Leitsatz (amtlich)

1. Eine verfassungskonforme Auslegung des § 1757 Abs. 1 S. 1 BGB iVm § 1767 Abs. 2 S. 1 BGB dahingehend, dass im Falle einer Volljährigen-Stiefkindadoption mit den Wirkungen der Minderjährigenadoption der Anzunehmende seinen - von seinem Ehenamen abweichenden - Geburtsnamen beibehalten kann, wenn schwerwiegende Gründe für die Beibehaltung des Geburtsnamens sprechen, kommt nicht in Betracht. Weder eine erweiternde Auslegung der Ausnahmevorschriften, insbesondere des § 1757 Abs. 3 S. 1 Nr. 2 BGB, noch eine teleologische Reduktion des § 1757 Abs. 1 BGB in bestimmten Konstellationen der Volljährigenadoption entsprechen dem durch die Gesetzgebungsgeschichte belegten Willen des Gesetzgebers.

2. Mit dem von Art. 2 Abs. 1 iVm Art. 1 Abs. 1 GG gewährleisteten Schutz des allgemeinen Persönlichkeitsrechts ist es unvereinbar, wenn im Falle der starken Stiefkindadoption eines Volljährigen durch den Stiefvater für den Angenommenen, der bis zur Annahme als Kind den Geburtsnamen seiner Mutter als Geburtsnamen geführt hat, auch bei Vorliegen besonderer Umstände nicht die Möglichkeit besteht, den Geburtsnamen fortzuführen.

3. Das Verfahren ist gem. § 21 Abs. 1 FamFG bis zur Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts über den Vorlagebeschluss des Bundesgerichtshofs vom 13.5.2020 - XII ZB 427/19 - auszusetzen.

 

Normenkette

BGB §§ 1757, 1767 Abs. 2; FamFG § 21 Abs. 1

 

Verfahrensgang

AG Tübingen (Beschluss vom 04.08.2023; Aktenzeichen 6 F 281/23)

 

Tenor

Das Verfahren wird gem. § 21 Abs. 1 FamFG bis zur Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts über den Vorlagebeschluss des Bundesgerichtshofs vom 13.5.2020 - XII ZB 427/19 - ausgesetzt.

 

Gründe

I. Die am xx.xx.1982 geborene Anzunehmende ist die Tochter der weiteren Beteiligten zu 1, die bis zur Volljährigkeit der Anzunehmenden allein sorgeberechtigt war. Sie trägt den von ihrer Mutter abgeleiteten Geburtsnamen K.. Am 16.6.1988 schlossen die Mutter der Anzunehmenden und der Annehmende die Ehe, seither heißt die Mutter "K.-B.". Am 11.10.1988 wurde der gemeinsame Sohn der Mutter der Anzunehmenden und des Annehmenden, R. B., geboren. Seit ihrem vierten Lebensjahr lebte die Anzunehmende in häuslicher Gemeinschaft mit ihrer Mutter, mit ihrem Stiefvater und - seit dessen Geburt - mit ihrem Stiefbruder.

Am x.x.2004 verstarb der leibliche Vater der Anzunehmenden. Persönliche Verbindungen der Anzunehmenden zu ihrem leiblichen Vater hatten kaum bestanden. Auch zur väterlichen Familie bestehen keine Verbindungen mehr.

Im Jahr 2014 schloss die Anzunehmende die Ehe mit Herrn Dr. C. S., dem weiteren Beteiligten zu 2, seither führt sie den Ehenamen "S.". Beide haben zwei gemeinsame Kinder.

Der Annehmende und die Anzunehmende haben in erster Instanz den Ausspruch einer Annahme der Anzunehmenden als Kind des Annehmenden mit den Wirkungen einer Minderjährigenadoption beantragt. Der Annehmende hat außerdem mit Einwilligung der Anzunehmenden beantragt, dem neuen Geburtsnamen der Anzunehmenden "B." ihren bisherigen Geburtsnamen voranzustellen, so dass der Geburtsname der Anzunehmenden fortan "K.-B." lautet.

Das Familiengericht hat den Annehmenden, die Anzunehmende und die weiteren Beteiligten K.-B. und S. angehört. Auf den Vermerk vom 21.7.2023 wird Bezug genommen.

Mit Beschluss vom 4.8.2023 hat das Amtsgericht - Familiengericht die Annahme der Anzunehmenden als Kind des Annehmenden mit den Wirkungen einer Minderjährigenadoption ausgesprochen. Weiter hat das Familiengericht festgestellt, dass die Angenommene nunmehr den Geburtsnamen "B." führe, und dass sich die Änderung des Geburtsnamens nicht auf den Familiennamen erstrecke. Den mit Einwilligung der Anzunehmenden gestellten Antrag des Annehmenden, dem neuen Geburtsnamen der Anzunehmenden den bisherigen Geburtsnamen voranzustellen, so dass der Geburtsname der Anzunehmenden "K.-B." laute, hat das Familiengericht zurückgewiesen.

Zur Begründung hat das Amtsgericht insbesondere ausgeführt, dass der Geburtsname der Anzunehmenden entsprechend der unmittelbar aus dem Gesetz (§ 1757 Abs. 1 BGB iVm § 1767 Abs. 2 S. 1 BGB) folgenden Änderung nunmehr "B." heiße. Das Gesetz eröffne nicht die Möglichkeit, dass dem neuen Geburtsnamen der Anzunehmenden ihr bisheriger Geburtsname vorangestellt werde.

Lediglich wenn ein Ehepaar ein Kind annehme oder ein Ehegatte ein Kind des anderen Ehegatten annehme und die Ehegatten keinen Ehenamen führten, bestimmten sie den Geburtsnamen des Kindes vor dem Ausspruch der Annahme durch Erklärung gegenüber dem Familiengericht. Die Regelung des § 1757 Abs. 2 Satz 1 BGB sei hier allerdings nicht einschlägig, da der Annehmende und die Mutter der Anzunehmenden den Ehenamen "B." führten.

Nach § 1757 Abs. 3 S. 1 Nr. 2 BGB iVm § 1767 Abs. 2 S. 1 BGB könne das Familiengericht zwar auf Antrag des Annehmenden und mit Einwilligung der Anzunehmenden unter bestimmten Voraussetzungen dem neuen Familiennamen des Kindes den bisherigen Familiennamen voranstellen oder anfügen. Der vorliegende Sachverhalt unterfalle indes nicht dem Anwendungsbereich d...

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