Leitsatz (amtlich)

Kostenfestsetzung:

1. Ein Parteiwechsel innerhalb eines gerichtlichen Verfahrens rechtfertigt nur die einmalige Erhebung der in dem Rechtszug anfallenden Gebühren (§§ 7 Abs. 1, 15 Abs. 2 Satz 1 RVG) unabhängig davon, ob der gemeinsame Rechtsanwalt gleichzeitig oder nacheinander für mehrere Auftraggeber in derselben Angelegenheit tätig wird.

2. Der Mehrvertretungszuschlag (Nr. 1008 RVG-VV) setzt einen entsprechenden Antrag gem. § 103 Abs. 2 Satz 1 ZPO voraus.

3. Bei der Kostenfestsetzung nach der Durchbrechung des Grundsatzes der Einheitlichkeit der Kostenentscheidung beim vorzeitigen Ausscheiden eines Streitgenossen durch Parteiwechsel ist zu beachten, dass der ausgeschiedene obsiegende Streitgenosse von dem unterlegenen Gegner nur in Höhe des seiner Beteiligung am Rechtsstreit entsprechenden Bruchteils und nicht entsprechend seinem Haftungsanteil nach § 7 Abs. 2 Satz 1 RVG Erstattung seiner außergerichtlichen Kosten verlangen kann.

 

Normenkette

RVG § 7 Abs. 1, 2 S. 1, § 15 Abs. 2 S. 1; ZPO § 91 Abs. 1 S. 1; BGB § 426 Abs. 1 S. 1

 

Verfahrensgang

LG Tübingen (Beschluss vom 13.08.2009; Aktenzeichen 7 O 323/09)

 

Tenor

Auf die sofortige Beschwerde der Klägerin wird der Kostenfestsetzungsbeschluss der Rechtspflegerin des LG Tübingen vom 13.8.2009 - 7 O 323/09, abgeändert:

Auf Grund des Beschlusses des LG Stuttgart vom 31.3.2009 - 15 O 407/08, sind an Kosten von der Klägerin an den Beklagten Ziff. 1 zu erstatten 880,54 EUR, nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz nach § 247 BGB seit 2.4.2009.

Der weitergehende Kostenfestsetzungsantrag des Beklagten Ziff. 1 wird zurückgewiesen.

Im Übrigen wird die sofortige Beschwerde der Klägerin zurückgewiesen.

Die für diese Entscheidung anfallende Gerichtsgebühr wird auf die Hälfte ermäßigt. Die außergerichtlichen Kosten des Beschwerdeverfahrens werden gegeneinander aufgehoben.

Beschwerdewert: 1.761,08 EUR.

 

Gründe

1. Im Hauptsacheverfahren wegen Amtshaftung i.H.v. 54.800 EUR hat die Klägerin mit der Klage vom 30.12.2008 zunächst den Beklagten Ziff. 1 auf Zahlung in Anspruch genommen und sodann mit Schriftsatz vom 28.2.2009 durch Parteiwechsel die Beklagte Ziff. 2, die von dem selben Rechtsanwalt wie der Beklagte Ziff. 1 vertreten wird, wegen des selben Klagebegehrens verklagt. Zuvor hatte der Beklagte Ziff. 1 mit Schriftsatz vom 23.2.2009 auf seine fehlende Passivlegitimation hingewiesen und Klageabweisung beantragt.

Durch Beschluss vom 31.3.2009 (Az. 15 O 407/08) wurden der Klägerin die außergerichtlichen Kosten des Beklagten Ziff. 1 entsprechend § 269 Abs. 3 Satz 2 ZPO auferlegt und im Übrigen der Rechtsstreit an das LG Tübingen verwiesen, wo er noch anhängig ist. Die gegen den Kostenbeschluss von der Klägerin erhobene sofortige Beschwerde wurde durch den 4. Zivilsenat am 21.4.2009 (Az. 4 W 26/09) zurückgewiesen.

Entsprechend dem Antrag des Beklagten Ziff. 1 vom 1.4.2009 wurden durch die Rechtspflegerin mit Beschluss vom 13.8.2009 die von der Klägerin an den Beklagten Ziff. 1 zu erstattenden Kosten des Klageverfahrens i.H.v. 1.761,08 EUR festgesetzt. Gegen die am 18.8.2009 zugestellte Entscheidung hat die Klägerin am 20.8.2009 sofortige Beschwerde eingelegt, der der Beklagte Ziff. 1 entgegengetreten ist.

Die Rechtspflegerin hat nicht abgeholfen und die Akten dem OLG zur Entscheidung vorgelegt.

2. Die sofortige Beschwerde der Klägerin ist zulässig (§§ 104 Abs. 3 Satz 1, 567 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2, 568 ff. ZPO, § 11 Abs. 1 RpflG) und hat in der Sache teilweise Erfolg.

Entsprechend der Kostengrundentscheidung des LG Stuttgart waren die beim Beklagten Ziff. 1 angefallenen und erstattungsfähigen außergerichtlichen Kosten gem. § 91 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 1 ZPO auf seinen Antrag ggü. der Klägerin festzusetzen - unabhängig vom Ausgang des Rechtsstreits zwischen ihr und der jetzigen Beklagten Ziff. 2.

Die Rechtspflegerin hat jedoch zu Unrecht die vom Beklagtenvertreter in Ansatz gebrachten Gebühren und Auslagen als Erstattungsbetrag zugunsten des aus dem Rechtsstreit ausgeschiedenen Beklagten Ziff. 1 in voller Höhe berücksichtigt. Denn richtiger Weise hätte die Festsetzung nur zu einem Bruchteil von 1/2 erfolgen dürfen.

Die Klägerin weist zu Recht daraufhin, dass bei der Abrechnung der auf Beklagtenseite entstandenen Anwaltsgebühren trotz des Parteiwechsels nur eine Angelegenheit zugrunde gelegt werden kann.

Nach der Rechtsprechung des BGH (NJW 2007, 769; vgl. auch Beschluss des Senats vom 11.11.2008 - 8 W 467/08, sowie Müller-Rabe in Gerold/Schmidt, RVG, 18. Aufl. 2008, Nr. 1008 RVG-VV Rz. 98 und 99; je m.w.N.) führt ein Parteiwechsel innerhalb eines gerichtlichen Verfahrens nie dazu, dass zwei Angelegenheiten vorliegen. Es bleibt eine Angelegenheit, die nur die einmalige Erhebung der in dem Rechtszug anfallenden Gebühren (§§ 7 Abs. 1, 15 Abs. 2 Satz 1 RVG) rechtfertigt und zwar unabhängig davon, ob der Rechtsanwalt gleichzeitig oder nacheinander für mehrere Auftraggeber in derselben Angelegenheit tätig wird.

Zu berücksichtigen ist dabei zum Ausgleich des Mehraufwa...

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