Leitsatz (amtlich)

Die Anrechnungsvorschrift gem. Teil 3 Vorbem. 3 Abs. 4 RVG-VV ist nicht anzuwenden, wenn zwischen einem Rechtsanwalt und seinem Auftraggeber für eine vorgerichtliche Tätigkeit wegen desselben Gegenstands wie im nachfolgenden Rechtsstreit eine Gebührenvereinbarung getroffen wurde. (Aufgabe von OLG Stuttgart, Beschl. v. 3.9.2008 - 8 W 348/08; Anschluss an OLG Frankfurt AnwBl. 2009, 310).

 

Normenkette

RVG-VV Teil 3 Vorbem. 3 Abs. 4; RVG-VV Nr. 2300; RVG § 4

 

Verfahrensgang

AG Schwäbisch Gmünd (Beschluss vom 13.01.2009; Aktenzeichen 7 F 503/08)

 

Tenor

1. Auf die sofortige Beschwerde der Klägerin wird der Kostenfestsetzungsbeschluss der Rechtspflegerin des AG Schwäbisch Gmünd vom 13.1.2009 dahin abgeändert, dass zusätzlich zu den festgesetzten Kosten von 474,12 EUR weitere 281,24 EUR vom Beklagten an die Klägerin zu erstatten sind.

2. Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei. Im Übrigen trägt der Beklagte die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

3. Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

Beschwerdewert: 281,24 EUR.

 

Gründe

I. Die Parteien streiten darüber, ob sich die Klägerin auf die im Rechtsstreit entstandene Verfahrensgebühr eine 0,65-Geschäftsgebühr für ihre schon vorgerichtlich wegen desselben Gegenstands tätig gewesene Bevollmächtigte anrechnen lassen muss oder ob die Anrechnung wegen der getroffenen Gebührenvereinbarung nicht zu erfolgen hat.

Gemäß dem gerichtlichen Vergleich vom 6.11.2008 haben der Beklagte 60 % und die Klägerin 40 % der Kosten des Rechtsstreits zu tragen. Der Streitwert wurde auf 17.572,56 EUR festgesetzt.

Die Rechtspflegerin hat im Kostenfestsetzungsbeschluss vom 13.1.2009 die Verfahrensgebühr wegen vorgerichtlicher Tätigkeit beider Bevollmächtigter jeweils um eine 0,65-Geschäftsgebühr gem. Nr. 2300 VV/RVG i.H.v. je 393,90 EUR zzgl. Umsatzsteuer mit dem Ergebnis gekürzt, dass der Beklagte der Klägerin 474,12 EUR an außergerichtlichen Kosten zu erstatten hat.

Die Klägerin hat gegen diese am 20.1.2009 zugestellte Entscheidung durch ihre Verfahrensbevollmächtigte am 3.2.2009 sofortige Beschwerde eingelegt. Sie macht geltend, sie habe mit dieser eine Gebührenvereinbarung dahin getroffen, dass deren vorgerichtliche Tätigkeit mit lediglich 300 EUR abgegolten werde. Da somit keine Geschäftsgebühr im Sinne der Vorbemerkung 3 Abs. 4 VV/RVG angefallen sei, erfolge keine Anrechnung auf die Verfahrensgebühr. Die Vereinbarung und die Abrechnung des Pauschalhonorars würden anwaltlich versichert. Allenfalls könne dieses hälftig angerechnet werden.

Der Beklagte ist dem Rechtsmittel entgegengetreten. Er bestreitet die Vereinbarung einer Pauschalvergütung, die aber auch aus Rechtsgründen nicht zu seinen Lasten gehen könne.

Die Rechtspflegerin hat die Beschwerde ohne Abhilfe dem OLG zur Entscheidung vorgelegt.

II. Das Rechtsmittel der Klägerin ist als sofortige Beschwerde gem. §§ 11 Abs. 1 RPflG, 104 Abs. 3 ZPO statthaft und auch sonst zulässig; insbesondere form- und fristgerecht eingelegt.

Das Rechtsmittel hat auch in der Sache Erfolg.

1. Die Anrechnungsbestimmung in Vorbemerkung 3 Abs. 4 RVG-VV erfasst nach ihrem Wortlaut nur den Anfall einer Geschäftsgebühr gemäß der gesetzlichen Regelung in Nr. 2300 RVG-VV und ist damit auf eine vorgerichtliche Tätigkeit mit Vereinbarung eines Pauschalhonorars nicht anwendbar, nachdem diese Möglichkeit in § 4 RVG von Anfang an vorgesehen war (OLG Frankfurt AnwBl. 09, 310; Gerold/Schmidt/Madert, RVG, 17. Aufl., Rz. 33 zu § 4 RVG: jedenfalls für den Fall, dass die vereinbarte Vergütung niedriger ist als die gesetzliche; Rick in Schneider/Wolf, RVG, 4. Aufl., Rz. 12 zu § 4 RVG).

Eine analoge Anwendung der Anrechnungsbestimmung auf den Fall einer Honorarvereinbarung für eine vorgerichtliche Tätigkeit ist nicht veranlasst.

Der Gesetzgeber hat die Anrechnung eines insoweit vereinbarten Honorars auf die Gebühr für eine spätere Tätigkeit in § 34 Abs. 2 RVG lediglich bei einer vorgerichtlichen Beratung vorgesehen, deren Vergütung regelmäßig durch Vereinbarung festzulegen ist. Die Anrechnung erfolgt hier jedoch nur, soweit nichts anderes vereinbart ist.

Für eine analoge Anwendung der Anrechnungsbestimmung in Vorbemerkung 3 Abs. 4 RVG-VV auf den Fall einer Gebührenvereinbarung für eine vorgerichtliche Tätigkeit sieht der Senat keinen Anlass.

An der in Übereinstimmung mit dem Bayerischen VGH (NJW 2006, 1990 = AGS 2007, 154) ergangenen Entscheidung des Einzelrichters des Senats (AGS 2009, 512) wird nicht festgehalten.

2. Nachdem eine Gebührenvereinbarung für die vorgerichtliche Tätigkeit auf Klägerseite durch anwaltliche Versicherung hinreichend glaubhaft gemacht ist, ergibt sich folgende ergänzende Kostenfestsetzung:

Die von der Rechtspflegerin vorgenommene Anrechnung einer 0,65-Geschäftsgebühr gem. Nr. 2300 RVG-VV von brutto 468,74 EUR entfällt. Berücksichtigt man die in dieser Höhe entstandene Verfahrensgebühr auf Klägerseite, so errechnet sich bei der Kostenquote des Beklagten von 60 % ein ergänzender Erstattungsanspruch der Klägerin von 281,24 EUR.

Dieser Betrag war in Ergänzung ...

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