Leitsatz (amtlich)

1. Zum Anwendungsbereich des Tatbestandes der (fahrlässigen) Gewässerverunreinigung bei Verkehrsunfällen.

2. Hat die Staatsanwaltschaft das besondere öffentliche Interesse an der Strafverfolgung ausdrücklich oder konkludent verneint, kommt eine Bejahung dieses Interesses zur Begründung der Revision gegen einen Freispruch oder eine Einstellung nicht mehr in Betracht.

 

Normenkette

StGB § 324 Abs. 1, 3

 

Verfahrensgang

LG Oldenburg (Entscheidung vom 06.02.2014; Aktenzeichen 14 Ns 580/13)

 

Tenor

Die Revision der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil der 14. kleinen Strafkammer des Landgerichts Oldenburg vom 6. Februar 2014 wird als unbegründet verworfen.

Die durch die Revision der Staatsanwaltschaft veranlassten Kosten und notwendigen Auslagen des Angeklagten trägt die Staatskasse.

 

Gründe

I.

1. Die Staatsanwaltschaft Oldenburg hat dem Angeklagten mit dem unter dem 6. Mai 2013 beantragten Strafbefehl zur Last gelegt, am 28. Dezember 2012 in Stadland fahrlässig ein Gewässer verunreinigt zu haben. Er soll ein auf der Kreisstraße 200 vor ihm fahrenden und deutlich langsamer werdenden Transporter ................... trotz Sichtbehinderung überholt haben. Nach Passieren des Transporters sei er mit dem vor dem Transporter befindlichen und nach links abbiegenden PKW ..................... zusammengestoßen. Der Angeklagte sei mit seinem PKW von der Fahrbahn abgekommen und im Graben liegen geblieben, der durch infolge des Unfalls austretende Betriebsstoffe verunreinigt worden sei.

Das Amtsgericht Nordenham hat den Angeklagten nach Erlass des Strafbefehls und hiergegen eingelegten Einspruch am 24. September 2013 wegen fahrlässiger Gewässerverunreinigung zu einer Geldstrafe von 25 Tagessätzen zu je 20 € verurteilt.

2. Auf seine gegen dieses Urteil eingelegte Berufung hat das Landgericht Oldenburg - 14. kleine Strafkammer - am 6. Februar 2014 das Urteil des Amtsgerichts Nordenham aufgehoben und den Angeklagten aus tatsächlichen und aus rechtlichen Gründen freigesprochen.

Eine Verurteilung wegen fahrlässiger Gewässerverunreinigung gemäß § 324 Abs. 1 und Abs. 3 StGB scheide aus tatsächlichen Gründen aus, weil sich keine Sorgfaltspflichtverletzung des Angeklagten feststellen lasse. Der Verkehrsunfall sei von der Unfallgegnerin schuldhaft verursacht worden, weil diese durch das abrupt eingeleitete Manöver zum Abbiegen in ein Grundstück ohne vorherige linksseitige Einordnung und ausreichende Überprüfung des rückwärtigen Verkehrs gegen § 9 Abs. 1 S. 2 und Abs. 5 StVO verstoßen habe. Ein Sorgfaltspflichtverstoß des Angeklagten lasse sich demgegenüber unter keinem Gesichtspunkt, insbesondere nicht als Überholen bei unklarer Verkehrslage im Sinne von § 5 Abs. 3 Nr. 1 StVO feststellen.

Ferner sei eine Verurteilung wegen fahrlässiger Gewässerverunreinigung aus rechtlichen Gründen nicht möglich gewesen. Zwar komme eine entsprechende Strafbarkeit durchaus bei der Verursachung von Straßenverkehrsunfällen in Betracht. Es sei jedoch danach zu differenzieren, ob die Straßenverkehrsvorschrift zumindest auch den Schutz des Wassers bezwecke oder nicht. Dies treffe anders als beim Umgang mit gefährlichen Gütern nicht auf allgemeine Vorschriften zur Geschwindigkeit oder zum Überholen zu.

3. Hiergegen richtet sich die form- und fristgerecht eingelegte und von der Generalstaatsanwaltschaft vertretene Revision der Staatsanwaltschaft, die die Verletzung materiellen und formellen Rechts rügt und beantragt, das angefochtene Urteil aufzuheben.

Im Rahmen der Sachrüge bejaht die Staatsanwaltschaft "nunmehr" das öffentliche Interesse an der Verfolgung einer zum Nachteil der beiden Insassen des anderen Unfallfahrzeuges begangenen fahrlässigen Körperverletzung (§ 230 StGB). Weiter führt die Revision aus, dass die Feststellungen des Landgerichts zum tatsächlichen Geschehen unklar und widersprüchlich seien. Die Kammer habe ferner den Begriff der unklaren Verkehrslage (§ 5 Abs. 3 Nr. 1 StVO) zugunsten des Angeklagten zu eng ausgelegt; der Angeklagte habe nicht ausschließen können, dass vor dem Transporter sich ein weiteres Fahrzeug befände. Soweit das Landgericht die Anwendbarkeit des § 324 StGB verneine, setze es sich in Widerspruch zur überwiegenden Meinung in Literatur und Rechtsprechung.

Mit der Aufklärungsrüge bemängelt sie, dass die Kammer die beiden Insassen des anderen am Unfall beteiligten PKW nicht zum Unfallhergang vernommen habe.

II.

Das Rechtsmittel hat keinen Erfolg. Der Freispruch hält rechtlicher Nachprüfung stand.

1. Der Senat teilt zwar die Ansicht der Revision, dass schon das vom Landgericht festgestellte Fahrverhalten des Angeklagten ein Überholen bei unklarer Verkehrslage im Sinne von § 5 Abs. 3 Nr. 1 StVO darstellen dürfte. Denn wenn dem Angeklagten wegen der Ausmaße des vor ihm fahrenden Transporters die Sicht nach Vorne genommen ist, ist die Verkehrslage schlicht unübersichtlich und somit unklar (vgl. zur unklaren Verkehrslage: Heß, in: Burmann/Heß/Jahnke/Janker, Straßenverkehrsrecht, 23. Aufl. 2014, § 5 StVO Rn. 26).

2. Im Übrigen begegnet...

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