Entscheidungsstichwort (Thema)

Vergütung von Reisekosten im PKH-Verfahren

 

Leitsatz (amtlich)

Reisekosten eines auswärtigen Anwalts, der einer auswärtigen Partei „zu den Bedingungen eines örtlichen Anwalts” beigeordnet worden ist, sind dann vergütungsfähig, wenn der Anwalt auch einen Termin am Gericht am Wohnort der Partei wahrgenommen hat; dann sind keine vermeidbaren Mehrkosten entstanden.

 

Normenkette

BRAGO § 121 Abs. 3, § 126 Abs. 1

 

Verfahrensgang

AG Nürtingen (Aktenzeichen 14 F 157/01)

 

Gründe

I. Im zugrunde liegenden Ehescheidungsverfahren ist dem in B. wohnhaften Antragsteller durch Beschluss des im hiesigen Bezirk gelegenen AG Prozesskostenhilfe (PKH) bewilligt und sein B.er Rechtsanwalt „zu den Bedingungen eines am Sitz des Prozessgerichts ansässigen Rechtsanwalts” beigeordnet worden. Nachdem der Antragsteller im Wege der Rechtshilfe bei Beisein des beigeordneten Anwalts in B. persönlich angehört worden war, hat dieser den Verhandlungstermin vor dem hiesigen AG für den Antragsteller wahrgenommen.

Im Vergütungsfestsetzungsverfahren gem. §§ 121 ff. BRAGO hat der Bevollmächtigte des Antragstellers auch Reisekosten für die Wahrnehmung des Verhandlungstermins i.H.v. 194,09 Euro nebst Abwesenheitspauschale von 56,24 Euro zzgl. Mehrwertsteuer, insgesamt 290,10 Euro, geltend gemacht.

Die Festsetzung dieser Reisekosten hat der Kostenbeamte des AG in seiner – i.Ü. stattgebenden – Festsetzungsentscheidung vom 2.9.2002 abgelehnt unter Hinweis darauf, dass Fahrtkosten von der Bewilligung der Prozesskostenhilfe nicht erfasst seien, weil sie bei Beiordnung eines N.er Rechtsanwalts nicht angefallen wären.

Auf die Erinnerung des Bevollmächtigten des Antragstellers hat die RiAG dem Festsetzungsantrag auch bezüglich der Reisekosten stattgegeben und zur Begründung ausgeführt, die angefallenen Reisekosten müssten als notwendig anerkannt werden, denn bei Beiordnung eines Nürtinger Rechtsanwalts wäre dem Antragsteller zusätzlich auch ein B.er Rechtsanwalt als Verkehrsanwalt beizuordnen gewesen, was höhere Kosten verursacht hätte als tatsächlich entstanden.

Gegen diesen Beschluss richtet sich die Beschwerde des Bezirksrevisors, der weiterhin der Auffassung ist, dass angesichts der eingeschränkten Beiordnung des B.er Bevollmächtigten Anwaltsreisekosten aus der Staatskasse nicht vergütet werden können.

II. Die Beschwerde des Bezirksrevisors ist zulässig (§ 128 Abs. 4 BRAGO), hat aber in der Sache i.E. keinen Erfolg.

1. Die Erstattung von Anwaltsreisekosten bei Beiordnung eines Rechtsanwalts im Wege der Prozesskostenhilfe ist einerseits durch § 121 Abs. 3 ZPO und andererseits durch § 126 Abs. 1 BRAGO geregelt. Obwohl die Zielsetzung beider Bestimmungen dieselbe ist, stimmen sie keineswegs überein; die Tragweite und auch das Verhältnis dieser beiden Bestimmungen zueinander werden in der obergerichtlichen Rspr. unterschiedlich beurteilt. Durch den Wegfall der Postulationsbeschränkungen bei den LG (und nunmehr auch bei den OLG) hat sich an der einschlägigen gesetzlichen Regelung nur die Platzierung geändert: Durch Verlagerung der früher in § 121 Abs. 2 S. 2 ZPO enthaltenen Bestimmung in einen eigenen Abs. 3 ist klargestellt worden, dass sie nicht nur für den Parteiprozess (Abs. 2), sondern auch für den Anwaltsprozess (Abs. 1) gilt; zugleich hat aber diese früher vor allem auf die FamG beschränkte Problematik an praktischer Bedeutung deutlich zugenommen.

a) Einerseits wird vertreten, die aus § 121 Abs. 3 ZPO entnommene Beschränkung „zu den Bedingungen eines örtlichen Anwalts” gelte kraft Gesetzes, auch wenn sie nicht ausdrücklich angeordnet ist, mit der Folge, dass Anwaltsreisekosten grundsätzlich nicht vergütungsfähig sind (z.B. OLG Brandenburg FamRZ 2000, 1385 = RPfleger 2000, 279 = JurBüro 2000, 481; OLG Celle v. 14.4.2000 – 18 WF 90/00 u. 91/00, MDR 2000, 1038 = OLGReport Celle 2000, 198 = MDR 2000, 1038 = JurBüro 2000, 480 = FamRZ 2000, 1387; OLG Naumburg v. 14.4.1999 – 8 WF 99/99, FamRZ 1999, 1683; v. 30.8.2001 – 13 W 220/01, OLGReport Naumburg 2002, 310; OLG Nürnberg v. 17.4.2001 – 10 WF 614/01, MDR 2001, 831 = OLGReport Nürnberg 2001, 222 = JurBüro 2001, 431 = FamRZ 2002, 106). Dem steht die Ansicht nahe, dass ein Antrag eines auswärtigen Anwalts regelmäßig den (konkludenten) Verzicht auf die Anwaltsreisekosten zum Ausdruck bringe (OLG Stuttgart v. 15.12.1998 – 15 WF 564/98, OLGReport Stuttgart 1999, 122; OLG München v. 25.9.2000 – 11 WF 1174/00, OLGReport München 2001, 72 = MDR 2000, 1455; OLG Frankfurt, OLGReport Frankfurt 2002, 326). Andere verwerfen die Annahme eines derartigen Verzichts (z.B. OLG Bremen v. 2.2.2000 – 4 WF 8/00, NJW-RR 2001, 1229; OLG Koblenz v. 25.7.2001 – 14 W 525/01, MDR 2002, 175 = JurBüro 2002, 84) und halten die Anwaltsreisekosten regelmäßig für vergütungsfähig, wenn eine ausdrückliche Beschränkung der Bewilligung auf die Bedingungen eines örtlichen Anwalts fehlt (z.B. OLG München v. 12.12.2001 – 11 W 2877/01, OLGReport München 2002, 114 = MDR 2002, 543 = RPfleger 2002, 159 = FamRZ 2002, 1505; OLG Oldenburg v...

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