Leitsatz (amtlich)

Der Anspruch auf Schadensersatz wegen sittenwidrig vorsätzlicher Schädigung nach §§ 826, 31 BGB eines Käufers eines Fahrzeugs, das eine fehlerhafte Motorsteuerung aufwies, entfällt nicht durch dessen zwischenzeitlichen Weiterverkauf.

 

Normenkette

BGB §§ 31, 826

 

Verfahrensgang

LG Nürnberg-Fürth (Aktenzeichen 9 O 8796/18)

 

Tenor

I. Die Klagepartei wird ihres Rechtsmittels der Berufung verlustig erklärt, soweit sie dieses zurückgenommen hat.

II. Im Übrigen wird die Berufung der Klagepartei gegen das Urteil des Landgerichts Nürnberg-Fürth vom 29.07.2019, Az. 9 O 8796/18, zurückgewiesen.

III. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Landgerichts Nürnberg-Fürth vom 29.07.2019, Az. 9 O 8796/18, teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:

1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klagepartei 1.100,73 EUR nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 24.01.2019 sowie weitere Zinsen in Höhe von 130,00 EUR zu bezahlen.

2. Die Beklagte wird verurteilt, die Klagepartei von außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten in Höhe von 729,23 EUR freizustellen.

3. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

IV. Die weitergehende Berufung der Beklagten wird zurückgewiesen.

V. Die Kosten des Rechtsstreits beider Instanzen trägt die Klagepartei.

VI. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Das Endurteil des Landgerichts Nürnberg-Fürth vom 29.07.2019 ist, soweit die hiergegen gerichteten Berufungen zurückgewiesen werden, ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.

Die Parteien können die Vollstreckung der jeweils anderen Partei jeweils durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die jeweils andere Partei vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

VII. Die Revision wird zugelassen.

Beschluss

Der Streitwert wird für das Berufungsverfahren auf 33.540,00 EUR, ab 07.04.2021 auf 28.420,00 EUR festgesetzt.

 

Gründe

Die Klagepartei begehrt von der Beklagten als Fahrzeugherstellerin zuletzt Schadensersatz aus einem Kaufvertrag über einen Pkw.

Bei den von der Beklagten hergestellten Dieselmotoren (EA 189) wurde ab Anfang 2008 ein elektronisches Programm zur Steuerung der Abgase verwendet. Diese Software erkannte Messungen auf dem Prüfstand. In solchen Fällen (Modus 1) wurden höhere Mengen an Abgas dem Motor zugeführt, um den Ausstoß von Stickoxiden zu verringern. Diese erhöhte Rückführung von Abgasen unterblieb beim Betrieb des Fahrzeugs auf öffentlichen Straßen (Modus 0).

Ein Motor mit dieser Software war in den vom Kläger am 23.03.2009 bei der Autohaus R. KG gekauften und dann von der Beklagten hergestellten Pkw VW Tiguan 2.0 TDI, FIN: WVGZZZ5NZAW006921, eingebaut worden. Dieses Fahrzeug wurde gegen Zahlung von 33.540,00 EUR brutto im Juni 2009 an den Kläger übergeben und auf ihn zugelassen.

Mit Bescheid vom 14.10.2015 verpflichtete das Kraftfahrtbundesamt die Beklagte, die auch im Fahrzeug des Klägers befindliche als unzulässige Abschalteinrichtung gewertete Software zu entfernen.

Der Kläger forderte mit Schreiben seines Anwalts vom 07.11.2018 von der Beklagten, die für das Fahrzeug gezahlte Summe gegen dessen Übergabe bis zum 20.11.2018 zu erstatten. Das lehnte die Beklagte mit ihrer Antwort vom 21.11.2018 unter Hinweis auf ein zwischenzeitlich am Fahrzeug durchgeführtes und vom Kraftfahrtbundesamt als geeignet zum Herstellen der Vorschriftsmäßigkeit der betroffenen Fahrzeuge eingestuftes Software-Update ab.

Die Klagepartei beruft sich auf betrügerische Täuschung und sittenwidrige Schädigung durch die Beklagte. Deren verantwortlichen Personen sei bekannt gewesen, dass entgegen gesetzlichen Vorschriften das auf dem Prüfstand erhöhte Verringern von Abgasen beim Betrieb der Fahrzeuge auf öffentlichen Straßen abgeschaltet gewesen sei. Diese unzulässige Maßnahme habe einen Mangel am Fahrzeug bewirkt sowie dessen Wert gemindert.

Erstinstanzlich hat die Klagepartei mit am 23.01.2019 zugestellter Klageschrift beantragt:

1. Die Beklagte wird verurteilt, Zug um Zug gegen Rückgabe und Übereignung des Fahrzeugs VW Tiguan mit der Fahrgestellnummer WVGZZZ5NZAW006921 an den Kläger 33.540,00 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 22.11.2018 [nach Klageerweiterung: seit 23.03.2009] zu zahlen.

2. Es wird festgestellt, dass sich die Beklagte seit dem 22.11.2018 mit der Rücknahme des im Klageantrag Ziffer 1 bezeichneten Fahrzeugs im Annahmeverzug befindet.

3. Die Beklagte wird verurteilt, den Kläger von den außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten seines Rechtsanwalts H. in Höhe von 2.033,00 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab Rechtshängigkeit freizustellen.

Die Beklagte hat erstinstanzlich beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte meint, die Steuerung der auf dem Prüfstand erfolgenden sowie im Normalbetrieb unterbleibenden Rückführung von Abgasen in den Motor habe keine gesetzlichen Regelungen verletzt. Daher liege auch kein Mangel vor. Zudem se...

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