Leitsatz (amtlich)

1. Anerkennt der (in der Vorinstanz erfolgreiche) Kläger/Rechtsmittelbeklagte den Rechtsmittelantrag des Beklagten/Rechtsmittelklägers, so kann gegen ihn ein Anerkenntnisurteil ergehen.

2. In diesem Fall kommt die entsprechende Anwendung des § 93 ZPO in Betracht, wenn ein sofortiges Anerkenntnis vorliegt und der Rechtsmittelbeklagte zur Einlegung des Rechtsmittels keinen Anlass gegeben hat (etwa durch Erklärung des Verzichts auf seine Rechte aus dem Titel, soweit er angefochten werden soll).

 

Normenkette

ZPO §§ 93, 306-307

 

Verfahrensgang

AG Ravensburg (Aktenzeichen 6 F 560/01)

 

Tenor

1. Auf die Berufung des Beklagten wird entsprechend dem Anerkenntnis der Klägerin das Urteil des AG – FamG – Ravensburg vom 8.10.2001 teilweise wie folgt abgeändert:

Für die Zeit ab 1.11.2001 wird die Klage abgewiesen.

2. Es bleibt bei der Kostenentscheidung des FamG für die erste Instanz. Die Kosten des Berufungsverfahrens werden der Klägerin auferlegt.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

4. Die Revision und die Rechtsbeschwerde (zu Ziff. 2) werden zugelassen.

Berufungsstreitwert: 2.160 DM = 1.104 EUR.

 

Tatbestand

Die Parteien stritten im ersten Rechtszug zuletzt noch über Trennungsunterhalt für die Klägerin, die getrennt lebende Ehefrau des Beklagten, ab Mai 2001. Auf die am 3.9.2001 geschlossene mündliche Verhandlung hat das FamG der Klägerin rückständigen Unterhalt für Mai/Juni 2001 von 300 DM (verlangt waren 570 DM) und ab 1.7.2001 monatlich 180 DM (verlangt waren 265 DM) zuerkannt und die weiter gehende Klage abgewiesen. Mit Schriftsatz vom 6.11.2001, eingegangen am 7.11.2001, ließ der Beklagte hiergegen Berufung einlegen, die mit Schriftsatz vom 21.11.2001, eingegangen am 22.11.2001, begründet wurde. Er wendet sich nur gegen seine Verurteilung für die Zeit ab 1.11.2001 und beantragt sinngemäß, wie in der Urteilsformel erkannt.

Die Klägerin hat den – erst nachfolgend gestellten – Berufungsantrag bereits mit Schriftsatz vom 12.11.2001 unter Verwahrung gegen die Kosten anerkannt, und der Beklagte beantragt die Abänderung des angefochtenen Urteils gemäß dem Anerkenntnis der Klägerin.

Hintergrund ist unstreitig, dass die Klägerin, die zum Zeitpunkt der Trennung halbschichtig erwerbstätig war, ihre Arbeitgeberin nach mehrmonatigen Bemühungen, über die sie den Beklagten nicht informiert hatte, Ende September 2001 zu einer Umsetzung in eine Vollzeitarbeitsstelle ab Oktober 2001 bewegen konnte. Beide Parteien gehen davon aus, dass ihre Unterhaltsbedürftigkeit damit entfallen ist. Dem Beklagten teilte sie dies (mit Schriftsatz vom 9.11.2001, in dem sie gleichzeitig einen Verzicht auf ihre Rechte aus dem angefochtenen Urteil für die Zeit ab November 2001 erklären ließ) erst mit, nachdem dieser von dritter Seite von der Aufstockung ihrer Tätigkeit Nachricht bekommen hatte und sie mit Schriftsatz vom 6.11.2001 (wohl mit gleicher Post wie die Einlegung der Berufung) zu einer entsprechenden Auskunft hatte auffordern lassen.

 

Entscheidungsgründe

Auf die form- und fristgerecht eingelegte und begründete, somit zulässige Berufung ist das angefochtene Urteil in der Hauptsache gem. § 307 Abs. 1 (alle zitierten §§ sind solche der ZPO) entsprechend dem Anerkenntnis der Klägerin, das sich mit dem Berufungsantrag deckt, abzuändern.

Diese Rechtsfolge ist nicht unumstritten. Nach sogar überwiegender Meinung in Rechtsprechung (zuletzt LAG Chemnitz, Urt. v. 7.8.2000 – 10 Sa 509/99 im Anschluss an OLG Braunschweig, NdsRpfl. 1961, 245) und Schrifttum (Stein/Jonas/Leipold, ZPO, 21. Aufl., § 307 Rz. 1; Zöller/Vollkommer, ZPO, 22. Aufl., § 306 Rz. 1; Thomas/Putzo, ZPO, 23. Aufl., § 306 Rz. 1) kann nur der Beklagte den Anspruch des Klägers anerkennen, nicht aber der Kläger den (Rechtsmittel-)Antrag des Beklagten/Rechtsmittelklägers (so aber Schumann, Die Berufung in Zivilsachen, 4. Aufl., Rz. 624 ff.); ein solcher Antrag sei im Zweifel als Klageverzicht gem. § 306 auszulegen (so ausdrücklich die zitierten Entscheidungen sowie Zöller/Vollkommer, ZPO, 22. Aufl., § 306 Rz. 1; Thomas/Putzo, ZPO, 23. Aufl., § 306 Rz. 1; abl. zu OLG Braunschweig, NdsRpfl. 1961, 245; AK-Fenge, § 306 Rz. 9, aber ohne eigenen Lösungsvorschlag).

Soweit überhaupt, wird diese Auffassung damit begründet, dass der in § 307 Abs. 1 verwendete Terminus „Anspruch” begriffs- und somit inhaltsgleich sei mit dem nämlichen Begriff in § 253 Abs. 2 Nr. 2, der zweifelsfrei nur den (materiellen) Anspruch des Klägers meint. Nicht erklärt wird, warum das Gesetz in den benachbarten Bestimmungen der §§ 306, 307 Abs. 2 die Parteien beim Namen (Kläger/Beklagter) nennt und in letzterer den gleichfalls verwendeten Begriff „Anspruch” mit dem klarstellenden Zusatz „… des Klägers” versieht (der überflüssig ist, wenn sich dies von selbst versteht), diesen Zusatz aber in § 307 Abs. 1 nicht enthält und den Anerkennenden neutral als „eine Partei” bezeichnet. Kann die „eine Partei” zwingend nur der Beklagte sein, ist die unterschiedliche Wortwahl nicht plausibel.

Sinnvoll wird sie, wenn man auch ein Anerk...

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