Leitsatz (amtlich)

  • 1.

    Das Vermitteln von Sportwetten nach Großbritannien an einen dort konzessionierten Buchmacher ohne verwaltungsrechtliche Erlaubnis des Freistaats Bayern war jedenfalls in der Zeit vor Ergehen des Urteils des Bundesverfassungsgerichts vom 28. März 2006 (NJW 2006, 1261 ff.) nicht gem. § 284 StGB strafbar.

  • 2.

    Der Strafbarkeit nach § 284 StGB stand der Anwendungsvorrang des Gemeinschaftsrechts wegen Verletzung der Dienstleistungsfreiheit nach Art. 43, 49 EG entgegen.

 

Tatbestand

Das Amtsgericht hatte den Angeklagten von dem Vorwurf der gewerbsmäßigen unerlaubten Veranstaltung eines Glücksspiels freigesprochen. Gegen dieses Urteil wandte sich die Staatsanwaltschaft mit ihrer Revision, mit der sie die Verletzung materiellen Rechts rügt.

 

Entscheidungsgründe

Die gemäß §§ 341 Abs.1, 344, 345 StPO zulässige (Sprung-) Revision der Staatsanwaltschaft hat keinen Erfolg. Die Nachprüfung des Urteils aufgrund der Revision der Staatsanwaltschaft hat keinen Rechtsfehler ergeben, §§ 352, 337 StPO.

1.

Das Amtsgericht geht von folgenden Feststellungen aus:

Der Angeklagte meldete am 4.3.2002 bei der Stadt L./Gewerbeamt eine selbständige Tätigkeit als "Sportinformationsdienst (im Internet) Betrieb von Online-Diensten" in Landshut an. Der Angeklagte bot in der Betriebsstätte in L. im Zeitraum von spätestens 1.8.2003 bis zum 31.8.2004 Sportwetten an, obgleich er wusste, dass er die dafür erforderliche verwaltungsrechtliche Erlaubnis nicht besaß.

Der Angeklagte legte in seinen für jedermann öffentlich zugänglichen Geschäftsräumen Wettprogramme und Tippscheine aus, welche die Teilnehmer entnahmen und ausfüllten. Sodann scannte der Angeklagte die Tippscheine ein und leitete die Daten an die Firma U, London, weiter. Der von den Wettteilnehmern jeweils ausgefüllte Tippschein verlor damit seine Gültigkeit. Die Auszahlung erfolgte nach Vorlage der von der Kasse ausgedruckten Quittung. Durch das Anbieten unerlaubter Glücksspiele wollte der Angeklagte sich eine nicht nur vorübergehende Einnahmequelle von einigem Gewicht verschaffen.

Ferner hat das Amtsgericht ausgeführt, einer Strafbarkeit nach § 284 Abs.1 StGB stehe entgegen, dass der Angeklagte nicht "ohne behördliche Erlaubnis" diese Einrichtungen bereitgestellt habe. Es sei zwar richtig, dass für den Angeklagten keine Erlaubnis einer deutschen Stelle vorliege, jedoch werde dieses Manko durch die vorliegende britische Erlaubnis für die Firma U geheilt. Zur Begründung bezieht sich das Amtsgericht auf die Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs vom 6.11.2003 in der Rechtssache Gambelli (EuGH NJW 2004, 139 ff.).

Dieser Rechtsauffassung ist die Revision zunächst unter Berufung auf das Urteil des Bundesgerichtshofs vom 28.11.2002 (NStZ 2003, 372 ff.) sowie auf die Entscheidungen des Bayerischen Obersten Landesgerichts vom 28.8.2003 (5St RR 98/03), vom 26.11.2003 (5St RR 289/03; NJW 2004, 1057 ff.), vom 26.2.22004 (5St RR 360/03) und vom 15.10.2004 (2St RR 135/04) entgegengetreten.

Die Generalstaatsanwaltschaft hat das Revisionsvorbringen unter Berücksichtigung insbesondere der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 28.3.2006 (NJW 2006, 1261 ff.) mit Stellungnahme vom 21.7.2006 ergänzt und vertieft.

2.

Der Senat hält im Hinblick auf die Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs vom 6.11.2003 in der Rechtssache Gambelli und auf das Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 28.3.2006 (aaO) an der (oben zitierten) Rechtsprechung des Bayerischen Obersten Landesgerichts, wonach gegen den uneingeschränkten Erlaubnisvorbehalt gemäß § 284 StGB i.V.m. dem Rennwett- und Lotteriegesetz vom 8. April 1922 i.d.F. vom 24. August 2002 i.V.m. Art.2 und Art.3 des Bayerischen Staatslotteriegesetzes vom 29. April 1999 i.V.m. § 5 des Lotteriestaatsvertrages vom 1.7.2004 weder gemeinschaftsrechtliche Bedenken unter dem Gesichtspunkt eines Verstoßes gegen die europarechtliche Niederlassungs- und Dienstleistungsfreiheit gemäß Art.43, 49 EG noch verfassungsrechtliche Bedenken im Hinblick auf Art.12 Abs.1 GG bestanden, nicht fest.

Die gemeinschafts- und verfassungsrechtlichen Voraussetzungen einer an sich möglichen Beschränkung der Dienstleistungs- und Berufsfreiheit sind auf der Grundlage der derzeit im Freistaat Bayern bestehenden Rechtslage nicht gegeben. Damit greift § 284 StGB als verwaltungsakzessorische Vorschrift wegen des Anwendungsvorrangs und der Bindungswirkung jedenfalls für "Altfälle" der vorliegenden Art aus gemeinschafts- und verfassungsrechtlichen Gründen nicht ein.

2.1.

Das Bayerische Oberste Landesgericht hat mehrfach unter Hinweis auf die obergerichtliche Rechtsprechung entschieden (zuletzt mit Beschluss vom 15.10.2004, 2St RR 135/04 m.w.N.), dass Sportwetten nach dem Buchmacherprinzip (Oddsetwetten), bei denen sog. "Odds" gesetzt werden, indem der Veranstalter eine feste Gewinnquote festlegt, die er dem Gewinner auf jeden Fall auszahlen muss, wenn ein oder mehrere Sportereignisse ein bestimmtes Ergebnis haben, als "Glücksspiele" im Sinne des § 284 StGB anzusehen sind (Tröndle/Fische...

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