Leitsatz (amtlich)

1. Ein Sachverständiger verwirkt seinen Entschädigungsanspruch, wenn sein Gutachten unverwertbar ist, weil bei dessen Ausarbeitung Dritte in einer Weise mitgewirkt haben, dass seine persönliche Verantwortung für das Gutachten nicht mehr gewährleistet ist, und der Sachverständige bei Übernahme des Auftrags erkennen konnte, dass er allein nicht über das zur vollständigen Erfüllung des Auftrags erforderliche Fachwissen verfügt.

2. Dies gilt nicht für solche Arbeiten, die das Gericht noch bei ihm in Auftrag gibt, obwohl es bereits hätte erkennen können, dass der Sachverständige die Ausarbeitung des Gutachtens in unzulässiger Weise Dritten überlassen hat.

 

Normenkette

ZSEG § 16; ZPO §§ 407a, 413

 

Verfahrensgang

LG Nürnberg-Fürth (Beschluss vom 13.03.2006; Aktenzeichen 4 O 1092/99)

 

Tenor

I. Auf die Beschwerde des Sachverständigen wird der Beschluss des LG Nürnberg-Fürth vom 13.3.2006 abgeändert.

Die Entschädigung des Sachverständigen Prof. Dr. M. wird auf 787,29 EUR festgesetzt.

II. Die weiter gehende Beschwerde des Sachverständigen wird zurückgewiesen.

 

Gründe

I. Die Parteien streiten im vorliegenden Verfahren darum, ob bei einer Operation der Klägerin am 29.4.1992 ärztliches Fehlverhalten dazu geführt hat, dass ein dabei eingesetztes Diathermiegerät schwere Hirnschädigungen ausgelöst hat.

Mit Beschl. v. 29.7.1999 kündigte das LG an, zunächst der Frage nachgehen zu wollen, ob es durch den Einsatz eines Diathermie-Chirurgiegerätes nicht nur zu äußerlich sichtbaren Verbrennungen am Kopf der Klägerin, sondern auch zu einer Schädigung der darunter liegenden Gehirnpartien kommen konnte. Mit der Gutachtenserstellung solle Prof. Dr. ... beauftragt werden. Diesem solle anheim gestellt werden, einen Sachverständigen aus dem Fachgebiet Neuropathologie oder Neuroradiologie zuzuziehen, soweit dies nötig werden sollte. Mit Beschl. v. 20.9.1999 erließ das LG einen entsprechenden Beweisbeschluss, ohne allerdings eine Aussage zur Einschaltung weiterer Sachverständiger neben Prof. Dr. ... zu treffen.

Das Anschreiben vom 22.10.1999, mit dem die Akten an den Sachverständigen gesandt wurden, beginnt mit folgendem Text: "Ich bin verpflichtet, sie auf folgendes hinzuweisen (§ 407a ZPO): Prüfen Sie bitte unverzüglich, ob der Antrag in ihr Fachgebiet fällt und ohne Hinzuziehung weiterer Sachverständiger erledigt werden kann. Ist das nicht der Fall, so verständigen Sie das Gericht unverzüglich. Die Weitergabe des Auftrages an einen anderen Sachverständigen ist nicht zulässig. Wenn Sie unter Ihrer Verantwortung für den Inhalt des Gutachtens sich eines Mitarbeiters bedienen, geben Sie dem Gericht dessen Namen und den umfang seiner Tätigkeit bekannt, falls es sich nicht um Hilfsdienste von untergeordneter Bedeutung handelt.

Am 11.12.2000 ging beim LG das angeforderte Gutachten ein. Dieses war nicht nur von dem beauftragten Sachverständigen Prof. Dr. ..., sondern auch von den Herren Dres. P., B. und Dipl.-Phys. ... unterzeichnet. Die Zuziehung dieser Personen war weder vorher mit dem Gericht abgestimmt noch enthielt das Gutachten selbst hierzu irgendeine Erklärung. Erst mit Schreiben vom 7.2.2001 teilte der Sachverständige mit, das Gutachten sei in Zusammenarbeit von vier Gutachtern erstellt worden, die über besondere

Kenntnisse verfügen. Herr Dr. BW habe speziell bei der Korrelierung von auffälligen Veränderungen in bildgebenden Verfahren mit morphologischen Schädigungsbildern am Gehirn große Erfahrungen. Herr Dipl.-Phys. Dr. S. und Herr Dr. P. hielten gemeinsam mit Prof. B. eine Spezialvorlesung "Patho-Biologie und Patho-Physiologie der Elektroschäden". Das Wissen und die praktische Erfahrung dieser hochspezialisierten Gutachter liege dem Gutachten zugrunde, von dessen Inhalt er sich persönlich überzeugt habe und das er voll inhaltlich mittrage.

Mit Schriftsatz vom 21.2.2001 rügte die Klägerin daraufhin, der Sachverständige habe gegen § 407a Abs. 2 ZPO verstoßen. Gleichwohl bat das LG den Sachverständigen mit Beschlüssen vom 26.4.2001 und 1.9.2003, zu den von der Klägerin gegen das Gutachten erhobenen inhaltlichen Einwendungen schriftlich Stellung zu nehmen, und hielt hieran trotz einer Vielzahl weiterer Interventionen seitens der Klägerin fest. Das daraufhin erarbeitete Ergänzungsgutachten ging am 2.11.2004 beim LG ein. Es war von denselben Gutachtern unterschrieben wie das Erstgutachten.

Zur Frage der Urheberschaft der Gutachten ergänzte der Sachverständige auf Bitten des Gerichts seine Auskünfte vom 7.2.2001 in einem weiteren Brief vom 27.11.2001 dahin, dass die drei von ihm hinzugezogenen Herren das Gutachten in mehreren Gesprächen vorbereitet und offene Fragen untereinander ausdiskutiert hätten. Er habe dann die forensischmedizinische Schlüssigkeit der zusammengeführten Teilaspekte kontrolliert und abschließend beurteilt.

Als das LG mit Beschl. v. 2.3.2005 Termin zur Anhörung des Sachverständigen anberaumte, teilte dieser schließlich mit Schreiben vom 23.6.2005 mit, dass "von einer eigenverantwortlichen Gesamtbegutachtung" durch ...

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