Entscheidungsstichwort (Thema)

Erbfolge. Vertrag. Vergleich. Auslegung

 

Leitsatz (amtlich)

1. Wenn die Personen, die als Erben in Betracht kommen, im Hinblick auf eine unklare oder unklar erscheinende Erbrechtslage in einem notariellen Vertrag vereinbaren, dass einer von ihnen Hoferbe sein soll, so ist zwar eine darin liegende, von der tatsächlichen Hoferbrechtsfolge abweichende Hoferbenbestimmung nicht wirksam. Aus einer solchen Vereinbarung, die darauf gerichtet ist, dem begünstigten Beteiligten unabhängig von der tatsächlichen Erbrechtslage den zur Erbschaft gehörenden Nachlass zukommen zu lassen, wird aber eine schuldrechtliche Verpflichtung herzuleiten sein, ggf. durch Rechtsgeschäft unter Lebenden die bei entsprechender Erbenstellung bestehende Vermögenslage herbeizuführen, dem begünstigten Beteiligten also den Nachlass bzw. bei einem Hof das Hofvermögen zu übertragen und damit das von den Beteiligten bei Vertragsschluss übereinstimmend gewollte Ergebnis herbeizuführen.

2. Eine solche Vereinbarung mit Vergleichscharakter kann regelmäßig nicht mit Erfolg wegen Irrtums angefochten werden und ist grundsätzlich auch einer Aufhebung oder Rückabwicklung nach den Grundsätzen über den Wegfall der Geschäftsgrundlage nicht zugänglich, wenn sich später eine gerichtliche Klärung der bei Vertragsschluss unklaren Erbrechtslage ergibt.

 

Normenkette

BGB § 2385 Abs. 1

 

Verfahrensgang

LG Osnabrück (Aktenzeichen 10 O 1284/08 (99))

 

Gründe

I. Die Parteien streiten über die erbrechtlichen Folgen hinsichtlich eines Hofes im Sinne der HöfeO nach dem Tod der am 15.8.2004 in R. verstorbenen Frau M.R. geb ... Die Beklagte ist eine Tochter der Erblasserin. Der Kläger ist ein Enkel der Erblasserin und macht Ansprüche als Mitglied der Erbengemeinschaft nach dem Tod seines am 14.12.2008 verstorbenen Vaters A.R., eines Sohnes der Erblasserin, geltend. Neben dem Vater des Klägers waren im Zeitpunkt des Todes der Erblasserin drei weitere Kinder der Erblasserin vorhanden, und zwar Herr L.R., Frau I.B. geb. ... und Frau A.K. geb. ...

Die Erblasserin war Eigentümerin eines Hofes zur Größe von circa 30 ha (eingetragen im Grundbuch von R. Blatt ...). Seit 1974 hatte sie den Hof mit den dazu gehörenden Flächen, sukzessiv nach Freiwerden der Flächen, an den verstorbenen Vater des Klägers verpachtet. Der Vater des Klägers gab 1995 die Eigenbewirtschaftung des Hofes auf; er verpachtete sodann die landwirtschaftlichen Flächen des Hofes mit Zustimmung der Erblasserin an andere Landwirte. Die Erblasserin hatte mit notariellem Testament vom 28.9.1973 den Vater des Klägers zum Erben und Hofeserben eingesetzt. Diese letztwillige Verfügung änderte sie nach dessen Scheidung von seiner Ehefrau mit notariellem Testament vom 15.12.1988 dahingehend, dass sie die Beklagte zur Erbin und Hofeserbin einsetzte. Für den Vater des Klägers und die übrigen Töchter waren gewisse Vermächtnisse vorgesehen. Aufgrund des letztgenannten Testaments wurde der Beklagten ein Hoffolgezeugnis erteilt, die Beklagte wurde sodann auch als Eigentümerin des Hofes im Grundbuch eingetragen.

Die Hoferbrechtsfolge wurde jedoch in der Familie nicht als erledigt angesehen. Es fanden hierzu verschiedene Gespräche zwischen den Familienmitgliedern statt, deren Inhalt teilweise streitig ist. Zur Umsetzung einer erzielten Einigung schlossen die Kinder der Erblasserin unter dem 28.12.2005 vor dem Notar K. in ... einen notariellen "Erbregelungs- und Auseinandersetzungsvertrag". Darin war vorgesehen, dass die Beklagte auf sämtliche Ansprüche aus dem erteilten Hoffolgezeugnis verzichtete und sich damit einverstanden erklärte, dass das Hoffolgezeugnis dem verstorbenen Vater des Klägers erteilt und der Vater damit als Hoferbe und Hofnachfolger ausgewiesen werden sollte; sodann sollte eine entsprechende Grundbuchberichtigung erfolgen. Weiterhin waren Ausgleichsansprüche für die Beklagte und die übrigen Geschwister vorgesehen. (...)

Der daraufhin unternommene Versuch des Vaters des Klägers, auf der Grundlage dieser Vereinbarung im Rahmen eines Feststellungsverfahrens vor dem Landwirtschaftsgericht feststellen zu lassen, dass er Hoferbe nach dem Tod seiner Mutter geworden sei, scheiterte. Das AG - Landwirtschaftsgericht - Bersenbrück wies seinen Feststellungsantrag zurück. Die dagegen gerichtete sofortige Beschwerde wurde vom Landwirtschaftssenat des OLG Oldenburg zurückgewiesen. (...)

Der Vater des Klägers hat die Auffassung vertreten, die Beklagte sei aufgrund der notariellen Vereinbarung vom 28.12.2005 verpflichtet, ihm das Eigentum am Hof seiner Mutter zu übertragen. Der Wille der damaligen Vertragsbeteiligten sei eindeutig dahin gegangen, im Rahmen der Vereinbarung vom 28.12.2005, die einen vergleichsähnlichen Charakter gehabt habe, die Rechtsfolgen herbeizuführen, die sich bei einer Hoferbenstellung des Vaters ergeben hätten. Nachdem dies nicht auf dem in der Vereinbarung vorgesehenen Weg zu realisieren gewesen sei, müsse jedenfalls eine schuldrechtliche Verpflichtung der Beklagten angenommen werden, das...

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