Leitsatz (amtlich)

1. War der Architekt aufgrund einer nur teilweisen Beauftragung mit den Leistungsphasen 1 bis 8 der HOAI a.F. nicht mit der Erstellung von Kostenanschlag und Kostenfeststellung befasst und kann er deshalb die anrechenbaren Kosten selbst nicht ermitteln, schuldet der Auftraggeber dem Architekten Auskunft. Dazu gehören ggf. auch diejenigen Auskünfte, die den Architekten in die Lage versetzen, eine den §§ 23, 24 HOAI a.F. entsprechende Abrechnung zu verfassen, insbesondere getrennt nach Umbau und Erweiterung abzurechnen.

2. Ein Honorarverzicht, der zur Unterschreitung der HOAI-Mindestsätze führen würde, ist vor Abschluss der Architektentätigkeit nicht zulässig.

3. Eine Bindung an eine wegen Unterschreitung der Mindestsätze unwirksame Honorarvereinbarung bzw. eine Bindung an eine Schlussrechnung, der dieses unwirksam vereinbarte Honorar zugrunde liegt, kann nur im Ausnahmefall angenommen werden, wenn die Berufung auf die Unwirksamkeit den Grundsätzen von Treu und Glauben widerspräche. Bei einem im Baugewerbe unternehmerisch tätigen Auftraggeber darf die Kenntnis des Mindestpreischarakters der HOAI erwartet werden, so dass sein Vertrauen in die Wirksamkeit einer die Mindestsätze unterschreitenden Honorarabrede in der Regel nicht schützenswert ist.

 

Verfahrensgang

LG Ulm (Urteil vom 17.03.2014; Aktenzeichen 3 O 90/13)

 

Tenor

1. Die Berufung der Beklagten gegen das Teilurteil des LG Ulm vom 17.3.2014 - 3 O 90/13, wird zurückgewiesen.

2. Die Kostenentscheidung bleibt dem Schlussurteil vorbehalten.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Berufungsstreitwert: 1.000 EUR

 

Gründe

I. Der Kläger macht im Wege der Stufenklage Architektenhonorar geltend und verlangt dabei in der ersten Stufe Auskunft über die anrechenbaren Kosten.

Er war als Architekt für die Beklagte beim Umbau des Postgebäudes in der Straße in X zur Hochschule für X tätig. Das ursprüngliche, im Vertrag vom 5.10.2007 vereinbarte, auf anrechenbaren Kosten von 800.000 EUR beruhende Honorar erhöhten die Parteien durch eine weitere Vereinbarung vom 13.8.2008 auf Basis einer angenommenen Baukostenerhöhung auf 1.500.000 EUR anrechenbare Kosten (Anl. B 2). Das auf dieser Vereinbarung basierende Pauschalhonorar gemäß Schlussrechnung vom 21.10.2009 i.H.v. 70.647,21 EUR ist vollständig bezahlt.

Das LG gab dem Auskunftsbegehren des Klägers im Wesentlichen statt. Da der Kläger nur teilweise mit der Kostenermittlung befasst gewesen sei, insbesondere die Angebote und Rechnungen nicht in Händen gehabt habe, könne er selbst die anrechenbaren Kosten nicht feststellen. Die seitens der Beklagten überreichte Zusammenstellung der Gesamtkosten vom 18.10.2012 genüge schon deshalb nicht, weil der Kläger die anrechenbaren Kosten getrennt für Umbau und Erweiterung zugrunde zu legen habe.

Ein in der Vereinbarung vom 13.8.2008 liegender Teilverzicht sei wegen § 4 Abs. 4 HOAI a.F. nicht wirksam. Auch eine Bindung des Klägers an seine Schlussrechnung bestehe nicht.

Wie der Auskunftsanspruch im Einzelnen erfüllt werde, sei letztlich ins Belieben der Beklagten gestellt (Einsichtnahme in die entsprechenden Unterlagen oder auf andere Weise).

Hiergegen wendet sich die Beklagte mit ihrer Berufung, zu deren Begründung sie vorbringt, es fehle bereits an der schlüssigen Darlegung, dass ein Leistungsanspruch mit überwiegender Wahrscheinlichkeit in Betracht komme. Es sei nicht ersichtlich, weshalb das vereinbarte Pauschalhonorar zu einer Mindestsatzunterschreitung führen solle.

Aus der Anl. B 2 (Vereinbarung über Honorarerhöhung vom 13.8.2008, Bl. 77 d.A.) gehe hervor, dass der Kläger Kenntnis von der Höhe der anrechenbaren Kosten habe.

Die Auskunftserteilung sei der Beklagten auch nicht unschwer möglich. Für die notwendige Differenzierung zwischen den einzelnen Objekten sei die Zuziehung eines Sachverständigen notwendig, welcher nachträglich anhand der Pläne und des Objekts eine Zuordnung der bislang nicht entsprechend aufgeteilten Kosten vorzunehmen habe. Es genüge nicht, lediglich die vom Kläger angeforderten Unterlagen vorzulegen, da diese keine Informationen enthielten, die über die bereits erteilten Auskünfte hinausgingen.

Schließlich übergehe das LG, dass die Beklagte einen möglicherweise bestehenden Auskunftsanspruch bereits erfüllt habe in Form der Zusammenstellung der Gesamtkosten vom 18.10.2012 (Anl. K 5).

Hilfsweise sei der Kläger nach Treu und Glauben an die getroffene Pauschalhonorarvereinbarung und die darauf gründende Schlussrechnung gebunden. Die abschließende Honorarberechnung in Kenntnis einer veränderten Kostensituation reiche aus, um eine Bindung des Architekten zu bejahen. Erst recht gelte dies, wenn die Nachforderung Jahre nach dem vollständigen Rechnungsausgleich erhoben werde. Hinzu komme der Umstand, dass die Beklagte eine Mehrvergütung des Klägers nicht mehr nachträglich an ihre Kunden weiterreichen könne.

Zudem habe der Kläger auf etwaige weitere Vergütungsansprüche wirksam verzichtet. Die Vereinbarung vom 13.8.2008 (Anl. B 2) stelle eine Vereinbarung zum Anspruchsg...

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