nur solche Angelegenheiten geordnet werden, über die nach dem Wohnungseigentumsgesetz oder nach einer rechtsändernden Vereinbarung (§ 10 Abs, 2 WEG) die Wohnungseigentümer durch Beschluss entscheiden dürfen (vgl. BGHZ 145, 158 = NJW 2000, 3500).

Eine solche Beschlusskompetenz zur Begründung von Leistungspflichten einzelner Wohnungseigentümer durch Mehrheitsbeschluss gibt es jedoch nicht (Senat, Beschl. v. 22.11.2005 - 3 W 104/05).

Die Wohnungseigentümer sind folglich nicht legitimiert, außerhalb des Bereichs der Kosten und Lasten des gemeinschaftlichen Eigentums Ansprüche durch Beschluss der Mehrheit von ihnen entstehen zu lassen. Sie können zwar beschließen, ob und in welchem Umfang ein Leistungsanspruch gegen einen Miteigentümer geltend gemacht werden soll, nicht dagegen auch einen entsprechenden Anspruch ohne gesetzlichen Schuldgrund konstituieren.

Das gilt namentlich auch für Beschlüsse, die einem Eigentümer die Beseitigung bestimmter baulicher Veränderungen aufgeben, und zwar unabhängig davon, ob die betreffende Baumaßnahme rechtmäßig war oder nicht (Wenzel, NZM 2004, 542 [544] m.w.N.; Bärmann/Pick/Merle, WEG, 9. Aufl., § 22 Rz. 269; Schmidt/Riecke, ZMR 2005, 252 [260 f.]; vgl. weiter auch Briesemeister, WE 2003, 307 ff.).

b) Soweit sich das LG für seine gegenteilige Beurteilung der Rechtslage auf obergerichtliche Rechtsprechung berufen kann (namentlich zitiert: OLG Köln NZM 1999, 424

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