Leitsatz (amtlich)

Bei der anwaltlichen Vertretung des Klägers und der Drittwiderbeklagten handelt es sich um dieselbe Angelegenheit, so dass der Rechtsanwalt die Gebühren nur einmal verlangen kann (Anschluss an BGH AGS 2016, 61; Aufgabe von OLG Stuttgart/Senat AGS 2013, 324).

 

Normenkette

RVG §§ 7, 15

 

Verfahrensgang

LG Ellwangen (Beschluss vom 11.08.2014; Aktenzeichen 3 O 346/12)

 

Tenor

1. Auf die sofortige Beschwerde der Beklagten wird der Kostenfestsetzungsbeschluss der Rechtspflegerin des LG Ellwangen (Jagst) vom 11.08.2014, Az. 3 O 346/12 (Erstattungsverhältnis Beklagte an Drittwiderbeklagte), abgeändert:

Auf Grund des am 13.01.2014 vor dem Oberlandesgericht Stuttgart geschlossenen Vergleichs sind von der Beklagten an die Drittwiderbeklagte zu erstatten:

EUR 1.265,49

nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinsssatz gemäß § 247 BGB seit dem 17.02.2014.

Im Übrigen wird der Kostenfestsetzungsantrag der Drittwiderbeklagten zurückgewiesen.

2. Das Beschwerdeverfahren ist gerichtsgebührenfrei. Im Übrigen trägt die Drittwiderbeklagte die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Gegenstandswert des Beschwerdeverfahrens: EUR 1.056,04

 

Gründe

I. Der Kläger hat im vorliegenden Rechtsstreit gegen die Beklagte aus eigenem und abgetretenem Recht Ansprüche auf Schadenersatz wegen fehlerhafter Anlageberatung geltend gemacht. Die streitgegenständliche Anlageberatung erfolgte gegenüber dem Kläger und seiner Ehefrau. Diese hat ihre Forderungen in Zusammenhang mit der behauptet fehlerhaften Anlageberatung an den Kläger abgetreten. Die Beklagte ist der Klage entgegengetreten und hat zugleich gegen die Ehefrau des Klägers Drittwiderklage erhoben, gerichtet auf Feststellung, dass (auch) ihr aus der streitgegenständlichen Kapitalanlage keine Ansprüche gegen die Beklagte zustehen. Der Kläger und die Drittwiderbeklagte wurden durch die gleichen Prozessbevollmächtigten vertreten.

Der Rechtsstreit endete durch einen am 13.01.2014 vor dem 5. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Stuttgart geschlossenen Vergleich, im Rahmen dessen die Parteien folgende Kostenverteilung vereinbart haben:

Von den Gerichtskosten und den außergerichtlichen Kosten des Rechtsstreits in beiden Rechtszügen bezüglich des Klägers und der Beklagten tragen der Kläger 81 %, die Beklagte 19 %.

Von den außergerichtlichen Kosten der Drittwiderbeklagten tragen die Beklagte 19 %, die Drittwiderbeklagte 81 %.

Durch Kostenfestsetzungsbeschluss vom 11.08.2014 hat die Rechtspflegerin des LG die auf Grund des Prozessvergleichs vom 13.01.2014 von der Beklagten an die Drittwiderbeklagte zu erstattenden Kosten auf EUR 2.321,53 nebst Zinsen festgesetzt. Die Rechtspflegerin hat zur Begründung unter Hinweis auf eine Entscheidung des Senats vom 08.11.2012 (OLG Stuttgart/Senat AGS 2013, 324) ausgeführt, bei der im Wege der isolierten Drittwiderklage gegen den Zedenten erhobenen negativen Feststellungsklage entständen die Anwaltsgebühren auf Seiten des Klägers und der Drittwiderbeklagten jeweils in voller Höhe und seien auch erstattungsfähig.

Gegen den ihr am 04.09.2014 zugestellten Kostenfestsetzungsbeschluss wendet sich die Beklagte mit ihrer am 15.09.2014 beim LG eingegangenen sofortigen Beschwerde hinsichtlich der Höhe des festgesetzten Erstattungsbetrages. Nach Auffassung der Beklagten liegt dann, wenn wie hier ein Rechtsanwalt im selben Prozess Kläger und Drittwiderbeklagten vertritt, nur eine Angelegenheit im Sinne des § 15 RVG vor.

Die Rechtspflegerin des LG hat der sofortigen Beschwerde nicht abgeholfen und die Akten dem Oberlandesgericht Stuttgart zur Entscheidung vorgelegt.

Der Einzelrichter des Beschwerdegerichts hat das Verfahren gemäß § 568 Satz 2 Nr. 2 ZPO wegen grundsätzlicher Bedeutung auf den Senat in voller Besetzung übertragen.

II. Die gemäß §§ 11 Abs. 1 RPflG, 104 Abs. 3 ZPO statthafte und auch im Übrigen zulässige sofortige Beschwerde hat in der Sache Erfolg.

1. Vertritt der Anwalt sowohl den Kläger als auch den Drittwiderbeklagten, so liegt für ihn nach ganz herrschender Auffassung nur eine Gebührenangelegenheit gemäß §§ 7, 15, 22 RVG vor, so dass er seine Gebühren und Auslagen nur einmal erhält und gegebenenfalls die Erhöhung der Verfahrensgebühr nach Nr. 1008 VV RVG verlangen kann (OLG Celle AGS 2015, 64; OLG Köln AGS 2015, 284; OLG München AnwBl 1995, 47; LG Düsseldorf AGS 2010, 321; Schneider/Wolf/Mayer, AnwaltKommentar RVG, 7. Auflage 2014, § 15 RVG, Rdnr. 115). Soweit Klage und Widerklage verschiedene Gegenstände betreffen, sind die Werte von Klage und Widerklage zu addieren, eine Gebührenerhöhung nach Nr. 1008 VV RVG erfolgt in diesem Fall nicht (OLG Köln AGS 2015, 284).

Allgemeiner formuliert, liegt nur eine einzige Angelegenheit vor, wenn der Rechtsanwalt mehrere Auftraggeber im selben Gerichtsverfahren vertritt (OLG Köln AGS 2015, 284; vgl. Norbert Schneider, AGS 2016, 62: "Ein gerichtliches Verfahren ist auch immer eine Angelegenheit").

Der Bundesgerichtshof hat zuletzt in einem Fall mit einer Konstellation, wie sie vorliegend gegeben ist, die herrschende ...

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