Entscheidungsstichwort (Thema)

Zurückverweisung der Sache bei abgewiesenem Antrag auf Eheaufhebung und Klageänderung auf Scheidung der Ehe

 

Leitsatz (redaktionell)

§ 629b Abs. 1 S. 1 ZPO ist entsprechend anwendbar, wenn in erster Instanz der Antrag auf Aufhebung der Ehe abgewiesen wurde und in der Berufungsinstanz aufgrund einer zulässigen Klageänderung der in der Sache begründete Antrag auf Scheidung der Ehe verfolgt wird.

 

Normenkette

ZPO § 629b; ZPO § 629b Abs. 1 S. 1

 

Verfahrensgang

AG Aalen (Urteil vom 19.07.2006; Aktenzeichen 4 F 99/06)

 

Tenor

1. Auf die Berufung des Antragstellers wird das Urteil des AG Aalen - FamG - vom 19.7.2006 (4 F 99/06) aufgehoben.

2. Das Verfahren wird zur weiteren Verhandlung und Entscheidung über den Scheidungsantrag und die Folgesachen an das AG Aalen - FamG - zurückverwiesen.

3. Die Kosten des Berufungsverfahrens werden dem Antragsteller auferlegt.

Streitwert des Berufungsverfahrens: 9.000 EUR.

 

Tatbestand

I. Der am ... 1953 geborene Antragsteller ist italienischer Staatsangehöriger; die am ... 1959 geborene Antragsgegnerin ist Deutsche. Am 20.3.1976 haben sie vor dem Standesbeamten in N. die Ehe geschlossen. Am 1.7.1976 wurde der Sohn T. geboren. Am 26.12.2005 trennte sich die Ehefrau von ihrem Mann und zog aus der Ehewohnung aus. Am 22.2.2006 erhob der Ehemann Antrag auf Härtefallscheidung, da die Ehefrau eine Beziehung zu einem anderen Mann aufgenommen habe. Mit Schriftsatz vom 31.3.2006 erklärte der Ehemann seinen Scheidungsantrag für erledigt und stellte nunmehr den Antrag, die Ehe (nach § 1314 Abs. 2 Ziff. 3 BGB) aufzulösen (aufzuheben). Hintergrund war, dass er inzwischen mit Zustimmung von T. ein privates Abstammungsgutachten eingeholt hatte, welches ihn zweifelsfrei als Vater ausschloss. Die Ehefrau erhob ihrerseits am 10.4.2006 Antrag auf Härtefallscheidung, da sie ständig von ihrem Mann geschlagen und seelisch fertig gemacht werde.

In der mündlichen Verhandlung vom 5.7.2006 wurden die Parteien persönlich angehört. Sodann stellte der Ehemann den Antrag aus dem Schriftsatz vom 31.3.2006; die Ehefrau beantragte die Abweisung des Antrags. Nach der mündlichen Verhandlung, nämlich am 12.7.2006, nahm sie ihren Scheidungsantrag zurück.

Das FamG hat den Antrag des Ehemannes auf Aufhebung der Ehe abgewiesen, weil sich aus der Anhörung der Eheleute ergeben habe, dass er die Ehe mit der Antragsgegnerin fortsetzen wolle (Bestätigung gem. § 1315 Abs. 1 Ziff. 4 BGB). Mit seiner Berufung verfolgt der Ehemann jetzt die Scheidung der Ehe nach Ablauf des Trennungsjahres.

Der Senat hat die Parteien zum Scheidungsantrag des Ehemannes persönlich angehört. Sie haben hierbei übereinstimmend ausgesagt, dass sie seit 27.12.2005 räumlich getrennt voneinander leben, dass die Trennung für sie endgültig ist und sie keine Möglichkeit mehr sehen, die eheliche Lebensgemeinschaft wieder herzustellen. Die Ehefrau hat dem Scheidungsantrag ihres Mannes zugestimmt, jedoch nicht ihr Einverständnis erteilt, dass das Berufungsgericht eine Sachentscheidung (Ehescheidung und Folgesache Versorgungsausgleich) trifft, da noch der zwischen den Parteien streitige nacheheliche Unterhalt geregelt werden solle.

 

Entscheidungsgründe

II.1. Die Berufung des Ehemannes ist zulässig, insb. form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden. Der Ehemann ist durch die Entscheidung des FamG auch beschwert, weil sein Antrag auf Aufhebung der Ehe abgewiesen worden ist. Seine Beschwer entfällt nicht dadurch, dass er erst (wieder) in der Berufungsinstanz die Scheidung der Ehe geltend macht (BGH FamRZ 1964, 38). Gemäß § 611 Abs. 1 ZPO können in Ehesachen bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung, auch noch in der Berufungsinstanz, andere Gründe, als in dem das Verfahren einleitenden Schriftsatz vorgebracht worden sind, geltend gemacht werden. Als Ausnahmebestimmung im Verhältnis zu den §§ 263, 533 ZPO gestattet § 611 Abs. 1 ZPO daher auch ohne Zustimmung des Antragsgegners die Verfolgung eines geänderten Klageantrags aufgrund des jederzeit zulässigen neuen Vorbringens (Zöller/Philippi, 26. Aufl., § 611 ZPO Rz. 5). Diese Möglichkeit eines Übergangs von der Eheaufhebungsklage zum Scheidungsantrag und umgekehrt wird durch § 611 Abs. 1 ZPO bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung, auf die das Urteil ergeht, ohne Einschränkung eröffnet (BGH v. 12.10.1988 - IVb ZB 73/86, MDR 1989, 240 = FamRZ 1989, 153; Stein/Jonas, 21. Aufl., § 611 ZPO Rz. 9; Münchener Kommentar zur ZPO, § 611 Rz. 11).

2. Die Berufung des Ehemannes hat auch in der Sache Erfolg, da sein Antrag auf Scheidung der Ehe begründet ist. Die Ehe der Parteien kann gem. § 1565 Abs. 1 BGB geschieden werden, wenn sie gescheitert ist. Nach § 1566 Abs. 1 BGB wird unwiderlegbar vermutet, dass die Ehe gescheitert ist, nachdem die Parteien seit über einem Jahr getrennt leben und die Ehefrau dem Scheidungsantrag ihres Mannes zugestimmt hat.

3. Der Senat ist jedoch gem. § 629b Abs. 1 ZPO analog gehindert, unter Abänderung der erstinstanzlichen Entscheidung die Ehescheidung auszusprechen, da gle...

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