Kostenrisiko bei coronabedingter Absage einer Hochzeitsfeier
Zum wiederholten Mal hat sich der BGH mit der Frage auseinandergesetzt, unter welchen Voraussetzungen eine Vertragspartei aus dem Gesichtspunkt der Störung der Geschäftsgrundlage von einem Raummietvertrag zurücktreten oder diesen kündigen kann, wenn der nach dem Vertrag vorausgesetzte Mietzweck infolge staatlicher Maßnahmen zur Bekämpfung der Corona-Pandemie nicht in der bei Vertragsschluss vereinbarten Form erreicht werden kann.
Schloss für Hochzeitsfeier gemietet
Im konkreten Fall hatte die Klägerin von den Beklagten die Zahlung des vereinbarten Mietzinses für die vor Beginn der Corona-Pandemie erfolgte Anmietung von Räumlichkeiten in einem Schloss zur Durchführung einer für den 8.8.2020 geplanten Hochzeitsfeier gefordert. Das bereits seit dem 8.8.2018 standesamtlich verheiratete Paar hatte die Hochzeitsfeier für den 2. Jahrestag im Rahmen einer kirchlichen Heirat sowie der Taufe ihrer Tochter mit 120 Gästen geplant. Für die Räumlichkeiten war eine Miete von 5.000 EUR netto zuzüglich diverser Kosten vereinbart.
Hochzeitsfeier wegen Corona-Pandemie abgesagt
Für den Zeitraum der geplanten Hochzeitsfeier trat am 10.7.2020 die niedersächsische Coronaverordnung in Kraft, wonach am geplanten Veranstaltungstag unter Berücksichtigung der gemieteten Fläche die Durchführung der Hochzeitsfeier mit nicht mehr als 50 Personen zulässig gewesen wäre. Daraufhin erklärte der Vater des Bräutigams im Namen und mit Vollmacht der Beklagten gegenüber der Vermieterin, dass zum geplanten Termin eine Hochzeitsfeier definitiv nicht stattfinden werde.
Unterschiedliche Instanzenentscheidungen
Die Beklagten verweigerten die Begleichung der daraufhin von der Klägerin ausgestellten Rechnung über den Betrag von 5.000 EUR plus Kosten der Mehrwertsteuer abzüglich einer geleisteten Anzahlung. Nach Abweisung der Klage durch das LG und Abweisung eines wesentlichen Teils der Klage durch das OLG hatte die Revision der Klägerin beim BGH Erfolg. Sie führte zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und zur Zurückverweisung an die Vorinstanz.
Kein Rücktrittsrecht
Der BGH schloss ein Rücktrittsrecht der Beklagten gemäß §§ 326 Abs. 1 ,275 Abs. 1 BGB aus. Der Rücktritt nach diesen Vorschriften setzt voraus, dass die Erbringung der geschuldeten Leistung für den Schuldner oder für jedermann unmöglich ist. Dies war nach Auffassung des BGH nicht der Fall, denn der Klägerin sei es trotz der zum Zeitpunkt der geplanten Hochzeitsfeier geltenden niedersächsischen Coronaverordnung und der darin angeordneten Kontaktbeschränkungen nicht unmöglich gewesen, den Beklagten den Gebrauch der Mietsache entsprechend den vertraglichen Vereinbarungen zu gewähren.
Kein außerordentliches Kündigungsrecht
Mit ähnlicher Begründung verneinte der BGH die Voraussetzungen für ein außerordentliches Kündigungsrecht nach § 543 BGB wegen eines Mangels der Mietsache. Ein solcher Mangel lag nach der Bewertung des BGH nicht vor, da die mit den pandemiebedingten Kontaktbeschränkungen einhergehende Gebrauchsbeschränkung der Mietsache nicht auf der Beschaffenheit oder dem Zustand der Mietsache selbst beruhte, sondern an eine staatliche Begrenzung der Zahl der Besucher und damit nicht an die Mietsache als solche anknüpfte (BGH, Urteil v. 2.3.2022, XII ZR 36/21).
Störung der Geschäftsgrundlage durch Corona-Beschränkungen gegeben
Nach Auffassung des Senats kommt allerdings ein Anspruch der Beklagten auf Anpassung des Mietvertrages wegen Störung der Geschäftsgrundlage gemäß § 313 Abs. 1 BGB in Betracht. Infolge der weitreichenden staatlichen Beschränkungen des gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Lebens im Rahmen der Bekämpfung der Corona-Pandemie habe sich die sogenannte große Geschäftsgrundlage des Vertrages schwerwiegend verändert. Es sei davon auszugehen, dass beide Parteien sich bei Abschluss des Mietvertrages vor Bekanntwerden der Pandemie keinerlei Vorstellungen über die eintretenden erheblichen Beschränkungen infolge der Corona-Pandemie gemacht hätten.
Objektive Störung der Geschäftsgrundlage führt noch nicht zur Vertragsanpassung
Besonderen Wert legte der BGH auf die Feststellung, dass eine objektive Störung der Geschäftsgrundlage als solche noch nicht das Recht zur Vertragsanpassung auslöst. Vielmehr enthalte die Vorschrift ein zusätzliches normatives Element, das eine Kündigung oder Anpassung des Vertrages davon abhängig macht, dass ein Festhalten an der vereinbarten Regelung für eine Partei zu einem nicht mehr tragbaren Ergebnis führt. Dabei spiele die Abwägung der nach dem Vertragstypus wechselseitig zu tragenden Risiken eine erhebliche Rolle.
Einseitige Risikoabwälzung auf Vermieter nicht angemessen
Im konkreten Fall störte es den Senat, dass die Beklagten sich ausschließlich auf die Kündigung des Mietvertrages als Mittel der Vertragsanpassung gestützt hatten. Die Beklagten hätten keine Gründe vorgetragen, weshalb eine weniger einseitige Vertragsanpassung, z.B. durch eine Verschiebung der Hochzeitsfeier auf einen späteren Termin, für sie nicht zumutbar gewesen sei. Allein die Behauptung, eine Verschiebung auf einen späteren Termin, komme nicht in Betracht, führe nicht zur Unzumutbarkeit. Diese Haltung zeige eher, dass die Beklagten mit allen Mitteln eine Aufhebung des Vertrages erreichen und das Risiko für die Durchführung der Feier alleine auf den Vermieter hätten abschieben wollten.
Vorinstanz muss erneut entscheiden
Diese Abwägungsgesichtspunkte hatte das OLG nach Auffassung des Senats bei seiner Entscheidung nicht ausreichend berücksichtigt. Insoweit bedarf es nach dem Urteil des BGH einer weiteren Aufklärung der Frage, ob die Klägerin den Beklagten eine zeitliche Verlegung der Hochzeitsfeier angeboten hat und inwieweit eine Verlegung für die Beklagten zumutbar gewesen wäre. Unter Berücksichtigung dieser Vorgaben muss die Vorinstanz nun erneut entscheiden, ob und gegebenenfalls auf welche Weise eine Vertragsanpassung unter Zumutbarkeitsgesichtspunkten hier in Betracht kommen kann.
(BGH, Urteil v. 11.1.2023, XII ZR 101/21)
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