Leitsatz (amtlich)

1. Verspricht ein Versicherer eine Entschädigung, wenn "die zuständige Behörde aufgrund einer Erkrankung nach dem Infektionsschutzgesetz den Betrieb schließt", ist der Deckungsumfang nicht auf sog. intrinsische Gefahren beschränkt.

2. Eine Klausel in den Versicherungsbedingungen einer Betriebsschließungsversicherung, die meldepflichtige Erkrankungen als "die folgenden, im Infektionsschutzgesetz in den §§ 6 und 7 namentlich genannten Krankheiten und Krankheitserreger" definiert und diese sodann im Einzelnen auflistet, ist nach dem Verständnis eines durchschnittlichen Versicherungsnehmers als abschließend zu verstehen; eine Erstreckung auf Betriebsschließungen aufgrund von SARS-COV2/Covid-19 scheidet aus. Eine unangemessene Benachteiligung wegen einer Entkernung des Schutzgedankens der Betriebsschließungsversicherung liegt hierin nicht.

 

Verfahrensgang

LG Leipzig (Aktenzeichen 03 O 1810/20)

 

Tenor

I. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Landgerichts Leipzig vom 18.02.2021, Az.: 3 O 1810/20, wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

II. Das Urteil sowie das angefochtene Urteil sind vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung wegen der Kosten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

III. Die Revision wird zugelassen.

Beschluss:

Der Streitwert wird auf 173.426,66 EUR festgesetzt.

 

Gründe

I. Die Klägerin begehrt im Zusammenhang mit der Corona-Pandemie Versicherungsleistungen aus einer Betriebsschließungsversicherung für eine behauptete Betriebsschließung im Zeitraum vom 19.03. bis zum 14.05.2020 sowie ab 02.11.2020.

Die Klägerin hat bei der Beklagten für die von ihr betriebene Gaststätte "E..." in L... eine Betriebsversicherung "Profi-Schutz-Sachversicherung" mit Versicherungsbeginn zum 13.03.2020 (VersicherungsNr. 0000000000/00, Anlage K1) abgeschlossen. Der Versicherungsschutz umfasst eine Reihe von Risiken, darunter auch "Schäden durch Betriebsschließung (ZBSV08) beim Auftreten meldepflichtiger Infektionskrankheiten oder Krankheitserreger nach dem Infektionsschutzgesetz".

Der Versicherung liegen die "Zusatzbedingungen für die Versicherung von Betrieben gegen Schäden aufgrund behördlicher Anordnung nach dem Infektionsschutzgesetz (Betriebsschließung) - 2008 (ZBSV08)" (vgl. Anlage K2; im Folgenden: AVB) zugrunde. Diese enthalten und anderem folgende Regelungen:

"§ 2 Versicherte Gefahren

1. Versicherungsumfang

Der Versicherer leistet Entschädigung, wenn die zuständige Behörde aufgrund des Gesetzes zur Verhütung und Bekämpfung von Infektionskrankheiten beim Menschen (Infektionsschutzgesetz - IfSG) beim Auftreten meldepflichtiger Krankheiten oder Krankheitserreger (siehe Nr. 2)

a) den versicherten Betrieb oder eine versicherte Betriebsstätte zur Verhinderung der Verbreitung von meldepflichtigen Krankheiten oder Krankheitserregern beim Menschen schließt.

...

2. Meldepflichtige Krankheiten und Krankheitserreger

Meldepflichtige Krankheiten und Krankheitserreger im Sinne dieser Zusatzbedingungen sind die folgenden, im Infektionsschutzgesetz in den §§ 6 und 7 namentlich genannten Krankheiten und Krankheitserreger:

a) Krankheiten

...

(Anmerk.: es folgt eine Aufzählung von einzelnen Krankheiten)

b) Krankheitserreger

...

(Anmerk.: es folgt eine Aufzählung von einzelnen Krankheitserregern)

...

§ 4 Ausschlüsse

...

3. Krankheiten und Krankheitserreger

Der Versicherer haftet nicht bei Prionenerkrankungen oder dem Verdacht hierauf.

..."

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die AVB ergänzend Bezug genommen.

Die Klägerin hat der Beklagten den Versicherungsfall der Betriebsschließung mit Schreiben vom 23.03.2020 (Anlage K4) angezeigt. Mit Schreiben vom 06.05.2020 (Anlage K5) hat die Beklagte eine Einstandspflicht abgelehnt. Gleichzeitig hat sie der Klägerin ein Vergleichsangebot unterbreitet. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes wird auf das angefochtene Urteil ergänzend Bezug genommen.

Das Landgericht hat die Klage mit Urteil vom 18.02.2021 abgewiesen. Wegen der Einzelheiten der Begründung wird auf die Entscheidungsgründe des vorgenannten Urteils verwiesen.

Mit der von der Klägerin form- und fristgerecht eingelegten Berufung, zu deren Begründung sie ihre bereits geäußerten Rechtsansichten wiederholt und vertieft, verfolgt diese ihr erstinstanzliches Begehren in vollem Umfang weiter.

Die Klägerin beantragt,

unter Abänderung des Urteils des Landgerichts Leipzig vom 18.02.2021,

1. die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 173.426,66 nebst Zinsen i.H.v. 5 %-Punkten über dem Basiszinssatz aus einem Betrag i.H.v. 86.713,33 EUR seit dem 06.06.2020 sowie aus dem darüber hinausgehenden Betrag seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

2. die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin vorprozessuale Rechtsverfolgungskosten in Höhe von 1.863,40 EUR zuzüglich Zinsen i.H.v. 5 %-Punkten über dem Basiszinssatz zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagte verteidigt die angefochte...

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