Entscheidungsstichwort (Thema)

Leistungen aus Betriebsschließungsversicherung nach behördlicher Maßnahme wegen der Corona-Pandemie

 

Leitsatz (amtlich)

1. Verspricht der Versicherer einer Betriebsschließungsversicherung in seinen AVB Leistungen für den Fall, dass "die zuständige Behörde aufgrund des IfSG beim Auftreten meldepflichtiger Krankheiten oder Krankheitserreger den versicherten Betrieb zur Verhinderung der Verbreitung von meldepflichtigen Krankheiten oder Krankheitserregern bei Menschen schließt" und definiert er in den AVB meldepflichtige Krankheiten und Krankheitserreger als "die folgenden, im IfSG in den §§ 6 und 7 namentlich genannten Krankheiten und Krankheitserreger", ist die nachfolgende Aufzählung abschließend, so dass kein Versicherungsschutz für eine Betriebsschließung im Zusammenhang mit der Corona-Pandemie besteht, wenn weder COVID-19 noch SARS-CoV-2 in der Aufzählung benannt sind.

2. Die maßgeblichen Klauseln in den AVB halten einer Wirksamkeitskontrolle stand und sind insbesondere hinreichend transparent (entgegen OLG Karlsruhe, BeckRS 2021, 16057 und BeckRS 2021, 30988).

 

Normenkette

BGB §§ 305c, 307; IfSG §§ 6-7

 

Verfahrensgang

LG Nürnberg-Fürth (Urteil vom 29.12.2020; Aktenzeichen 2 O 5654/20)

 

Tenor

1. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Landgerichts Nürnberg-Fürth vom 29.12.2020, Az. 2 O 5654/20, wird zurückgewiesen.

2. Die Klägerin hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Das in Ziffer 1 genannte Urteil des Landgerichts Nürnberg-Fürth ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

4. Die Revision zum Bundesgerichtshof wird zugelassen.

Beschluss

Der Streitwert wird für das Berufungsverfahren auf 11.894,86 EUR festgesetzt.

 

Gründe

I. Die Klägerin betreibt das Restaurant "B." in der Nürnberger Altstadt. Sie unterhält für diesen Betrieb seit November 2015 bei der Beklagten eine Sachversicherung mit der Produktbezeichnung "Profi-Schutz" und einer jährlichen Prämie von brutto 471,01 EUR (Anlage K 2). Zu den vertraglich versicherten Gefahren gehören auch Schäden durch Betriebsschließungen bei Auftreten meldepflichtiger Krankheiten nach dem Infektionsschutzgesetz (IfSG). Hierbei ist insbesondere der Ertragsausfallschaden bei Schließung des Betriebes durch die zuständige Behörde bis zu einer Dauer von 30 Tagen gedeckt, wobei der Selbstbehalt pro Versicherungsfall 500 EUR beträgt. Die für Schäden durch Betriebsschließungen maßgeblichen Zusatzbedingungen "ZBSV 08" (Anlage K 3; im Folgenden nur ZBSV) sind Bestandteil des Versicherungsvertrages und lauten auszugsweise wie folgt (Hervorhebungen im Original):

§ 2 Versicherte Gefahren

1. Versicherungsumfang

Der Versicherer leistet Entschädigung, wenn die zuständige Behörde aufgrund des Gesetzes zur Verhütung und Bekämpfung von Infektionskrankheiten beim Menschen (Infektionsschutzgesetz - IfSG) beim Auftreten meldepflichtiger Krankheiten oder Krankheitserreger (siehe Nr. 2)

a) den versicherten Betrieb oder eine versicherte Betriebsstätte zur Verhinderung der Verbreitung von meldepflichtigen Krankheiten oder Krankheitserregern beim Menschen schließt; Tätigkeitsverbote gegen sämtliche Betriebsangehörige eines Betriebes oder einer Betriebsstätte werden einer Betriebsschließung gleichgestellt;

...

2. Meldepflichtige Krankheiten und Krankheitserreger Meldepflichtige Krankheiten und Krankheitserreger im Sinne dieser Zusatzbedingungen sind die folgenden, im Infektionsschutzgesetz in den §§ 6 und 7 namentlich genannten Krankheiten und Krankheitserreger:

Es folgt unter a) und b) eine Aufzählung verschiedener Krankheiten und Krankheitserreger, in der weder das SARS-CoV-2-Virus noch die Krankheit Corona/COVID-19 enthalten ist.

Mit einer auf § 28 Abs. 1 Satz 1 IfSG gestützten Allgemeinverfügung der Bayerischen Staatsministerien für Gesundheit und Pflege sowie für Familien, Arbeit und Soziales vom 16.03.2020 wurden gastronomische Betriebe aller Art - mit Ausnahme von Betriebskantinen und des Vor-Ort-Verzehrs von 6:00 bis 15:00 Uhr - untersagt (Anlage K 6). Grund hierfür war das Infektionsgeschehen im Zusammenhang mit dem neuartigen Coronavirus und dessen pandemischer Ausbreitung. Mit weiterer Allgemeinverfügung vom 17.03.2020 wurde außerdem die Bewirtung von Freiflächen (Außengastronomie) untersagt (Anlage K 7). Am 24.03.2020 wurden schließlich Gastronomiebetriebe gänzlich untersagt, mit Ausnahme der Abgabe mitnahmefähiger Speisen (Anlage K 8).

Die Klägerin macht geltend, ihre Gaststätte sei vom 16.03.2020 bis 10.04.2020 vollständig geschlossen und der Betrieb eingestellt gewesen. Denn das Restaurant sei üblicherweise erst ab 16:00/17:00 Uhr und bis 22:00 Uhr geöffnet gewesen. Ein "take-away-Service" habe weder kurzfristig publiziert werden können noch ha...

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