Leitsatz (amtlich)

Leistungen nach dem Gesetz zur sozialen Grundsicherung sind beim Elternunterhalt bedarfsdeckend in Anspruch zu nehmen. Eine Bedürftigkeit besteht nur bei einem dann noch ungedeckten Bedarf.

Der angemessene Bedarf des mit dem in Anspruch genommen Kind zusammenlebenden Ehegatten bemisst sich i.d.R. nach der Hälfte des gemeinsamen Einkommens beider Eheleute.

 

Verfahrensgang

AG Delmenhorst (Urteil vom 05.08.2003; Aktenzeichen 22 F 140/03)

 

Tenor

Auf die Berufung des Beklagten wird das am 5.8.2003 verkündete Urteil des AG – FamG – Delmenhorst geändert:

Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

 

Gründe

I. Der Kläger nimmt den Beklagten aus übergegangenem Recht auf Erstattung von Sozialleistungen, die er für die Mutter des Beklagten erbracht hat, in Anspruch.

Der Kläger erbrachte in der Zeit vom 10.7.2002 bis 30.4.2003 für die in einem Pflegeheim untergebrachte Mutter des Beklagten Sozialhilfeaufwendungen mit einem Gesamtbetrag von 1.169,74 Euro. Er erbringt weitere laufende Leistungen, deren endgültige Höhe noch nicht feststeht.

Von der Aufnahme der Zahlungen unterrichtete er den Beklagten mit Rechtswahrungsanzeige vom 8.7.2002.

Der Beklagte ist Rentner mit einem Grad der Behinderung von 70 %. Er bezieht eine monatliche Altersversorgung von insgesamt rund 1.898 Euro. Seine Ehefrau ist als Krankenschwester berufstätig und erhält ein Nettoeinkommen von rund 525 Euro. Ferner erhielten sie eine Steuererstattung von rund 178 Euro. Beide wohnen mietfrei in einem Einfamilienhaus, für das sie einen monatlichen Abtrag von 450 Euro aufbringen. Außerdem fallen verschiedene Beiträge für Versicherungen an.

Mit dem Vorbringen, das Einkommen sei unter Berücksichtigung der Hausbelastungen um einen Vorteil an ersparter Miete von rund 119 Euro zu erhöhen, hat der Kläger die Zahlung von 1.169,74 Euro nebst Zinsen von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit sowie Feststellung begehrt, dass der Beklagte verpflichtet sei, ab Mai 2003 auf den laufenden Unterhalt Abschläge i.H.v. monatlich 120,47 Euro bis zum 3. Werktag eines Monats zu zahlen.

Durch Urteil vom 5.8.2003 hat das AG – FamG – Delmenhorst der Klage antragsgemäß stattgegeben.

Gegen dieses Urteil wendet sich der Beklagte mit seiner fristgerecht eingelegten und rechtzeitig begründeten Berufung.

Er macht geltend, das AG sei von einem zu hohen Mietwert ausgegangen und habe den Bedarf seiner Ehefrau zu niedrig bemessen. Zudem entstünden ihm und seiner Ehefrau krankheitsbedingte Mehraufwendungen von monatlich zumindest 250 Euro.

Der Beklagte beantragt, das Urteil des AG – FamG – Delmenhorst vom 5.8.2003 zu ändern und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Er verteidigt das angefochtene Urteil.

Wegen der weiteren tatsächlichen Feststellungen wird auf den Tatbestand und die Entscheidungsgründe der angefochtenen Entscheidung verwiesen.

II. Die zulässige Berufung hat in der Sache Erfolg.

Der Beklagte ist nicht verpflichtet, an den Kläger aus übergegangenem Recht Unterhaltszahlungen zu leisten.

Die Klage ist unzulässig, soweit der Kläger Feststellung begehrt, dass der Beklagte ab Mai 2003 zu laufenden Abschlagszahlungen verpflichtet sei. Eine Feststellungsklage setzt ein rechtliches Interesse an der Feststellung des Bestehens eines Rechtsverhältnisses voraus (§ 256 Abs. 1 ZPO). Daran fehlt es nach st. Rspr. dann, wenn zugleich Klage auf Leistung erhoben werden kann (Zöller/Greger, ZPO, § 256 Rz. 7a). Dies trifft auch für den vorliegenden Fall zu, da der Kläger nicht Feststellung einer fortbestehenden Unterhaltsverpflichtung begehrt, sondern aufgrund der noch ungeklärten Bedürfnislage die Entrichtung laufender Abschlagszahlungen verlangt. Für die Durchsetzung erst in Zukunft übergehender Unterhaltsansprüche steht dem Kläger jedoch die Leistungsklage zur Verfügung (§ 91 Abs. 3 S. 2 BSHG).

Die Klage ist zudem sachlich nicht begründet. Der Kläger hat einen Anspruch auf künftige Leistung nicht hinreichend dargelegt. Dieses Recht gründet sich auf die Erwartung, dass die in der Vergangenheit erbrachten Zahlungen aufgrund unveränderter Verhältnisse auch für die Zukunft aufzubringen sind. Daher obliegt zunächst dem Sozialhilfeträger die Darlegung, dass für längere Zeit Leistungen fortzuentrichten sind (vgl. Oestreicher/Schelter/Kunz, § 91 BSHG Rz. 179). In welchem Umfang dies hier erforderlich ist, erschließt sich aus dem nicht weiter substantiierten Vortrag, es liege zur Zeit noch keine verbindliche Pflegesatzvereinbarung vor, nicht. Zum Bestehen eines Unterhaltsanspruchs fehlt es an einem hinreichenden Sachvortrag. Der gesetzliche Anspruchsübergang nach § 91 BSHG lässt die Rechtsnatur des Anspruchs unberührt. Grundlage der geltend gemachten Forderung ist unverändert der Anspruch der Mutter gegen ihren Sohn aus § 1601 BGB. Voraussetzung für diesen Anspruch ist die mangelnde Fähigkeit, den Bedarf aus eigenem Einkommen und Vermögen selbst zu decken (§ 1602 Abs. 1 BGB...

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