Verfahrensgang

AG Schwäbisch Hall (Beschluss vom 30.06.2021; Aktenzeichen 2 F 318/19)

 

Tenor

1. Auf die Beschwerden der ...STIFTUNG... sowie des S. e.V. wird der Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Schwäbisch Hall vom 30.06.2021 wie folgt abgeändert:

Von der Erhebung von Gerichtskosten wird abgesehen. Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.

2. Von der Erhebung von Gerichtskosten für das Beschwerdeverfahren wird abgesehen. Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.

 

Gründe

I. Die Beschwerdeführer wenden sich als Drittbeteiligte gegen die ihnen auferlegten Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens.

Aus der nichtehelichen Beziehung der beteiligten Kindesmutter und dem am 31.10.2022 verstorbenen Kindesvater ist das gemeinsame Kind T. R., geboren am ...2013, hervorgegangen, für das eine gemeinsame Sorgerechtserklärung abgegeben worden war. Im Juli 2019 hatte die Kindesmutter ein Verfahren auf Übertragung der alleinigen elterlichen Sorge für T. beim Amtsgericht eingeleitet. Die Kindesmutter hatte gegenüber dem Kindesvater den Verdacht eines sexuellen Missbrauchs zum Nachteil T. geäußert. Ein Ermittlungsverfahren gegen den Kindesvater war allerdings von der Staatsanwaltschaft Stuttgart am 16.01.2019 nach § 170 Abs. 2 StPO eingestellt worden. Ende Juli 2019 hatte der Kindesvater einen Antrag auf Übertragung der alleinigen elterlichen Sorge gestellt.

Mit Beschluss vom 01.08.2019 hat das Amtsgericht von Amts wegen ein einstweiliges Anordnungsverfahren zur Überprüfung einer etwaigen akuten Kindeswohlgefährdung eingeleitet und mit Beschluss vom gleichen Tag den Eltern Teile des Sorgerechts entzogen und das Jugendamt ... zum Ergänzungspfleger bestellt. Das Hauptsacheverfahren wurde, wie bereits in der Verfügung vom 15.07.2019 mitgeteilt, sodann als Kindeswohlgefährdungsverfahren von Amts wegen geführt. Die Kindesmutter hatte gegenüber dem Kindesvater zudem den Verdacht geäußert, er habe die im März 2018 verstorbene Halbschwester M. ermordet.

Das Amtsgericht hatte in der Folgezeit mehrere Sachverständigengutachten in Auftrag gegeben (Beschluss vom 23.07.2019: familienpsychologisches Gutachten, Dr. S.; Beschluss vom 01.10.2019: Durchführung einer Polygrafie-Methode, Dipl. Psych. K.; Beschluss vom 10.10.2019: rechtsmedizinische Gutachten bezüglich des im Jahr 2009 verstorbenen P. R., Vater der verstorbenen Halbschwester M. sowie der am 03.03.2018 verstorbenen M., Prof. Dr. M.; Beschluss vom 06.11.2019: medizinisches Gutachten zur Frage, ob bei T. nicht indizierte Operationen durchgeführt worden seien, Prof. Dr. P.; Beschluss vom 06.11.2019: psychiatrisches Sachverständigengutachten hinsichtlich etwaiger psychischer Erkrankungen der Kindeseltern, Dr. H.; Beschluss vom 28.04.2020: Sachverständigengutachten wegen etwaiger Traumatisierung T., Dipl. Psych. F., Aufhebungsbeschluss vom 21.05.2021). Daneben hat das Amtsgericht umfangreiche Zeugenvernehmungen durchgeführt, u.a. auch im Hinblick auf die verstorbene Halbschwester M. vor dem Hintergrund eines möglichen Münchhausen-by-proxy-Syndoms und deren Tod.

Die Kindesmutter ließ sich seit Frühjahr 2019 von dem weiteren Beteiligten zu 2, der S. e.V., einer Opferschutzorganisation, beraten. Daneben nahm die Kindesmutter auch die Unterstützung der weiteren Beteiligten zu 1, der ...STIFTUNG... in Anspruch. Der S. e.V. übernahm für die Kindesmutter u.a. die Kosten einer Diplompsychologin, die ein Schreiben im strafrechtlichen Ermittlungsverfahren gegen den Kindesvater verfasst hatte. Die ...STIFTUNG bezahlte u.a. die Kosten für einen privaten Begutachtungstermin im Zusammenhang mit dem im Raum stehenden Münchhausen-by-proxy-Verdacht. Die Geschäftsführerin der ...STIFTUNG schrieb im Juli 2019 einen Brief an das Jugendamt ..., in dem sie ihre Sorge um das Wohlergehen des Kindes T. zum Ausdruck brachte. Auch die Leiterin des S. e.V. brachte in einem persönlichen Schreiben Ende Juli 2019 gegenüber der Verwaltungsleiterin des Amtsgerichts Schwäbisch Hall und dem zuständigen Jugendamtsmitarbeiter ihre Sorge um T. zum Ausdruck.

Mit Beschluss vom 21.05.2021 hat das Amtsgericht aufgrund der vorliegenden Gutachten dem später verstorbenen Kindesvater die Sorge für T. übertragen. Die Kostenentscheidung hat das Amtsgericht ausweislich Ziffer 3 des Beschlusses einem gesonderten Beschluss vorbehalten.

Mit angefochtenem Beschluss vom 30.06.2021, der der ...STIFTUNG am 06.07.2021 und dem S. e.V. am 02.07.2021 zugestellt worden ist, hat das Amtsgericht der Kindesmutter und den beiden Beschwerdeführern die Kosten des Verfahrens als Gesamtschuldner auferlegt. Zur Begründung der Kostentragungspflicht der Beschwerdeführer gem. § 81 Abs. 4 FamFG hat das Amtsgericht u.a. ausgeführt, dass diese durch ihre Mitglieder aktiv versucht hätten, auf den Wahrheitsfindungsprozess des Gerichts bzw. der Sorgerechtsentscheidung Einfluss zu nehmen. Die beiden Beschwerdeführer hätten weder die Angaben der Kindesmutter noch deren Motivlage hinterfragt. Wenn Opferschutzorganisationen einem in Wirklichkeit nicht ...

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