Leitsatz (amtlich)

Zur Frage des Vorliegens eines Zitierfehlers der StVO-Novelle 2020 und dessen Auswirkungen.

 

Normenkette

StVG § 26a Abs. 1 Nr. 3

 

Verfahrensgang

AG Norden (Entscheidung vom 26.11.2020)

 

Tenor

Die Rechtsbeschwerde der Betroffenen gegen das Urteil des Amtsgerichts Norden vom 26.11.2020 wird vom rechtsunterzeichnenden Einzelrichter zur Fortbildung des Rechts zugelassen

Die Rechtsbeschwerde wird vom rechtsunterzeichnenden Einzelrichter auf den Senat in der Besetzung mit drei Richtern übertragen.

Die Rechtsbeschwerde der Betroffenen gegen das vorbezeichneten Urteil wird mit der Maßgabe, dass die Geldbuße auf 35 € reduziert wird, als unbegründet verworfen.

Die Kosten der Rechtsbeschwerde hat die Betroffene zu tragen. Jedoch wird die Gebühr um 1/3 ermäßigt. Die Landeskasse hat der Betroffenen 1/3 der ihr im Rechtsbeschwerdeverfahren entstandenen notwendigen Auslagen zu erstatten.

 

Gründe

I.

Durch das angefochtene Urteil hat das Amtsgericht die Betroffene wegen einer Geschwindigkeitsüberschreitung innerorts um 16 km/h zu einer Geldbuße von 70 € verurteilt.

Tatzeit war der 05.05.2020.

Hiergegen wendet sich die Betroffene mit ihrem Antrag auf Zulassung der Rechtsbeschwerde, mit der sie die Verletzung formellen und materiellen Rechts rügt.

Die Generalstaatsanwaltschaft hält Zulassungsgründe nicht für gegeben: Weder eine Verletzung des rechtlichen Gehörs, noch eine klärungsbedürftige Frage des materiellen Rechts seien ersichtlich.

Der Einzelrichter hat die Rechtsbeschwerde zur Fortbildung des Rechts zugelassen, da eine der derzeit meistdiskutierten Fragen, nämlich diejenige des Vorliegens eines Zitierfehlers in der 54. Verordnung zur Änderung straßenverkehrsrechtlicher Vorschriften vom 20.04.2020 (Bundesgesetzblatt I Nummer 19 vom 27. April 2020, 814 ff. - im folgenden StVO-Novelle 2020) und dessen mögliche Auswirkung zu klären ist. Die Tatzeit liegt hier im Gegensatz zu den bisher zu dieser Problematik veröffentlichten obergerichtlichen Entscheidungen nach dem Datum des -soweit hier relevant- beabsichtigten Inkrafttretens. Soweit das Amtsgericht hierzu ausgeführt hat, der Senat habe bereits entschieden, dass die StVO-Novelle 2020 keinen Zitierfehler aufweise, ist das unzutreffend: Die Entscheidung des Senats DAR 2020, 700 betraf die StVO vom 06.03.2013.

II.

Die Rechtsbeschwerde hat keinen Erfolg, soweit es den Schuldspruch betrifft.

Das angefochtene Urteil lässt insoweit keinen Rechtsfehler zum Nachteil der Betroffenen erkennen.

Bei dem in der Hauptverhandlung gestellten Antrag handelte es sich mangels konkreter Tatsachenbehauptung schon nicht um einen Beweisantrag.

Soweit gerügt wird, dass keine Rohmessdaten gespeichert würden, hat der Senat bereits entschieden, dass er dem Urteil des Verfassungsgerichtshofs des Saarlandes vom 5.7.2019 nicht folgt: Senat, Nds. Rechtspflege 2019, 399 (ebenso: OLG Köln, Beschluss vom 27.9.2019, 1 RBs 339/19, juris; KG, Beschluss v. 2.10.2019, 3 Ws(B) 296/19-162 Ss 122/19, juris; OLG Karlsruhe, Beschluss vom 6.11.2019, 2 Rb 35 Ss 808/19, juris; OLG Hamm, Beschluss vom 25.11.2019, 3RBs 307/19, juris; BayObLG, Beschluss vom 9.12.2019, 202 ObOWi 1955/19, juris; Schleswig-Holsteinisches OLG, Beschluss vom 20.12.2019, II OLG 65/19, juris; Brandenburgisches Oberlandesgericht, Beschluss vom 2.1.2020, (1 Z) 53 Ss-OWi 660/19 (380/19) juris; OLG Zweibrücken, Beschluss v. 11.2.2020, 1 OWi 2 SsBs 122/19, juris; OLG Düsseldorf, Beschluss vom 10.3.2020, IV-2 RBs 30/20, juris; Hans. OLG Bremen, Beschluss vom 6.4.2020, 1 SsRs 10/20, juris; Thüringer Oberlandesgericht, Beschluss vom 23.9.2020, 171 SsRs 195/19, juris).

OLG Dresden, Beschluss vom 9.11.2020,23 Js 620/20 (Z), juris

Hierauf und ergänzend auf die das Urteil des Verfassungsgerichtshofs ebenfalls ablehnenden Ausführungen von Peuker, NZV 2019, 443 wird verwiesen.

Selbst wenn die StVO-Novelle 2020 insgesamt nichtig wäre - dazu unter III. - würde die StVO aus dem Jahre 2013 weiter gelten (vergleiche Bayerisches Oberstes Landesgericht, ZfSch 2020, 712; OLG Braunschweig, Beschluss vom 4. Dezember 2020, 1 Ss (OWi) 173/20, juris; OLG Zweibrücken, Beschluss vom 5. November 2020, 1 OWi 2 SsRs 124/20, juris; OLG Hamm, Beschluss vom 25.01.2021, III-1RBs 226/20, bei Burhoff online), so dass auch keine Sanktionslücke besteht, die einem Schuldspruch entgegenstehen könnte.

III.

Demgegenüber konnte der Rechtsfolgenausspruch nicht aufrechterhalten werden.

Der Senat folgt der in Rechtsprechung und Literatur geäußerten Ansicht, dass die StVO-Novelle 2020 einen Zitierfehler aufweist, weil in der Präambel § 26 a Abs. 1 Nummer 3 StVG, der die Ermächtigung zum Erlass von Vorschriften über "die Anordnung des Fahrverbotes nach § 25" enthält, nicht genannt wird (vgl. OLG Braunschweig a.a.O., OLG Zweibrücken a.a.O., Sandherr, DRiZ 2020, 386 ff.; Will, NZV 2020, 601 ff.; Fromm, DAR 2020, 527 ff.; Krumm DAR 2020, 476 ff.; Ipsen NVwZ 2020, 1326 ff.; Freymann/Wellner-Grube juris PK Straßenverkehrsrecht, 1. Aufl., Stand 12.01.2021, § 4 BKatV RN 12.4; offengelassen Bayerisches Oberst...

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