Leitsatz (amtlich)

Stimmt die Kindesmutter der außergerichtlichen Vaterschaftsanerkennung nicht zu, obwohl sie an der Vaterschaft keinen Zweifel hat, können ihr im gerichtlichen Vaterschaftsfeststellungsverfahren nach billigem Ermessen gemäß § 81 Abs. 2 Nr. 1 FamFG die gesamten Verfahrenskosten auferlegt werden.

 

Normenkette

FamFG § 81 Abs. 2 Nr. 1

 

Verfahrensgang

AG Wiesbaden (Aktenzeichen 536 F 67/21 AB)

 

Tenor

Die Beschwerde der Kindesmutter vom 13.10.2021 gegen die mit Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Wiesbaden vom 23.09.2021 getroffene Kostenentscheidung wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens werden der Kindesmutter auferlegt.

 

Gründe

I. Die Kindesmutter wendet sich gegen die Kostenentscheidung in einem Vaterschaftsfeststellungsverfahren.

Der Antragsteller erklärte am 14.11.2020 vor dem Jugendamt die Anerkennung der Vaterschaft für den ... 2018 geborenen Sohn S der Kindesmutter. Diese hatte ihm nach der Geburt mitgeteilt, dass er der leibliche Vater des Kindes sei, hatte aber gleichwohl der Vaterschaftsanerkennung nicht zugestimmt.

Der Antragsteller beantragte daher mit Schriftsatz vom 28.06.2021 gerichtlich festzustellen, dass er der Vater von S, geb. ... 2018, ist.

Das Amtsgericht hörte die Beteiligten an. In der Anhörung erklärte die Mutter, dass sie absolut sicher sei, dass der Antragsteller der Kindesvater sei. Das Gericht wies die Mutter daraufhin, dass die Feststellung der Vaterschaft nur noch von ihrer Zustimmung abhänge. Im Falle einer solchen Zustimmung könne das Geld für ein Sachverständigengutachten gespart werden.

Die Mutter verweigerte die Zustimmung zur Anerkennung der Vaterschaft.

Das Gericht holte ein Abstammungsgutachten ein, nach welchem die Vaterschaft des Antragstellers zu dem betroffenen Kind praktisch erwiesen war. Mit Beschluss vom 23.09.2021 stellte das Gericht die Vaterschaft des Antragstellers fest und legte der Mutter die Kosten des Verfahrens auf. Die Kostenentscheidung begründete es damit, dass es nicht angehen könne, den Antragsteller an den Verfahrenskosten zu beteiligen, nachdem die Mutter - obwohl sie sich der Vaterschaft absolut sicher gewesen sei - eher aus Trotz heraus die Zustimmung verweigert habe.

Der Beschluss wurde der Mutter am 30.09.2021 zugestellt. Mit ihrer am 13.10.2021 beim Amtsgericht eingegangenen Beschwerde wendet die Mutter sich gegen die Kostenentscheidung. Sie begründet ihre Beschwerde damit, dass sie das Gerichtsverfahren weder eingeleitet noch gewollt habe. Im Gegensatz zum Antragsteller, der ein gut laufendes Unternehmen habe, lebe sie von Sozialhilfe.

II. Die Beschwerde ist zulässig, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt, §§ 58 ff. FamFG. Das Erfordernis der Mindestbeschwer gemäß § 61 Abs. 1 FamFG gilt nicht für die isolierte Anfechtung von Kostenentscheidungen in nichtvermögensrechtlichen Angelegenheiten (vgl. BGH, Beschluss vom 25. September 2013 - XII ZB 464/12, juris Rn. 7 = FamRZ 2013, 1876).

In der Sache hat die Beschwerde aus den zutreffenden Gründen der amtsgerichtlichen Entscheidung keinen Erfolg.

Die Kostenentscheidung nach § 81 FamFG stellt eine Ermessensentscheidung dar, die im vollen Umfang der Nachprüfung des Beschwerdegerichts unterliegt. Dies hat zur Folge, dass der Senat eine eigene Ermessensentscheidung zu treffen hat (BGH, Beschluss vom 12. Oktober 2016 - XII ZB 372/16, juris Rn. 8 = FamRZ 2017, 97 zu § 18 Abs. 1 VersAusglG; Dürbeck, in: Heilmann (Hrsg.), Praxiskommentar Kindschaftsrecht, 2. Auflage 2020, § 68 FamFG Rn. 14; Sternal, in: Keidel, FamFG, 20. Auflage 2020, § 68 Rn. 93).

In Vaterschaftsfeststellungsverfahren entspricht es regelmäßig der Billigkeit, der Kindesmutter und dem potentiellen Kindesvater die Gerichtskosten des Verfahrens hälftig aufzuerlegen und sie ihre eigenen außergerichtlichen Kosten selbst tragen zu lassen. Denn Kindesmutter und potentieller Vater veranlassen das Verfahren dadurch, dass sie in der gesetzlichen Empfängniszeit miteinander geschlechtlich verkehrt haben, in gleicher Weise (OLG Düsseldorf, Beschluss vom 24. Mai 2011 - 1 WF 260/10, juris Rn. 12; Giers, in: Keidel, FamFG, 20. Auflage 2020, § 49 FamFG, Rn. 13; Engelhardt, in: Keidel, FamFG, 20. Auflage 2020, § 169 FamFG, Rn. 44a).

Abweichend von der Regel waren der Kindesmutter hier jedoch die gesamten Verfahrenskosten allein aufzuerlegen, weil sie im Sinne des § 81 Abs. 2 Nr. 1 FamFG durch grobes Verschulden Anlass für das Verfahren gegeben hat. Zwar muss grundsätzlich die Mutter einer Anerkennung der Vaterschaft nicht zustimmen, sondern kann auf einer gerichtlichen Klärung bestehen, wenn sie davon ausgeht, dass auch ein anderer Mann als Vater des Kindes in Betracht kommt (Grün, in: Heilmann, Praxiskommentar Kindschaftsrecht, 2. Aufl. 2020, § 169 FamFG, Rn. 16). Dies war jedoch vorliegend nicht der Fall. Die Mutter hat schon vor Einholung des Sachverständigengutachtens versichert, dass als Vater nur der Antragsteller in Betracht komme, und dass sie sich dessen Vaterschaft absolut sicher sei. Der Antragsteller selbst hat...

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