Entscheidungsstichwort (Thema)

Keine Festsetzung der Gerichtskosten gegen den bedürftigen Antragsgegner

 

Leitsatz (amtlich)

1. Kein Anspruch des Veranlassungsschuldners gegen den Entscheidungsschuldner, dem Prozess- oder Verfahrenskostenhilfe bewilligt worden ist, auf Erstattung vorgeschossener Gerichtsgebühren.

2. Die Anwendung von § 31 Abs. 3 GKG und § 26 Abs. 3 FamGKG ist nicht auf Fälle der Bewilligung von ratenfreier Prozesskosten- oder Verfahrenskostenhilfe beschränkt.

 

Normenkette

ZPO §§ 104, 123; GKG § 31 Abs. 3; FamGKG § 26 Abs. 3

 

Verfahrensgang

AG Ravensburg (Beschluss vom 21.12.2010; Aktenzeichen 8 F 756/09)

 

Tenor

1. Auf die sofortige Beschwerde der Antragsgegnerin wird der Beschluss des Rechtspflegers beim AG Ravensburg - Familiengericht - vom 21.12.2010 (8 F 756/09) aufgehoben.

2. Der Kostenausgleichungsantrag des Antragstellers vom 14.12.2010 wird zurückgewiesen.

3. Diese Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei. Im Übrigen trägt der Antragsteller die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Gegenstandswert: 242 EUR

 

Gründe

I. In dem am 9.10.2009 eingeleiteten Ehescheidungsverfahren wurde der Antragsgegnerin mit Beschluss vom 24.11.2009 Verfahrenskostenhilfe bewilligt. Dabei wurde ihr auferlegt, auf die Verfahrenskosten ab 1.3.2010 monatliche Raten i.H.v. 30 EUR zu bezahlen. Das Verfahren endete mit rechtskräftigem Scheidungsbeschluss vom 12.5.2010. In Ziff. 3 des Beschlusses wurden die Kosten des Verfahrens gegeneinander aufgehoben.

Der Antragsteller, welcher einen Gerichtskostenvorschuss von 484 EUR eingezahlt hatte, beantragte mit Schriftsatz vom 14.12.2010 die Ausgleichung der Gerichtskosten. Mit Kostenfestsetzungsbeschluss des Rechtspflegers vom 21.12.2010 ordnete dieser an, dass auf Grund des rechtskräftigen Beschlusses des AG vom 12.5.2010 242 EUR von der Antragsgegnerin an den Antragsteller zu erstatten sind.

Gegen diese ihr am 23.12.2010 zugestellte Entscheidung legte die Antragsgegnerin am selben Tage sofortige Beschwerde ein und verwies auf die ihr gewährte Verfahrenskostenhilfe.

Der Rechtspfleger half der sofortigen Beschwerde nicht ab und legte am 18.1.2011 die Akten dem OLG Stuttgart zur Entscheidung vor.

II. Die gem. § 85 FamFG i.V.m. §§ 104 Abs. 3, 567 ff. ZPO, § 11 Abs. 1 RpflG zulässige sofortige Beschwerde der Antragsgegnerin gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss ist in der Sache begründet.

Gemäß § 122 Abs. 1 Nr. 1 ZPO bewirkt die Bewilligung von Prozesskostenhilfe, dass die Bundes- oder Landeskasse Gerichtskosten gegen die Partei nur nach Maßgabe der Zahlungsbestimmung geltend machen kann, welche durch das Gericht anlässlich der Bewilligung getroffen wurde. Über die Verweisung in § 76 Abs. 1 FamFG ist die Vorschrift auch in familiengerichtlichen Verfahren, welche nach dem 31.8.2009 eingeleitet wurden, anzuwenden. Dies bedeutet im vorliegenden Fall, dass die Antragsgegnerin über die ihr auferlegte Monatsrate von 30 EUR hinaus zu Zahlungen auf die Gerichtskosten nicht verpflichtet werden kann. Diese Regelung steht allerdings im Widerspruch zu § 123 ZPO, nach welchem die Bewilligung von Prozesskostenhilfe auf die Verpflichtung der Partei, die dem Gegner entstandenen Kosten zu erstatten, keinen Einfluss hat. Diesen Widerspruch hat der Gesetzgeber des Kostenrechtsmodernisierungsgesetzes mit Wirkung zum 1.7.2004 durch § 31 Abs. 3 GKG aufgelöst. Das FamGKG enthält für Verfahren, die nach dem 31.8.2009 eingeleitet wurden, in seinem § 26 Abs. 3 eine inhaltsgleiche Vorschrift. Darin ist angeordnet, dass dem Prozessgegner bei Ergehen einer gerichtlichen Kostenentscheidung untersagt ist, die vorgeschossenen Gerichtsgebühren gegen die Partei geltend zu machen, welcher Prozess-/Verfahrenskostenhilfe bewilligt worden ist. Stattdessen sind die verauslagten Gerichtskosten von der Staatskasse an ihn zurückzuzahlen.

Zutreffend weist die Antragsgegnerin darauf hin, dass die genannte Regelung nicht nur dann anzuwenden ist, wenn Prozess-/Verfahrenskostenhilfe ohne Zahlungsanordnung bewilligt wurde. Eine derartige Einschränkung enthält das Gesetz nicht. Auch in § 122 Abs. 1 ZPO und in § 123 ZPO wird hinsichtlich der Wirkungen der Bewilligung von Prozess-/Verfahrenskostenhilfe nicht danach differenziert, ob die betreffende Partei Zahlungen auf die Prozesskosten zu leisten hat oder nicht. Dass der Gesetzgeber an anderer Stelle diese Unterscheidung durchaus vorgenommen hat, wird an § 122 Abs. 2 ZPO erkennbar: Nur wenn dem Kläger, Berufungskläger oder Revisionskläger Prozesskostenhilfe ohne Zahlungsbestimmung bewilligt worden ist, ist dessen Prozessgegner von der Vorschussleistung nach § 122 Abs. 1 Nr. 1 lit. a) ZPO einstweilen befreit. Die hier maßgeblichen Vorschriften von § 31 Abs. 3 GKG bzw. § 26 Abs. 3 FamGKG enthalten eine solche Unterscheidung nicht. Es ist daher ausgeschlossen, dass der Gesetzgeber eine solche beabsichtigt haben könnte, ohne sie ins Gesetz aufzunehmen. Auch von Sinn und Zweck der Vorschriften ergibt sich weder eine Notwendigkeit noch eine Rechtfertigung, die Anwendung von § 31 Abs. 3 GKG und § 26 Abs. 3 ...

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