Leitsatz (amtlich)

›1. Die auf Zahlung eines Schmerzensgeldes in Anspruch genommene Kfz-Haftpflichtversicherung trägt das Risiko ihres Regulierungsverhaltens [Regulierungsverzögerung], wenn sich ihre verfahrensverzögernden Einwände gegen die Schmerzensgeldhöhe als unzutreffend erweisen.

2. Zur Höhe des Schmerzensgeldanspruchs (hier: 250000 DM [125000 EUR]) einer zum Unfallzeitpunkt 34-jährigen Frau, die durch einen vom Unfallverursacher grob fahrlässig verschuldeten Verkehrsunfall massive Verletzungen

- Schädel-Hirn-Trauma mit Subarachnoidal-Blutung

- distale Unterarmtrümmerfraktur

- multiple Haut- und Weichteilverletzungen mit Schmutz- und Glassplittereinsprengungen

- persistierende Stimmbandlähmung

erlitten hat und die zu gravierenden gesundheitlichen und beruflichen (MdE: 90 %) Dauerfolgen führen.‹

3. 250000 DM [125000 EUR] Schmerzensgeld sowie immaterieller Vorbehalt für die Geschädigte wegen der aufgeführten (2.) Verletzungen mit einer MdE von 90 % auf Dauer.

Mehrfache Operationen u.a. Luftröhrenschnitt mit Langzeitbeatmung, Entfernung einer Trachealkanüle usw.

Die Geschädigte leidet an Atembehinderung und Störung der Stimmfunktion bei Stimmbandlähmung nach Langzeitintubation, Verlust des Geruchssinns, Störungen des Gleichgewichtssinns, Gebrauchsminderung der rechten Hand, Restbeschwerden nach Gehörsturz, leichtgradigem ausgeprägten hirnorganischen Psychosyndrom sowie unter ständigen Kopfschmerzen.

 

Verfahrensgang

LG Weiden i.d.OPf. (Urteil vom 26.11.1996; Aktenzeichen 1 O 260/96)

 

Tatbestand

Die Klägern, geb. am 20. Juni 1963, wurde am 09. Juli 1991 bei einem Unfall als Beifahrerin in einem bei der Beklagten versicherten Pkw verletzt. Die Einstandspflicht der Beklagten ist mit 100 % unstreitig.

Nachdem die Beklagte den Verdienstentgang der Klägerin für den Zeitraum vom 21.08.1991 bis 30.06.1993 ersetzt und weitere 92.000,00 DM, die auf den immateriellen Schaden der Klägerin verrechnet wurden, bezahlt hatte, stritten die Parteien in erster Instanz um ein weiteres Schmerzensgeld von mindestens 158.000,00 DM, weiteren Verdienstentgang in Höhe von 37.321,18 DM und um die Einstandspflicht der Beklagten für einen eventuellen Zukunftsschaden.

Bezüglich des unstreitigen Sachverhalts, des Parteivortrags in erster Instanz und der dort gestellten Anträge, wird auf die Seiten 4 mit 7 des angefochtenen Urteils Bezug genommen (§ 543 Abs. 2 ZPO).

Das Landgericht Weiden hat mit Urteil vom 26. November 1996 die Beklagte zur Zahlung eines weiteren Schmerzensgeldes von 108.000,00 DM verurteilt. Im übrigen hat es der Klage stattgegeben. Auf die Entscheidungsgründe dieses Urteils wird verwiesen.

Gegen die Höhe des Schmerzensgeldes haben beide Parteien Berufung eingelegt. Die weitergehende Verurteilung der Beklagten wurde nicht angegriffen.

Die Klägerin verfolgt im Berufungsverfahren ihren ursprünglichen Antrag weiter mit der Begründung, die Beklagte habe sehr schleppend bezahlt, so daß sie aufgrund ihrer unfallbedingten Erwerbsunfähigkeit gezwungen gewesen sei, Bankkredite in Anspruch zu nehmen und Sozialhilfe zu beantragen. Im übrigen wird auf die Berufungsbegründung mit Nachtrag verwiesen.

Die Klägerin stellt den Antrag:

1. Das Urteil des Landgerichts Weiden vom 18.12.1996, Az. 1 O 260/96, wird, soweit die Klage in Ziffer 1 in Höhe eines Teilbetrages von 50.000,00 DM abgewiesen wurde, aufgehoben.

2. Die Beklagte wird verurteilt, über die mit Ziffer 1 des vorgenannten Endurteils zugesprochenen 108.000,00 DM weiteres Schmerzensgeld hinaus noch weitere 50.000,00 DM nebst 4 % Zinsen hieraus seit 31.01.1996, insgesamt also 158.000,00 DM nebst 4 % Zinsen hieraus seit dem 31.01.1996 zu bezahlen.

3. Die Beklagte trägt die Kosten beider Instanzen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung der Klägerin kostenpflichtig zurückzuweisen und stellt im übrigen den Antrag:

1. Das Endurteil des Landgerichtes Weiden, Az. 1 O 260/96, vom 26.11.96 wird in Ziffer 1 teilweise aufgehoben und die Klage abgewiesen, soweit die Beklagte verurteilt wurde, ein höheres Schmerzensgeld als DM 38.000,00 zu bezahlen.

2. Die Klägerin und Berufungsbeklagte hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

Sie ist der Auffassung, daß ihr eine verzögerte Regulierung nicht vorgeworfen werden könne, da sie erst die Erholung der ärztlichen Gutachten habe abwarten müssen.

Ein Gesamtschmerzensgeld in Höhe von 130.000,00 DM sei im vorlegenden Fall angemessen und ausreichend. Dieser Betrag entspreche dem in vergleichbaren Fällen ausgeurteilten Schmerzensgeld. Die Genugtuungsfunktion müsse im vorliegenden Fall zurücktreten, da es sich um eine Gefälligkeitsfahrt gehandelt habe. Schließlich könne ein noch so hohes Schmerzensgeld die vorhandene gesundheitliche Beeinträchtigung nicht vermindern.

Auf die Berufungsbegründung mit Nachtrag wird Bezug genommen.

Die Klägerin beantragt:

die Berufung der Beklagten kostenpflichtig zurückzuweisen.

Der Senat hat nicht Beweis erhoben. Auf die vorliegenden Urkunden und die Sitzungsniederschrift vom 25. April 1997 wird verwiesen.

 

Entscheidungsgründe

I.

Die Berufungen beider Part...

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