Entscheidungsstichwort (Thema)

Umfang der Beratungshilfe in einer Familiensache

 

Leitsatz (amtlich)

Für die Beratungshilfe in einer Familiensache sind Regelungen für die Zeit der Trennung vor Rechtskraft der Scheidung einerseits und die Scheidungssache mit den Folgesachen i.S.d. § 16 Nr. 4 RVG andererseits jeweils eine Angelegenheit. Wenn für die Beratungshilfe-Vergütung auf die Definition der Angelegenheit i.S.d. §§ 16 ff. RVG (hier des § 16 Nr. 4 RVG) - mangels einer eigenen Begeriffsbestimmung im Beratungshilfegesetz - zurückgegriffen wird, dann ist es sachgerecht, dies auch gebührenrechtlich umzusetzen.

 

Normenkette

RVG § 16 Nr. 4

 

Verfahrensgang

LG Tübingen (Beschluss vom 02.08.2006; Aktenzeichen 5 T 321/05)

AG Münsingen (Beschluss vom 06.09.2005; Aktenzeichen BerH 154/05)

 

Tenor

Auf die sofortige weitere Beschwerde der Bezirksrevisorin wird unter Aufhebung des Beschlusses der 5. Zivilkammer des LG Tübingen vom 2.8.2006 - 5 T 321/05, und des Beschlusses des AG Münsingen vom 6.9.2005 - BerH 154/05, und unter Zurückweisung der weitergehenden Anträge des Antragstellers der Beschluss des Rechtspflegers des AG Münsingen - Beratungshilfe - vom 26.7.2005 - BerH 154/05, dahingehend abgeändert, dass

die dem Antragsteller aus der Staatskasse zu bewilligende Beratungshilfe-Vergütung auf 498,80 EUR festgesetzt wird.

I. Im Übrigen wird die sofortige weitere Beschwerde zurückgewiesen.

II. Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei. Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.

 

Gründe

I. Die Beteiligte A. erhielt am 11.5.2005 vom AG Münsingen einen Berechtigungsschein für rechtliche Beratung und - soweit erforderlich - Vertretung durch einen Rechtsanwalt in der Angelegenheit "Trennung/Scheidung/Folgesachen". Dabei wurde die Beratungshilfe nachträglich bewilligt auf Antrag des beratenden Rechtsanwalts, des Antragstellers. Bereits zuvor hatte sie sich durch diesen beraten lassen mit dem Ergebnis einer Vereinbarung zwischen ihr und ihrem Ehemann vom 21.4.2005 für den Fall des Getrenntlebens und der Ehescheidung, die am selben Tag notariell beurkundet wurde. Das bereits anhängige Scheidungsverfahren wurde durch Urteil vom 27.10.2005, rechtskräftig seit 28.12.2005, beendet.

Der Antragsteller beantragte die Festsetzung von Beratungshilfe-Gebühren i.H.v. insgesamt 997,60 EUR. Dabei ging er von vier verschiedenen Angelegenheiten aus (Ehescheidung und Versorgungsausgleich/Ehegattenunterhalt/Vermögensauseinandersetzung [Zugewinnausgleich], Hausrat und Ehewohnung/Sorgerecht und Umgangsrecht). Für jede der Angelegenheiten brachte er eine Geschäftsgebühr von 70 EUR gem. Nr. 2603 RVG-VV i.d.F. bis zum 30.6.2006 (a.F.; ab 1.7.2006: Nr. 2503 RVG-VV n.F.), eine Einigungs- und Erledigungsgebühr von 125 EUR gem. Nr. 2608 RVG-VV a.F. (Nr. 2508 RVG-VV n.F.), eine Auslagenpauschale von 20 EUR gem. Nr. 7002 RVG-VV und 16 % Mehrwertsteuer i.H.v. 34,40 EUR gem. Nr. 7008 RVG-VV, insgesamt damit je einen Betrag von 249,40 EUR in Ansatz.

Der Rechtspfleger akzeptierte mit Beschluss vom 26.7.2005 den Ansatz von vier Angelegenheiten (vermögensrechtliche Auseinandersetzung der Ehegatten/Ehegatten- und Kindesunterhalt und Sorgerecht/Versorgungsausgleich/Ehescheidung), reduzierte jedoch bezüglich des Versorgungsausgleichs und der Ehescheidung die beantragten Gebühren um die Einigungs- und Erledigungsgebühr von 125 EUR, sodass sich hierfür jeweils ein Betrag von 93,88 EUR statt 249,40 EUR errechnete. Insgesamt kam der Rechtspfleger zu einem Erstattungsbetrag von 686,56 EUR, den er festsetzte unter Zurückweisung der weitergehenden Anträge.

Die Bezirksrevisorin legte gegen diesen Festsetzungsbeschluss Erinnerung ein mit dem Ziel, die Beratungshilfe-Vergütung auf 249,40 EUR festzusetzen, da lediglich von einer einzigen Angelegenheit ausgegangen werden könne. Die Erinnerung wurde durch Beschluss des AG Münsingen vom 6.9.2005 zurückgewiesen, ebenso die hiergegen eingelegte Beschwerde der Bezirksrevisorin durch den nunmehr angefochtenen Beschluss der 5. Zivilkammer des LG Tübingen vom 2.8.2006, mit dem die weitere Beschwerde zum OLG Stuttgart wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Sache zugelassen wurde.

Die Bezirksrevisorin erhob am 10.8.2006 die weitere Beschwerde. Der Antragsteller hat deren Zurückweisung beantragt. Das LG hat die Akten auf Grund (konkludenter) Nichtabhilfe dem OLG Stuttgart zur Entscheidung vorgelegt.

Die Beteiligten streiten darüber, ob bei der Abrechnung der Beratungshilfe-Vergütung von einer Angelegenheit oder von mehreren auszugehen ist.

II. Nachdem die weitere Beschwerde zum OLG Stuttgart wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Sache durch das LG Tübingen als Beschwerdegericht in seinem Beschluss vom 2.8.2006 zugelassen wurde, ist das Rechtsmittel der Staatskasse, vertreten durch die Bezirksrevisorin, als sofortige weitere Beschwerde statthaft, frist- und formgerecht eingelegt und damit zulässig (§ 55 Abs. 1, Abs. 4 RVG, § 4 Abs. 1 BerHG, § 56 Abs. 1, Abs. 2 RVG i.V.m. § 33 Abs. 6, Abs. 3 Satz 3, Abs. 4 Satz 1 und 4 RVG). Auf einen bestimmten ...

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