Leitsatz (amtlich)

Der Anspruch auf Schadensersatz wegen sittenwidrig vorsätzlicher Schädigung nach §§ 826, 31 BGB eines Käufers eines Fahrzeugs, das eine fehlerhafte Motorsteuerung aufwies, entfällt nicht durch dessen zwischenzeitlichen Weiterverkauf.

Die Hemmung der Verjährung nach § 204 Abs. 1 Nr. 1a BGB beginnt mit Erhebung der Musterfeststellungsklage, wenn der Kläger seinen Anspruch zu dem zu der Klage geführten Klageregister wirksam nach § 608 ZPO angemeldet hat, unabhängig davon, wann der Kläger der Musterfeststellungsklage beitrat.

 

Normenkette

BGB §§ 249, 826

 

Verfahrensgang

LG Nürnberg-Fürth (Aktenzeichen 9 O 3379/19)

 

Nachgehend

BGH (Urteil vom 22.09.2022; Aktenzeichen VII ZR 786/21)

 

Tenor

I. Auf die Berufung der Klagepartei wird das Endurteil des Landgerichts Nürnberg-Fürth vom 28.10.2019, Az. 9 O 3379/19, im Tatbestand berichtigt durch Beschluss vom 19.11.2019, teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:

1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klagepartei 14.308,41 EUR nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 27.06.2019 zu bezahlen.

2. Die Beklagte wird verurteilt, die Klagepartei von außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten ihres Rechtsanwalts H. in Höhe von 1.242,84 EUR freizustellen.

3. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen

II. Die weitergehende Berufung der Klagepartei wird zurückgewiesen.

III. Von den Kosten des Rechtsstreits haben zu tragen

  • im ersten Rechtszug die Klagepartei 59 % und die Beklagte 41 % und
  • im zweiten Rechtszug die Klagepartei 64 % und die Beklagte 36 %.

IV. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Das Endurteil des Landgerichts Nürnberg-Fürth vom 28.10.2019 ist, soweit die hiergegen gerichteten Berufung zurückgewiesen wird, ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.

Die Parteien können die Vollstreckung der jeweils anderen Partei jeweils durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die jeweils andere Partei vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

V. Die Revision gegen dieses Urteil wird zugelassen.

Beschluss

Der Streitwert wird für das Berufungsverfahren auf 26.610,00 EUR festgesetzt.

 

Gründe

I. Die Klagepartei begehrt von der Beklagten Schadensersatz wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung.

Bei den von der Beklagten hergestellten Dieselmotoren (EA 189) wurde ab Anfang 2008 ein elektronisches Programm zur Steuerung der Abgase verwendet. Diese Software erkannte Messungen auf dem Prüfstand. In solchen Fällen (Modus 1) wurden höhere Mengen an Abgas dem Motor zugeführt, um den Ausstoß von Stickoxiden zu verringern. Diese erhöhte Rückführung von Abgasen unterblieb beim Betrieb des Fahrzeugs auf öffentlichen Straßen (Modus 0).

Ein Motor mit dieser Software war in den von der Klagepartei am 18.03.2009 bei der A. GmbH für einen Kaufpreis von 34.500,00 EUR mit einem Kilometerstand von 14.000 km gebraucht erworbenen Pkw A. FIN: ... eingebaut worden.

Die Klagepartei forderte mit Schreiben ihres Anwalts vom 08.03.2019 von der Beklagten, die für das Fahrzeug gezahlte Summe gegen dessen Übergabe bis zum 22.03.2019 zu erstatten. Die Beklagte lehnte dies ab.

Die Klagepartei meldete sich am 05.04.2019 zum Klageregister der beim Oberlandesgericht Braunschweig unter Az. ... geführten Musterfeststellungsklage an.

Am 13.05.2019 veräußerte die Klagepartei das streitgegenständliche Fahrzeug bei einem Kilometerstand von 98.150 km für 7.890,00 EUR.

Nachfolgend meldete sich die Klagepartei am 28.05.2019 wieder vom Klageregister der vorgenannten Musterfeststellungsklage ab.

Die am 04.06.2019 beim Landgericht Nürnberg-Fürth eingegangene Klage wurde der Beklagten am 26.06.2019 zugestellt.

Die Klagepartei beruft sich auf vorsätzliche sittenwidrige Schädigung durch die Beklagte. Deren verantwortlichen Personen sei bekannt gewesen, dass entgegen gesetzlichen Vorschriften das auf dem Prüfstand erhöhte Verringern von Abgasen beim Betrieb der Fahrzeuge auf öffentlichen Straßen abgeschaltet gewesen sei. Ihr selbst sei dieser Umstand nicht bekannt gewesen. Ihr Schaden bestehe darin, dass sie bei Kenntnis der Sachlage das Fahrzeug nicht erworben hätte. Deshalb sei sie so zu stellen, als ob sie das Fahrzeug nicht erworben hätte.

Erstinstanzlich hat die Klagepartei zuletzt beantragt:

1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klagepartei 26.610,00 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 07.03.2019 zu zahlen.

2. Die Beklagte wird verurteilt, die Klagepartei von den außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten ihres Rechtsanwaltes H. in Höhe von 2.033,00 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit freizustellen.

Die Beklagte hat erstinstanzlich beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte meint, die Steuerung der auf dem Prüfstand erfolgenden sowie im Normalbetrieb unterbleibenden Rückführung von Abgasen in den Motor habe keine gesetzlichen Regelungen verletzt. Daher liege auch kein Mangel vor. Zudem sei ...

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