Entscheidungsstichwort (Thema)

Verfahrensverstoß wegen mangelnder nachträglicher Überprüfbarkeit von Rohmessdaten eines standardisierten Messgeräts

 

Leitsatz (amtlich)

1. Bei Messungen mit dem Gerät ES 8.0 handelt es sich um ein standardisiertes Verfahren

2. Auch Messungen mit Geräten, bei denen Messdaten nicht gespeichert werden, sind verwertbar. Sie verstoßen weder gegen die Grundsätze eines fairen Verfahrens, noch stellen sie eine unzulässige Beschränkung der Verteidigung dar

(gegen: Verfassungsgerichtshof des Saarlandes, Urteil vom 5.7.2019, Lv 7/17)

 

Normenkette

OWiG § 79 Abs. 1; StVO § 3 Abs. 3, § 49 Abs. 1

 

Verfahrensgang

AG Bad Iburg (Entscheidung vom 15.05.2019)

 

Tenor

Die Rechtsbeschwerde des Betroffenen gegen das Urteil des Amtsgerichts Bad Iburg vom 15.5.2019 wird vom rechts unterzeichnenden Einzelrichter zur Fortbildung des Rechts zugelassen.

Die Sache wird vom rechtsunterzeichnenden Einzelrichter auf den Senat in der Besetzung mit drei Richtern übertragen.

Die Rechtsbeschwerde des Betroffenen gegen das vorbezeichnete Urteil des Amtsgerichts Bad Iburg wird auf Kosten des Betroffenen als unbegründet verworfen.

 

Gründe

Durch das angefochtene Urteil ist der Betroffene wegen einer fahrlässigen Geschwindigkeitsüberschreitung zu einer Geldbuße von 120 € verurteilt worden. Festgestellt worden ist die Geschwindigkeitsüberschreitung durch eine Messung mit dem Einheitensensor ES 8.0 der Firma ESO.

Gegen dieses Urteil wendet sich der Betroffene mit seinem Antrag auf Zulassung der Rechtsbeschwerde. Er macht unter anderem geltend, dass beim vorliegenden Verfahren durch eine Unterdrückung der Rohmessdaten die Rechte des Betroffenen auf Verteidigung unzulässig eingeschränkt seien und verweist in diesem Zusammenhang auf die Entscheidung des Verfassungsgerichtshofes des Saarlandes vom 5. Juli 2019 (Lv 7/17).

Die Generalstaatsanwaltschaft hat beantragt, die Rechtsbeschwerde zuzulassen, diese aber als offensichtlich unbegründet zu verwerfen.

Die vom Einzelrichter zugelassene Rechtsbeschwerde ist mit der Rüge der Verletzung materiellen Rechts zulässig begründet worden.

Die Rechtsbeschwerde war zur Klärung der Frage zuzulassen, ob es sich bei Messungen mit dem Messgerät ES 8.0 um ein standardisiertes Verfahren handelt. Soweit ersichtlich, ist dieses in der Rechtsprechung bisher nicht geklärt.

Die Frage ist zu bejahen.

Standardisiert ist ein durch Regelungen vereinheitlichtes technisches Verfahren, bei dem die Bedingungen seiner Anwendbarkeit und sein Ablauf so festgelegt sind, dass unter gleichen Voraussetzungen gleiche Ergebnisse zu erwarten sind (BGH St 43, 277 ff).

Das Messgerät ES 8.0 ist ein von der Physikalisch Technischen Bundesanstalt zugelassenes Lichtschrankenmessgerät. Es handelt sich um ein System, das dem bisherigen ES 3.0 ähnelt (Krumm, Neues Messgerät ES 8.0 - Was ist wirklich neu?, ZfSch 2019, 368 ff.). Ebenso wie bei letztgenanntem System (hierzu: Beck/Löhle/Schmedding/Siegert- Siemer, Fehlerquellen bei polizeilichen Messverfahren, 12. Aufl § 10 RN 63) wird der Messwert mittels der Sensoreinheit mit 5 optischen Helligkeitssensoren festgestellt. Dabei sind 3 Sensoren parallel eingestellt - nur diese dienen der Geschwindigkeitsmessung. Die beiden übrigen Sensoren dienen der Abstandsmessung (Krumm a.a.O.).

Technische Messsysteme, deren Bauart von der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt (PTB) zur innerstaatlichen Eichung zugelassen sind, werden daher grundsätzlich als standardisierte Messverfahren anerkannt (OLG Bamberg, Beschluss vom 12. Dezember 2012 - 3 Ss OWi 450/12 -, Rn. 11, juris).

Ebenso wie das Messverfahren ES 3.0 (Senat, DAR 16, 404) ist deshalb auch dieses Messgerät als standardisiertes Messverfahren anzuerkennen (so auch Krumm, a.a.O.).

Vor diesem Hintergrund lässt das angefochtene Urteil keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Betroffenen erkennen.

Soweit der Betroffene rügt, der Aufbau der Messanlage und der Ablauf der Messung sei vom Gericht nicht dargetan worden, ergibt sich aus dem Urteil, dass Anhaltspunkte für eine fehlerhafte Messung ausweislich des Messprotokolls nicht vorgelegen haben, was bedeutet, dass die Messung ordnungsgemäß erfolgt ist.

Auch die Rüge, der Verteidigung, es sei es nicht möglich, Anhaltspunkte für einen Messfehler darzulegen, da die Rohmessdaten unterdrückt würden, verhilft der Rechtsbeschwerde nicht zum Erfolg.

Dabei kann dahinstehen, ob die formellen Voraussetzungen für die Rüge der unzulässigen Beschränkung der Verteidigung in einem wesentlichen Punkt (§ 338 Nummer 8 StPO) erfüllt sind und ob es sich bei dem hier eingesetzten Messgerät um ein solches handelt, bei dem Rohmessdaten nicht gespeichert werden - eine derartige Feststellung ist vom Amtsgericht nicht getroffen worden.

Der Senat folgt der Entscheidung des Verfassungsgerichtshofes des Saarlandes vom 5.7.2019, Lv 7/17, - abgerufen aus der Entscheidungsdatenbank dieses Gerichtes - ohnehin nicht.

Die Entscheidung hat für den Senat keine Bindungswirkung, wie der Verfassungsgerichtshof unter B I 1 der Urteilsgründe selbst ausführt.

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