Leitsatz (amtlich)

1. Das Inverkehrbringen eines mit einer Abschalteinrichtung ausgestatteten Fahrzeugs stellt eine sittenwidrige Schädigung im Sinne von § 826 BGB dar. Der Hersteller haftet auch dann, wenn der Erwerb des Fahrzeugs von einem Dritten erfolgt.

2. Diese sittenwidrige Schädigung ist dem Hersteller auch zuzurechnen. Wenn dem Käufer Kenntnisse über die Entscheidungs- und Produktionsabläufe beim Hersteller fehlen, trifft diesen eine sekundäre Darlegungslast. Allein das Bestreiten einer Kenntnis von der Manipulation bei den entscheidenden Organen reicht nicht aus.

3. Der Käufer muss sich bei der Rückabwicklung des Vertrages die Nutzungsvorteile anrechnen lassen.

4. Der zurückzuzahlende Kaufpreis ist nicht schon ab Zahlung nach § 849 zu verzinsen.

 

Verfahrensgang

LG Oldenburg (Aktenzeichen 17 O 28 06/18)

 

Tenor

Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil der Einzelrichterin der 17. Zivilkammer des Landgerichts Oldenburg vom 04. April 2019 unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels geändert und wie folgt neu gefasst:

Die Beklagte wird verurteilt,

an den Kläger 14.430,42 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 03.08.2018 zu zahlen;

den Kläger von den Verpflichtungen aus dem mit der Santander Consumer Bank geschlossenen Darlehensvertrag mit der Darlehensnummer ... vom ... ab April 2019 freizustellen, Zug-um-Zug gegen Rückgabe des Fahrzeugs VW Tiguan 2,0 TDI Sport & Style mit der FIN ... mit dem amtlichen Kennzeichen ..., der Übertragung des Anwartschaftsrechts, Rückgabe der Zulassungsbescheinigung Teil I sowie der zugehörigen Fahrzeugschlüssel.

Es wird festgestellt, dass sich die Beklagte mit der Rücknahme des Fahrzeugs im Antrag zu Ziff. 2 im Annahmeverzug befindet.

Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger vorgerichtliche Rechtsverfolgungskosten in Höhe von 1.171,67 EUR zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 03.08.2018 zu zahlen.

Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger alle weiteren Schäden zu ersetzen, welche ursächlich mit dem Kaufvertrag über das im Antrag zu Ziff. 1 genannte Fahrzeug zusammenhängen.

Es wird festgestellt, dass sich der auf Freistellung von den Darlehensverbindlichkeiten vom 03.03.2015 gegenüber der VW Bank GmbH gerichtete ursprüngliche Klageantrag zu Ziff. 1 b) erledigt hat.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits haben der Kläger zu 2/5 und die Beklagte zu 3/5 zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Beiden Parteien bleibt nachgelassen, die Vollstreckung der Gegenseite durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht der Vollstreckungsgläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Die Revision wird zugelassen.

 

Gründe

I. Der Kläger verlangt von der Beklagten Schadensersatz wegen sittenwidriger Schädigung nach § 826 BGB.

Der Kläger erwarb am 05.03.2015 von der Fa. ... in Quakenbrück den streitgegenständlichen VW Tiguan 2.0 TDI Sport & Style zum Kaufpreis von 24.400,- EUR.

Der Kaufpreis wurde teilweise durch die VW Bank GmbH, später durch die Santander Consumer Bank finanziert. Das Fahrzeug hatte bei Vertragsschluss eine Laufleistung von 24.634 km.

Die Beklagte ist Herstellerin des Fahrzeugs. Dieses ist mit einem Dieselmotor des Typs EA 189 ausgestattet. Der Kläger ließ am 09.11.2016 ein sog. Software-Update durchführen.

Mit der Klage verlangt er Rückzahlung der geleisteten Anzahlung, der geleisteten Darlehensraten sowie Freistellung von der weiteren Darlehensverbindlichkeit Zug um Zug gegen Rückgabe des Fahrzeugs. Darüber hinaus macht er weitere Nebenforderungen (u.a. Zinsen aus § 849 BGB) geltend.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Wegen der weiteren tatsächlichen Feststellungen wird auf das angefochtene Urteil Bezug genommen (§ 540 Abs. 1 S. 1 ZPO).

Dagegen richtet sich die Berufung des Klägers, mit der er seine erstinstanzlichen Anträge weiterverfolgt.

In der mündlichen Verhandlung hat der Kläger den aktuellen Kilometerstand mit 129.133 km mitgeteilt. Diesen hat die Beklagte unstreitig gestellt. Auf das Sitzungsprotokoll vom 09. Juli 2019 (Bd. II, Bl. 129 d.A.) wird Bezug genommen.

II. Die Berufung des Klägers ist zulässig. In der Sache hat sie dem Grunde nach Erfolg. Sie ist jedoch im Hinblick auf die anzurechnenden Nutzungsvorteile, im Hinblick auf die Zinsen aus § 849 BGB sowie hinsichtlich kleinerer Nebenforderungen unbegründet.

(1) Die Beklagte ist gemäß § 826 BGB zum Schadensersatz verpflichtet, weil sie den Kläger vorsätzlich sittenwidrig geschädigt hat, indem sie den im Fahrzeug des Klägers verbauten Motor des Typs EA 189 mit der verbotenen Abschaltautomatik konzipiert, gebaut und in den Verkehr gebracht hat. Der Senat nimmt insoweit Bezug auf Entscheidungen anderer Oberlandesgerichte (OLG Koblenz Urteil vom 12.06.2019 - 5 U 1318/18 - juris; OLG Hamm Urteil vom 10.09.2019 - 13 U 149/18 - juris; OLG Köln Besch...

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