Leitsatz (amtlich)

Der Betreiber eines in Deutschland ansässigen Wettbüros, der über das Internet Sportwetten seiner Kunden ohne behördliche Genehmigung bei einem in Österreich konzessionierten Sportwettenveranstalter platzierte, hat jedenfalls vor dem Urteil des BVerfG vom 28.3.2006 (NJW 2006, 1261) in einem unvermeidbaren Verbotsirrtum und damit ohne Schuld gehandelt, wenn er vom zuständigen Sachbearbeiter der Ordnungsbehörde und von einem kompetenten Rechtsanwalt die Auskunft erhalten hatte, sein Verhalten sei nicht verboten.

 

Verfahrensgang

LG Ellwangen (Urteil vom 12.04.2005; Aktenzeichen 3 Ns 42 Js 5187/03)

AG Heidenheim (Aktenzeichen 3 Ds 42 Js 5187/03)

StA Ellwangen (Aktenzeichen 42 Js 5187/03)

 

Tenor

Die Revision der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des LG Ellwangen vom 12.4.2005 wird als unbegründet verworfen.

Die Kosten des Revisionsverfahrens und die dem Angeklagten dadurch entstandenen notwendigen Auslagen trägt die Staatskasse.

 

Gründe

I. Die Staatsanwaltschaft hat dem Angeklagten zur Last gelegt, als Komplementär und verantwortlicher Geschäftsführer der Firma in gewerbsmäßig ohne behördliche Erlaubnis öffentlich ein Glücksspiel veranstaltet zu haben, die Einrichtung hierzu bereitgestellt sowie für ein solches Glücksspiel geworben zu haben. Der Angeklagte habe den Kunden seines Wettbüros über das Internet die Teilnahme an Sportwetten eines in Österreich konzessionierten Wettbüros ermöglicht.

Das AG Heidenheim hat den Angeklagten aus Rechtsgründen freigesprochen, da die Anwendung des § 284 StGB einen unverhältnismäßigen Eingriff in die durch den EG-Vertrag gewährleistete Dienstleistungs- und Niederlassungsfreiheit darstelle.

Die hiergegen gerichtete Berufung der Staatsanwaltschaft hat das LG Ellwangen mit dem angefochtenen Urteil als unbegründet verworfen.

Es hat festgestellt:

Der Angeklagte war seit Januar 2002 Komplementär der Firma mit Geschäftssitz in ... Er meldete in dieser Funktion am 14.10.2002 beim Ordnungsamt der Stadt ein Gewerbe mit dem Geschäftszweck "Betrieb von Internetbüros und -cafés als Franchisegeber, Beratung und Unterstützung von Internetgeschäften, Betrieb von Annahmestellen von Sportwetten" an. In angemieteten Räumlichkeiten in betrieb er vom 5.10.2002 bis heute als Geschäftsführer ein für jedermann zugängliches Internetcafé und Wettbüro, in dem sich Kunden an Sportwetten der in Österreich niedergelassenen Firma beteiligen konnten. Dieses Unternehmen besaß eine österreichische Konzession zur Veranstaltung von Oddset-Sportwetten, also von Wetten über Sportereignisse - vor allem Fußballspiele -, über deren Spielergebnisse, Halbzeitstände, Toranzahl im Spiel, Trefferquote zur Halbzeit u.ä., wobei im Erfolgsfall im Gegensatz zur Toto-Wette ein nach vorgegebenen Quoten errechneter Gewinn ausgezahlt wird. Auf das Wettangebot und die Wettquoten hatte der Angeklagte keinen Einfluss.

In der Kooperationsvereinbarung verpflichtete sich die vom Angeklagten betriebene KG, nur Oddset-Sportwetten der Firma zu vermitteln. Er hatte hierzu in seinen Räumlichkeiten vier Computerterminals mit Internetzugang auf Rechnung der KG aufgestellt, die die Kunden auch zum Abschluss von Wetten benutzen konnten. Für solche Kunden, die das Internet nicht selbständig nutzen konnten oder wollten, stand eine Mitarbeiterin der KG zur Verfügung. Die KG als Betreiberin, die als Einmalbetrag 5.000 EUR pro Internetterminal an die Firma bezahlte, rechnete mit dieser die Wetteinsätze und die Gewinne sowie ihre Provisionen einmal im Monat ab, wobei sie auszuzahlende Gewinne vorschoss.

Vor Anmeldung seines Gewerbes hatte sich der Angeklagte im Internet auf web-Seiten von Rechtsanwälten, die sich mit der Frage der Zulässigkeit der Vermittlung von ausländischen Sportwetten, deren Veranstalter über eine entsprechende Konzession ihres Heimatlandes verfügten, informiert. Nachdem er bei der Anmeldung auch von dem zuständigen Mitarbeiter der Stadt darauf hingewiesen worden war, dass er zwar Sportwetten vermitteln, jedoch nicht selbst veranstalten dürfe, ging er davon aus, sich rechtmäßig zu verhalten. Als ihm am 7.11.2002 anlässlich einer Kontrolle von einem Kriminalbeamten erklärt worden war, dass er für den Betrieb eine behördliche Erlaubnis benötige, wandte er sich sofort an einen Rechtsanwalt. Von diesem erhielt er die Auskunft, dass es zur Frage der Zulässigkeit der Vermittlung von Oddset-Sportwetten ausländischer Wettanbieter aus EU-Mitgliedstaaten mit einer dort erteilten Konzession zwar sich widersprechende Rechtsauffassungen gebe, viele Gerichte jedoch die Vermittlung von Sportwetten nicht als strafbares Veranstalten eines Glücksspiels einstuften und dass beim BVerfG Verfahren zur Klärung der Rechtslage anhängig seien, weshalb er ihm zur Weiterführung seines Betriebes rate. In der Folgezeit wurde der Angeklagte von seinem Rechtsanwalt laufend über neue Urteile deutscher Zivil-, Straf- und VG sowie über das Urteil des Europäischen Gerichtshofs vom 6.11.2003 - Gambelli (EuGH v. 6.11.2003 - Rs. C-243/01, NJW 2004, 139) info...

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