Leitsatz (amtlich)

1. Auch nach der Neuregelung des Spruchverfahrensrechts durch das FGG-Reformgesetz ist eine Zwischenentscheidung über die Zulässigkeit des Spruchverfahrens analog § 280 ZPO zulässig.

2. Gegen die erstinstanzliche Zwischenentscheidung über die Zulässigkeit des Spruchverfahrens ist die Beschwerde nach § 58 Abs. 1 FamFG statthaft.

3. Ein Spruchverfahren betreffend ein im Rahmen eines Delisting abgegebenes Abfindungsangebot ist nicht statthaft. Dies gilt auch für vor der Entscheidung des BGH vom 8.10.2013 (ZIP 2013, 2254 - Frosta) eingeleitete Spruchverfahren. Anträge auf Durchführung eines derartigen Spruchverfahrens sind deshalb auch dann als unzulässig zu verwerfen, wenn die Anträge vor der Entscheidung des BGH vom 8.10.2013 (ZIP 2013, 2254 - Frosta) gestellt wurden.

 

Normenkette

FamFG § 58; ZPO § 280

 

Verfahrensgang

LG Stuttgart (Beschluss vom 20.10.2014; Aktenzeichen 31 O 27/13 KfH)

 

Tenor

1. Auf die Beschwerde der Antragsgegnerin wird der Zwischenbeschluss des LG Stuttgart vom 20.10.2014 über die Zulässigkeit des Spruchverfahrens (Az. 31 O 27/13 KfH SpruchG) aufgehoben.

2. Die Anträge auf Festsetzung einer angemessenen Barabfindung werden als unzulässig verworfen.

3. Die Antragsgegnerin trägt die Gerichtskosten beider Instanzen. Die Antragsteller und die Antragsgegnerin tragen in beiden Instanzen jeweils ihre eigenen außergerichtlichen Kosten.

4. Der Geschäftswert wird für beide Instanzen auf 200.000 EUR festgesetzt.

 

Gründe

I. Die Antragsteller des Spruchverfahrens begehren als Minderheitsaktionäre der X AG, E., die Festsetzung einer angemessenen Barabfindung wegen Verlustes der Börsenzulassung der Aktien am regulierten Markt (Delisting). Die Y Beteiligungsgesellschaft mbH (zwischenzeitlich verschmolzen auf die X AG) als Mehrheitsaktionärin hatte den Aktionären im Anhang der Einladung zu der Hauptversammlung vom 21.5.2012, bei der über den Rückzug der Gesellschaft von der Börse entschieden werden sollte, ein Angebot zum Kauf ihrer Aktien an der X AG zum Preis von 5,36 EUR je Aktie mit einer Annahmefrist von zwei Monaten ab Veröffentlichung des Widerrufs unterbreitet (Anlage AG 2, Bl. 222). Die Hauptversammlung der X AG beschloss am 21.5.2012, dass ihr Vorstand ermächtigt wird, den Antrag auf Widerruf der Zulassung der Aktien der Gesellschaft zum regulierten Markt der ... Wertpapierbörse zu stellen. Der Widerruf wurde am 6.9.2012 wirksam.

Der erste Antrag in dem Spruchverfahren ging am 4.7.2012 ein. Das Spruchverfahren richtet sich gegen die Y Beteiligungsgesellschaft mbH, die zwischenzeitlich auf die X AG verschmolzen wurde, weshalb das Rubrum entsprechend zu berichtigen war. Am 8.10.2013 entschied der BGH unter Aufgabe der Grundsätze der Macrotron-Entscheidung vom 25.11.2002 (II ZR 133/01, ZIP 2003, 387), dass die Aktionäre bei einem Widerruf der Zulassung einer Aktie zum Handel im regulierten Markt auf Veranlassung der Gesellschaft keinen Anspruch auf eine Barabfindung haben (II ZB 26/12, ZIP 2013, 2254 - Frosta).

Die Parteien streiten um die Frage, ob das Spruchverfahren durch diese Entscheidung des BGH unzulässig geworden ist.

Das LG Stuttgart hat mit Zwischenbeschluss vom 20.10.2014 - 31 O 27/13 KfH SpruchG, entschieden, dass das Spruchverfahren zulässig sei.

Die Entscheidung des BGH vom 8.10.2013 habe keine rückwirkende Kraft. Für das laufende Spruchverfahren gelte weiterhin die Macrotron-Entscheidung des BGH. Der BGH habe seine Rechtsprechung in Form einer richterlichen Rechtsfortbildung geändert. In der Macrotron-Entscheidung habe der BGH im Wege richterlicher Rechtsfortbildung die Pflicht zur Abgabe eines Erwerbsangebots einschließlich dessen Überprüfung im Spruchverfahren statuiert. Dieser Rechtsfortbildung sei nach Auffassung des BGH durch die Entscheidung des BVerfG vom 11.7.2012 die Grundlage entzogen worden, weshalb der BGH sie aufgegeben habe. Hierdurch sei die durch Richterrecht geschaffene Pflicht zur Abgabe eines Erwerbsangebots entfallen. Es könne dahinstehen, ob eine echte oder eine unechte Rückwirkung vorliege, denn in beiden Fällen sprächen überwiegende Gründe des Vertrauensschutzes der antragstellenden Minderheitsaktionäre gegen eine Rückwirkung. Die Antragsteller hätten im Vertrauen auf den Fortbestand der Macrotron-Entscheidung den Weg der Nichtannahme des Pflichtangebots gewählt, weil sie davon ausgegangen seien, das Barangebot auf seine Angemessenheit durch ein gerichtliches Spruchverfahren überprüfen lassen zu können. Dem gegenüber hätten die X AG und die Antragsgegnerin kein schutzwürdiges Vertrauen darin, dass die Macrotron-Rechtsprechung aufgehoben würde. Die Interessen der Antragsteller würden deshalb überwiegen. Auch öffentliche Interessen würden keine Rückwirkung gebieten. Die Kammer räume deshalb der Rechtssicherheit den gewichtigeren Rang ein als der Einzelfallgerechtigkeit.

Wegen der weiteren Einzelheiten der Begründung wird auf den Beschluss des LG verwiesen.

Gegen die Zwischenentscheidung wendet sich die Antragsgegnerin, die hiergegen entsprechend der dem Beschlus...

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Deutsches Anwalt Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge