Leitsatz (amtlich)

1. Die Pflicht eines Gerichtsgutachters zur unverzüglichen Anzeige seiner Vorbefassung entfällt nur dann, wenn sich aus dem Beweisbeschluss selbst oder jedenfalls aus den aktenkundigen Erklärungen der Parteien eindeutig ergibt, dass die Vorbefassung bereits bekannt ist und dieser Umstand gleichwohl von der hiervon "betroffenen" Partei offensichtlich nicht als ein der Beauftragung entgegenstehendes Hindernis angesehen wird.

2. Ohne solche eindeutigen Hinweise auf eine Vorkenntnis der betroffenen Partei und ihr gleichwohl vorliegendes (mutmaßliches) Einverständnis mit seiner Bestellung handelt ein Sachverständiger grob pflichtwidrig, wenn er sich zu seiner Vorbefassung ausschweigt, also noch nicht einmal den Versuch einer dahingehenden Rücksprache mit dem Prozessgericht unternimmt.

 

Normenkette

JVEG §§ 4, 8a; ZPO § 407a Abs. 1-2

 

Verfahrensgang

LG Coburg (Beschluss vom 19.05.2020; Aktenzeichen 25 O 319/17)

 

Tenor

Die Beschwerde des Sachverständigen gegen den Beschluss des Landgerichts Coburg vom 19.05.2020, Az. 25 O 319/17, wird zurückgewiesen.

 

Gründe

I. Die Beschwerde des Sachverständigen wendet sich gegen einen Beschluss des Erstgerichts, Landgericht Coburg - Zivilkammer -, vom 19.05.2020, durch welchen dem Sachverständigen der Vergütungsanspruch für ein von ihm erstattetes Gutachten versagt wird.

Dem Beschluss liegt zu Grunde, dass der mit Beschluss des Erstgerichts vom 05.11.2018 mit der Gutachtenserstellung beauftragte Sachverständige entsprechend des vorangegangenen Beweisbeschlusses vom 30.08.2018 ein fachärztliches Gutachten über den Gesundheitszustand der Klägerin erstattet hat, obgleich er diese zuvor, noch vor Beginn der gerichtlichen Auseinandersetzung, als Patientin behandelt hatte.

Eine diesbezügliche Anzeige oder Mitteilung gegenüber dem Gericht hatte der Sachverständige nicht unternommen, weil er nach einer diesbezüglich nach Gutachtenserstattung abgegebenen Stellungnahme davon ausgegangen war, dass es durch die bereits zur Gerichtsakte gelangten Dokumente hinreichend ersichtlich gewesen sei, dass die Klägerin als Patientin von ihm behandelt worden war.

Tatsächlich findet sich in einem klägerseitig vorgelegten Gutachten für eine Versicherungsgesellschaft in der Aufzählung der dem Gutachten zugrundeliegenden Dokumente unter anderem auch eine CD mit Röntgenbildern, welche von derjenigen Einrichtung erstellt worden ist, an welcher der Sachverständige - neben zahlreichen weiteren Medizinern - tätig ist. Weiterhin findet sich im klägerseitig vorgelegten vorgerichtlichen Gutachten bei der Schilderung der Anamnese noch die Ausführung, dass sich die Klägerin als Patientin in X. bei einem Arzt mit dem Familiennamen des Sachverständigen vorgestellt habe.

Mit rechtskräftig gewordenem Beschluss vom 10.07.2019 hat das Erstgericht dem Antrag der Beklagtenseite auf Ablehnung des Sachverständigen wegen Besorgnis der Befangenheit entsprochen.

Das Erstgericht hat seine nachfolgende und ausschließlich insoweit beschwerdeverfahrensgegenständliche Entscheidung über den Verlust des Vergütungsanspruchs des Sachverständigen mit dessen Verletzung der gesetzlichen Verpflichtung begründet, nach Erhalt des Gutachtenauftrags und der zugehörigen Gerichtsakten unverzüglich zu prüfen, ob Gründe vorliegen, die geeignet sein können, Misstrauen gegen seine Unparteilichkeit zu rechtfertigen und diese sodann unverzüglich dem Gericht gegenüber mitzuteilen; das erstattete Gutachten sei deshalb auch unverwertbar. Hierzu hätte in jedem Fall Veranlassung bestehen müssen, und zwar trotz des zur Akte gelangten Gutachtens, in dem an einer einzigen Stelle überhaupt der Familienname des Sachverständigen mit dem Zusatz "Dr. med". angeführt wird, während der Sachverständige mittlerweile den Titel Privatdozent bzw. dessen Abkürzung "PD" führe. Dies schon allein deshalb, weil der Familienname des Sachverständigen eher dem regionalen Sprach- und Namensraum zuzuordnen sei und dieser keineswegs so selten erscheine, als dass dieser nicht auch mehrfach im regionalen Umgriff vorkommen könnte. Die andernorts im Gutachten benannte medizinische Einrichtung, bei welcher vorgerichtlich - unter anderem - Röntgenbilder der Klägerin als vormalige Patientin angefertigt worden seien, habe ihrerseits keinerlei Rückschlüsse auf eine Vorbefassung des Sachverständigen in Person oder auch nur der medizinischen Einrichtung, bei welcher der Sachverständige im Zeitpunkt seiner Auswahl tätig gewesen sei, zugelassen.

Der anwaltlich beratene und vertretene Sachverständige wendet gegen den ihm übersandten Beschluss im Zuge seiner Beschwerde vom 09.06.2020, eingegangen am 09.06.2020, ausweislich deren Begründung im Schriftsatz vom 30.06.2020 im Kern ein, dass er davon ausgegangen sei und seiner Ansicht nach berechtigterweise auch davon habe ausgehen dürfen, dass das Gericht wie auch die übrigen Verfahrensbeteiligten seine Vortätigkeit im Zusammenhang mit der Untersuchung der Klägerin bekannt gewesen sei und entsprechend für ihn keine Veranlassung mehr zu einer eige...

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Deutsches Anwalt Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge