Leitsatz (amtlich)

Bei gemeinsamer elterlicher Sorge ist die Kindesmutter von der Vertretung des Kindes im Vaterschaftsanfechtungsverfahren ausgeschlossen.

 

Verfahrensgang

AG Lingen (Beschluss vom 24.10.2012; Aktenzeichen 23 F 171/12 PF)

 

Tenor

Auf die Beschwerde des Beteiligten zu 2 wird der Beschluss des AG - Familiengericht - Lingen (Ems) vom 24.10.2012 geändert und für das minderjährige Kind M. L., geb. am ..., eine Ergänzungspflegschaft mit dem Aufgabenkreis "Vertretung des Kindes im Vaterschaftsanfechtungsverfahren" angeordnet. Zum Pfleger wird das Jugendamt des Landkreises Emsland bestellt.

Von der Erhebung von Gerichtskosten wird abgesehen. Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.

Der Wert für das Beschwerdeverfahren wird auf 2.000 EUR festgesetzt.

 

Gründe

I. Die Beteiligte zu 1 ist das eheliche Kind der Beteiligten zu 2 und 3. Deren Ehe wurde am 5.1.2012 durch das AG Lingen rechtskräftig geschieden (- 23 F 110/12). Das Sorgerecht für das Kind üben die Eltern weiterhin gemeinsam aus.

In dem Verfahren zur Geschäftsnummer ... des AG Lingen begehrt der Beteiligte zu 2 die Feststellung, dass er nicht der Vater des Kindes M. L. ist. Seinen Antrag auf Einrichtung einer Ergänzungspflegschaft zur Vertretung des beteiligten Kindes im Abstammungsverfahren hat der zuständige Rechtspfleger des AG durch den angefochtenen Beschluss unter Bezugnahme auf den Beschluss des BGH vom 21.3.2012 (- XII ZB 510/10 -, FamRZ 2012, 859 ff.) mit der Begründung abgewiesen, die Mutter des Kindes sei im Abstammungsverfahren nur dann von der Vertretung des Kindes ausgeschlossen, wenn sie mit dem anfechtenden Kindesvater verheiratet sei. Da die Eltern M. rechtskräftig geschieden seien, bedürfe es der Bestellung eines Ergänzungspflegers nicht. Der Antragsteller hält die Entscheidung des BGH nicht für einschlägig. Entscheidend sei, dass die Eltern die gemeinsame Sorge innehätten. Eine Alleinvertretung durch die Mutter sei deshalb nicht möglich.

II. Die Beschwerde ist gem. §§ 11 RPflG, 58 ff. FamFG zulässig. Bei der angefochtenen Entscheidung des Rechtspflegers handelt es sich um eine Endentscheidung in einer Kindschaftssache nach § 151 Nr. 5 FamFG.

Die Beschwerde ist auch begründet. Die Kindesmutter ist gemeinsam mit dem Kindesvater sorgeberechtigt und daher daran gehindert, das Kind im Abstammungsverfahren allein zu vertreten.

Nach In-Kraft-Treten des FamFG und der damit verbundenen Herauslösung der statusrechtlichen Verfahren aus der ZPO war die Erforderlichkeit einer Pflegerbestellung für das Kind streitig geworden. Zum einen wurde die Auffassung vertreten, dass Abstammungssachen nunmehr keinen - kontradiktorischen - Rechtsstreit i.S.v. § 1795 Abs. 1 Nr. 3 BGB darstellten und die Eltern daher nicht länger von einer Vertretung ausgeschlossen seien (vgl. Helms/Balzer ZKJ 2009, 348 ff.). Andere sprachen sich für eine erweiternde Auslegung des § 1795 Abs. 1 Nr. 3 BGB dahingehend aus, dass nach dem Rechtsgedanken der §§ 1795 Abs. 2, 181 BGB eine Vertretung der Eltern sowohl im Feststellungs- als auch im Anfechtungsverfahren ausgeschlossen sei (vgl. MünchKomm FamFG/Coester-Waltjen/Hilbig, 3. Aufl., § 172 Rz. 33 ff.). Nach einer dritten Ansicht waren die unter altem Recht entwickelten Grundsätze unverändert geblieben, weil sich durch die Umgestaltung des Verfahrensrechts an der materiell-rechtlichen Vertretungsbefugnis der Eltern nichts geändert habe (vgl. Wagenitz in MünchKomm/BGB § 1795 Rz. 34 und MünchKomm/BGB/Wellenhofer § 1600a Rz. 9 ff.). Der BGH hat den Streit im Sinne der letztgenannten Auffassung entschieden (Beschluss vom 21.3.2012, - XII ZB 510/10, zitiert nach juris). Den Änderungen im Verfahrensrecht habe der Gesetzgeber keine Ausstrahlung auf die gesetzliche Vertretung zugedacht (BGH, a.a.O., Rz. 13). Der in §§ 1795 Abs. 2, 181 BGB zum Ausdruck gekommene Rechtsgedanke sei für den Ausschluss des rechtlichen Vaters von der Vertretungsbefugnis weiter anzuwenden. Der Vater könne nicht gesetzlicher Vertreter des Kindes sein, wenn das Verfahren auf Beseitigung des zwischen ihm und dem Kind bestehenden Statusverhältnisses gerichtet sei (BGH, a.a.O., Rz. 12). Auch die Kindesmutter sei entsprechend § 1795 Abs. 1 Nr. 3 BGB von der Vertretung ausgeschlossen, wenn sie - wie in dem der Entscheidung des BGH zugrunde liegenden Sachverhalt - mit dem Kindesvater verheiratet sei (BGH, a.a.O., Rz. 21).

Aus dieser Entscheidung kann entgegen der Ansicht des AG nicht der Schluss gezogen werden, die Kindesmutter sei nur dann von der Vertretung im Anfechtungsverfahren ausgeschlossen, wenn sie mit dem Kindesvater verheiratet ist.

Der Ausschluss der Kindesmutter ergibt sich im vorliegenden Fall aus dem gemeinsamen Sorgerecht. Gemeinsam sorgeberechtigte Eltern vertreten das Kind nach § 1629 Abs. 1 S. 2 BGB gemeinschaftlich. Der Grundsatz der Gesamtvertretung bedeutet, dass nur beide Eltern befugt sind, das Kind zu vertreten (vgl. Huber in MünchKomm/BGB § 1629 Rz. 11). Entfällt die Vertretungsbefugnis eines Elternteils nach §§ 1629 Abs. 2 S. 1, 1795 BGB, so...

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