Entscheidungsstichwort (Thema)

Vertretung der Klägerin und des Drittwiderbeklagten durch denselben Rechtsanwalt

 

Leitsatz (amtlich)

Bei der anwaltlichen Vertretung der Klägerin und des Drittwiderbeklagten kann es sich um dieselbe Angelegenheit handeln, so dass der Rechtsanwalt die Gebühren nur einmal und daneben die Erhöhung der Verfahrensgebühr nach Nr. 1008 RVG-VV verlangen kann (Abgrenzung zu OLG Stuttgart NJW-RR 2013, 63).

 

Normenkette

RVG §§ 7, 15

 

Verfahrensgang

LG Hannover (Beschluss vom 30.10.2014; Aktenzeichen 4 O 140/12)

 

Tenor

Auf die am 18.11.2014 vorab per Telefax eingegangene sofortige Beschwerde der Beklagten vom gleichen Tag wird der am 4.11.2014 zugestellte Kostenfestsetzungsbeschluss der Rechtspflegerin der 4. Zivilkammer des LG Hannover vom 30.10.2014 unter Zurückweisung des weiter gehenden Rechtsmittels teilweise geändert und wie folgt neu gefasst:

Die auf Grund des mit Beschluss des LG vom 15.5.2014 festgestellten rechtswirksamen Vergleichs von der Beklagten an den Drittwiderbeklagten zu erstattenden Kosten werden festgesetzt auf 603,56 EUR nebst Zinsen i.H.v. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz nach § 247 BGB seit dem 7.7.2014.

Die außergerichtlichen Kosten des Beschwerdeverfahrens werden zu 58 % dem Drittwiderbeklagten und zu 42 % der Beklagten auferlegt.

Die Gerichtsgebühr für das Beschwerdeverfahren wird auf die Hälfte ermäßigt.

Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

Beschwerdewert: 1.543,16 EUR.

 

Gründe

Die gem. §§ 11 Abs. 1 RPflG i.V.m. §§ 104 Abs. 3 Satz 1, 567 Abs. 1 Nr. 1, 569 ZPO zulässige, insbesondere form- und fristgerecht eingelegte sofortige Beschwerde der Beklagten hat in der Sache zum Teil Erfolg.

Entgegen der von der Rechtspflegerin geteilten Auffassung des Drittwiderbeklagten entstehen der Klägerin und dem Drittwiderbeklagten auf der Grundlage der Kostenregelung in Ziff. 3 des mit Beschluss vom 15.5.2014 festgestellten Prozessvergleichs nicht jeweils die vollen Rechtsanwaltsgebühren nebst Auslagen und Mehrwertsteuer mit der Maßgabe zu, dass auf Seiten der Klägerin 75 % und auf Seiten des Drittwiderbeklagten 100 % der vollen Anwaltsgebühren als erstattungsfähig anzusehen wären.

Der Drittwiderbeklagte kann nicht die Erstattung der angemeldeten Kosten i.H.v. 1.739,78 EUR (1,3 Verfahrensgebühr, 1, 2 Terminsgebühr und 1,0 Einigungsgebühr gem. Nr. 3100, 3194, 1003, 1000 RVG-VV in der vor dem 1.8.2013 geltenden Fassung aus dem Wert von 7.380 EUR zzgl. Auslagenpauschale und Mehrwertsteuer) beanspruchen, sondern lediglich 603,56 EUR, weil es sich bei der anwaltlichen Vertretung des Drittwiderbeklagten und der Klägerin um dieselbe Angelegenheit i.S.d. § 15 Abs. 1 RVG handelt.

Soweit der Rechtsanwalt, wie im vorliegenden Fall, in derselben Angelegenheit für mehrere Auftraggeber tätig wird, erhält er die Gebühren nach § 7 Abs. 1 RVG nur einmal und kann ggf. die Erhöhung der Verfahrensgebühr um 0,3 nach Nr. 1008 RVG-VV fordern.

Ob von einer oder mehreren Angelegenheiten auszugehen ist, lässt sich nicht allgemein, sondern nur im Einzelfall unter Berücksichtigung der jeweiligen Umstände beantworten, wobei insbesondere der Inhalt des erteilten Auftrags maßgeblich ist. Dieselbe Angelegenheit liegt in der Regel vor, wenn zwischen ihnen ein inhaltlicher Zusammenhang besteht und sie sowohl inhaltlich als auch in der Zielsetzung so weitgehend übereinstimmen, dass von einem einheitlichen Rahmen der anwaltlichen Tätigkeit gesprochen werden kann. Die Annahme einer Angelegenheit im gebührenrechtlichen Sinn setzt nicht voraus, dass der Anwalt nur eine Prüfungsaufgabe zu erfüllen hat. Von einem einheitlichen Rahmen der anwaltlichen Tätigkeit kann vielmehr grundsätzlich sogar dann noch gesprochen werden, wenn der Anwalt zur Wahrnehmung des Rechts des Geschädigten verschiedene, in ihren Voraussetzungen voneinander abweichende Anspruchsgrundlagen zu prüfen bzw. mehrere getrennte Prüfungsaufgaben zu erfüllen hat. Denn unter einer Angelegenheit im gebührenrechtlichen Sinne ist das gesamte Geschäft zu verstehen, dass der Rechtsanwalt für den Auftraggeber besorgen soll. Ihr Inhalt bestimmt den Rahmen, innerhalb dessen der Rechtsanwalt tätig wird. Die Angelegenheit ist von dem Gegenstand der anwaltlichen Tätigkeit abzugrenzen, der das konkrete Recht oder Rechtsverhältnis bezeichnet, auf das sich die anwaltliche Tätigkeit bezieht. Eine Angelegenheit kann mehrere Gegenstände umfassen. Für die Annahme eines einheitlichen Rahmens der anwaltlichen Tätigkeit ist es grundsätzlich ausreichend, wenn die verschiedenen Gegenstände in dem Sinne einheitlich vom Anwalt bearbeitet werden können, dass sie verfahrensrechtlich zusammengefasst bzw. in einem einheitlichen Vorgehen geltend gemacht werden können. Ein innerer Zusammenhang ist zu bejahen, wenn die verschiedenen Gegenstände bei objektiver Betrachtung und unter Berücksichtigung des mit der anwaltlichen Tätigkeit nach dem Inhalt des Auftrags erstrebten Erfolgs zusammen gehören (vgl. BGH MDR 2011, 949-950 Rz. 10 m.w.N.). Der Annahme einer Angelegenheit steht insbesond...

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