Leitsatz (amtlich)

Zur Abgrenzung zwischen der Verweisung auf den Pflichtteil und einem Pflichtteilsvermächtnis.

 

Normenkette

BGB § 2147 ff., § 2304

 

Verfahrensgang

LG Regensburg (Aktenzeichen 6 O 1449/00)

 

Tenor

I. Auf die Berufung die Klägers wird das Endurteil des LG Regensburg vom 22.2.2001 – 6 O 1449/00, aufgehoben.

II. Der Beklagte wird verurteilt, dem Kläger Auskunft über den Bestand des Nachlasses der am … verstorbenen L.E., C.A.S. geb. B. durch Vorlage eines Nachlassverzeichnisses zu erteilen.

Wegen der Klageanträge zu 2) und 3) wird der Rechtsstreit an das LG Regensburg zurückverwiesen.

III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung i.H.v. 500 DM abwenden, wenn nicht der Kläger vorher in gleicher Höhe Sicherheit leistet.

IV. Die Beschwer des Beklagten beträgt 63.750 DM.

Beschluss: Der Streitwert des Berufungsverfahrens beträgt 63.750 DM.

 

Tatbestand

Der am … geborene Kläger verlangt im Wege der Stufenklage vom Beklagten, seinem Vater, zunächst Auskunft über den Bestand des Nachlasses seiner am … verstorbenen Mutter.

Mit Ehe- und Erbvertrag vom 31.5.1950 vereinbarten die Eheleute A. und L.S. den Güterstand der allgemeinen Gütergemeinschaft, setzten sich gegenseitig zu alleinigen und ausschließlichen Erben ihres Nachlasses ein und Verfügten weiter Folgendes:

Der überlebende Eheteil ist lediglich verpflichtet an vorhandene pflichtteilsberechtigte Personen, den diesen nach dem Gesetz gebührenden Pflichtteil auf Verlangen hin auszuzahlen oder dinglich sicherzustellen.

Pflichtteilsberechtigte Abkömmlinge sind neben dem Kläger dessen Brüder H., geb. …, G., geb. … und P.S., geb. ….

Mit seiner am 4.7.2000 eingereichten und am 12.7.2000 zugestellten Klage hat der Kläger Ansprüche aus einem ihm seines Erachtens mit der vorstehend wiedergegebenen Vereinbarung zugewandten Vermächtnis, von dem er nach seinen Angaben erst im Jahr 2000 erfahren habe, geltend gemacht.

Der Beklagte hat die Auffassung vertreten, dass die genannte Regelung nur auf das bestehende Pflichtteilsrecht verweise und diese Regelung dem Kläger auch seit langem bekannt sei; seine Ansprüche seien deshalb verjährt.

Das LG hat nach erfolgter Beweisaufnahme zur Frage der Kenntnis des Klägers von der erbvertraglichen Regelung die Stufenklage insgesamt abgewiesen. Es hat die streitige Passage des Erbvertrages – lediglich – als Verweisung auf den Pflichtteil und die Ansprüche des Klägers als verjährt angesehen.

Wegen der Einzelheiten wird auf die Entscheidungsgründe des Ersturteils Bezug genommen.

Mit seiner Berufung verfolgt der Kläger seine erstinstanzlichen Anträge weiter. Die streitige Passage sei, so trägt er vor, entgegen der Auffassung des LG als Vermächtniszuwendung anzusehen, die der 30-jährigen Verjährung unterliege. Die erbvertragliche Regelung, die dem Abkömmling die Möglichkeit der Sicherung seiner Ansprüche einräume, modifiziere die Pflichtteilsregelung und sei daher als Vermächtnisanordnung zu sehen.

Hilfsweise rügt der Kläger auch die Beweiswürdigung des Erstgerichts; es gelte die 30-jährige Verjährung des § 2332 BGB.

Schließlich stelle sich seine Nichtinformation bzw. Nichtaufklärung durch den Vater über den Inhalt des Erbvertrages als Schadensersatzpflichten auslösende positive Vertragsverletzung dar, die ebenfalls der 30-jährigen Verjährung unterliege.

Der Kläger beantragt, das Ersturteil aufzuheben und den Beklagten im Wege der Stufenklage zu verurteilen,

1. in der ersten Stufe Auskunft über den Bestand des Nachlasses der am … verstorbenen L.E., C.A.S., geb. B., zu erteilen und zwar durch Vorlage eines Nachlassverzeichnisses,

2. in der zweiten Stufe zu Protokoll an Eides statt zu versichern, dass er nach bestem Wissen den Bestand des Nachlasses so vollständig angegeben hat, als er dazu im Stande ist,

3. in der dritten Stufe an den Kläger das Vermächtnis i.H.v. 3/32 des sich aus der Auskunft ergebenden Nachlasswertes zu zahlen.

Der Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Er teilt die Auffassung des LG und dessen seines Erachtens zutreffende Begründung, dass in dem Erbvertrag lediglich auf das gesetzliche Pflichtteilsrecht verwiesen werde. Ansprüche des Klägers seien deshalb verjährt.

Es seien keine Anhaltspunkte ersichtlich, dass die Erblasser die Anwendung pflichtteilsrechtlicher Grundsätze vermeiden wollten, was Voraussetzung für die Annahme eines Vermächtnisses sei. Warum die streitgegenständliche Formulierung in dieser Form ins Vertragswerk aufgenommen worden sei, lasse sich heute nicht mehr mit letzter Sicherheit klären. Dem Notar sei der praktische Unterschied der beiden Möglichkeiten bekannt gewesen.

Wegen der Einzelheiten wird auch hier auf Berufungsbegründung und Berufungserwiderung Bezug genommen.

 

Entscheidungsgründe

I. Die zulässige Berufung des Klägers hat Erfolg.

Der Senat sieht in der streitgegenständlichen erbrechtlichen Regelung abweichend vom LG eine Vermächtniszuwendung. Da der Vermächtnisanspruch erst nach dreißig Jahren verjährt (§§ 194, 195 BGB) und die Verjährung uns...

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