Verfahrensgang

LG Stuttgart (Aktenzeichen 7 O 139/19)

 

Tenor

1. Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Landgerichts Stuttgart vom 27.09.2019, Az. 7 O 139/19, teilweise abgeändert:

(1) Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 4.511,66 EUR nebst Zinsen hieraus i.H.v. 5 %-Punkten über dem Basiszinssatz seit dem 14.08.2018 zu bezahlen.

(2) Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

2. Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.

3. Von den Kosten des Rechtsstreits in beiden Instanzen tragen die Klägerin 1/3 und die Beklagte 2/3.

4. Dieses Urteil und - soweit die Berufung zurückgewiesen wird - das in Ziff. 1 bezeichnete Urteil des Landgerichts Stuttgart sind vorläufig vollstreckbar.

5. Die Revision gegen dieses Urteil wird nicht zugelassen.

Beschluss

Der Streitwert wird für das Berufungsverfahren auf 6.767,49 EUR festgesetzt.

 

Gründe

I. Die Klägerin, eine gesetzliche Krankenkasse, nimmt aus übergegangenem Recht wegen von ihr im Rahmen der Familienversicherung erbrachter Leistungen die beklagte Stadt (i. F.: Beklagte) in Anspruch.

1. In dem von der Beklagten privatrechtlich betriebenen Freibad "L." ist im Kleinkinderbereich ein Spielplatz angelegt. Dort befindet sich inmitten einer Kiesaufschüttung neben anderen Spielgeräten (u. a. einer Schaukel) ein kleines metallenes Karussell, dessen Bodenplatte aus einer Aluminiumplatte besteht und das über kein Dach verfügt. Das Karussell muss durch den Benutzer mittels einer sich in seiner Mitte befindenden Metallplatte händisch betrieben werden. Der Platz, an dem sich das Karussell befindet, wird lediglich teilweise durch in der Nähe stehende Bäume beschattet.

Am 29.05.2017 hielt sich das damals zweijährige Kind A. K. gegen 14 Uhr mit seiner bei der Klägerin krankenversicherten Mutter, der Zeugin F. K., im "L." auf. Sie begaben sich zu dem Spielplatz im Kleinkindbereich. Im Zusammenhang mit der Benutzung des Karussells durch das Kind zog sich dieses Brandverletzungen zu, wobei der Unfallhergang im Einzelnen und die Verletzungen streitig sind.

Die Klägerin hat vorgetragen, das Kind habe kurz vor Betreten des Karussells seine Sandalen abgestreift, weil es Kiesel in die Sandalen bekommen habe, und habe sich deshalb barfuß auf die Metallplatte des Karussells gestellt und sich die Fußsohlen verbrannt. Es sei von der Flugrettung in die Kinderabteilung des Klinikums S. geflogen und dort wegen der erlittenen Verbrennungen vom 29.05. - 03.06.2017 stationär behandelt worden. Hierdurch seien Flugkosten von 1.999,25 EUR und weitere Behandlungskosten von 4.778,24 EUR entstanden.

Die Beklagte habe durch die Verwendung einer blanken Metallplatte ihre Verkehrssicherungspflicht verletzt. Da es um die Verkehrssicherungspflicht des Freibadbetreibers gegenüber Kleinkindern gehe, hätte die Beklagte ein Kinderkarussell mit anderer, nicht aufheizbarer Bodenplatte verwenden müssen.

Die Beklagte ist hingegen der Ansicht, sie habe die Verkehrssicherungspflicht nicht verletzt. Sie hat vorgetragen, das Karussell erfülle alle einschlägigen Sicherheitsanforderungen und sei TÜV-zertifiziert. Alle Spielgeräte würden regelmäßig überprüft. Die letzte Überprüfung habe am 15.05.2018 stattgefunden, dabei sei aber nur eine - unverzüglich abgeänderte - Verschraubung beanstandet worden. Wegen der Kiesaufschüttung werde der Platz und mithin auch das Karussell meistens mit Schuhen betreten. Bei dem streitgegenständlichen Vorfall handle es sich um den ersten dieser Art. Hilfsweise müsse sich die Klägerin ein Mitverschulden der Mutter von mindestens 50 % anrechnen lassen.

Hinsichtlich der Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens in erster Instanz einschließlich der dort gestellten Anträge wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils verwiesen, § 540 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO.

2. Das Landgericht hat die Klage als unbegründet abgewiesen.

Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt:

Die Klägerin könne von der Beklagten keinen Schadensersatz aus übergegangenem Recht wegen Verletzung der Verkehrssicherungspflicht gemäß §§ 823 Abs. 1, 839 BGB; Art. 34 GG; § 116 SGB X verlangen, weil der Beklagten keine schuldhafte Verletzung der Verkehrssicherungspflicht (Amtspflicht) vorzuwerfen sei.

Eine Gemeinde sei gehalten, die Benutzer eines Spielplatzes vor solchen Gefahren zu warnen und zu schützen, auf die sie sich bei gebotener Sorgfalt und bei zweckentsprechender Inanspruchnahme der Einrichtungen nicht selbst hinreichend einstellen und vor denen sie sich nicht schützen könnten. Inhalt und Umfang der Verkehrssicherungspflicht für einen öffentlichen Spielplatz ergäben sich dabei aus der Notwendigkeit, den Spielplatz möglichst gefahrlos zu gestalten und zu erhalten, wobei das einzuhaltende Ausmaß der Sicherheit sich an dem Alter der jüngsten Kinder auszurichten habe, die für die Benutzung der betreffenden Spielgeräte in Frage kämen. Die Verkehrssicherungspflicht verlange jedoch nicht, dass ein Spielplatz, auf dem Kinder spielen, tollen und toben, so ausgestaltet sein müsse, dass eine in jeder Hinsicht schlechthin gefahrlo...

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