Entscheidungsstichwort (Thema)

Verfassungsmäßigkeit des § 1612b Abs. 5 BGB

 

Leitsatz (amtlich)

Die Regelung des § 1612b Abs. 5 BGB, wonach eine Anrechnung des Kindergeldes unterbleibt, soweit der Unterhaltspflichtige außer Stande ist, Unterhalt in Höhe von 135 % des Regelbetrages nach der Regelbetrag-VO zu leisten, ist verfassungsgemäß.

 

Normenkette

BGB § 1612b Abs. 5; GG Art. 2 Abs. 1, Art. 3 Abs. 1, Art. 6 Abs. 1, Art. Abs. 2 S. 1

 

Verfahrensgang

AG Erlangen (Aktenzeichen 54 FH 51/01)

 

Tenor

1. Die Beschwerde des Antragsgegners gegen den Beschluss des AG – FamG – Erlangen vom 20.7.2001 wird zurückgewiesen.

2. Der Antragsgegner hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.

3. Der Beschwerdewert wird auf 1.620 DM festgesetzt.

 

Gründe

I. Der Antragsgegner wurde mit Beschluss des AG Nürnberg vom 30.11.1999 verpflichtet, an den Antragsteller ab 1.7.1999 100 % des Regelbetrages der 2. Altersstufe gem. § 1 Regelbetrag-VO abzgl. des hälftigen Kindergeldes für ein erstes Kind, ab dem 1.6.2004 100 % des Regelbetrages der 3. Altersstufe gem. § 1 Regelbetrag-VO abzgl. des hälftigen Kindergeldbetrages für ein erstes Kind zu zahlen.

Das AG Erlangen hat am 20.7.2001 im vereinfachten Abänderungsverfahren den Beschluss des AG Nürnberg dahin abgeändert, dass ab 1.1.2001 das Kindergeld in der Höhe nicht angerechnet wird, in welcher der titulierte Unterhalt 135 % des jeweiligen Regelbetrages unterschreitet.

Gegen diesen ihm am 26.7.2001 zugestellten Beschluss hat der Antragsgegner am 7.8.2001 Beschwerde eingelegt, mit dem Ziel, den Beschluss des AG Erlangen aufzuheben. Er macht geltend, die Nichtanrechnung des Kindergeldes sei verfassungswidrig.

Das durch das Landratsamt E. als Beistand vertretene Kind verteidigt den angefochtenen Beschluss und beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.

II. Das nach § 655 Abs. 5 S. 1 ZPO als sofortige Beschwerde statthafte Rechtsmittel des Antragsgegners ist gem. §§ 569, 577 ZPO zulässig, aber nicht begründet.

Zutreffend hat die für die Abänderung von Unterhaltstiteln im vereinfachten Verfahren zuständige Rechtspflegerin (§ 20 Nr. 10b RpflG, § 2 Unterhaltsanpassungsgesetz i.V.m. § 655 ZPO) den Beschluss des AG Nürnberg dahin abgeändert, dass auf den Unterhalt Kindergeld nicht angerechnet wird, weil der vom Antragsgegner zu zahlende Unterhaltsbetrag für sein minderjähriges Kind weniger als 135 % des jeweiligen Regelbetrages nach § 1 der Regelbetrag-VO beträgt (§ 1612b Abs. 5 BGB).

Auf den Beschluss wird zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug genommen.

Die Entscheidung des AG ist nicht deshalb unrichtig, weil es mit § 1612b Abs. 5 BGB eine verfassungswidrige Norm angewandt hat, wie der Antragsgegner meint. Der Senat hält die Bestimmung für verfassungsgemäß.

Nach § 1612b Abs. 5 BGB hat der Antragsgegner als Barunterhaltspflichtiger den ihm nach § 1612b Abs. 2 BGB zur Hälfte zustehenden Anteil am Kindergeld für den Unterhalt seines minderjährigen Kindes einzusetzen, wenn er außer Stande ist, Unterhalt i.H.v. 135 % des Regelbetrages nach § 1 der Regelbetrag-VO zu zahlen. Der Grund für diese Regelung liegt darin, dass der Barunterhaltspflichtige für den für die Existenz des Kindes erforderlichen Barbetrag, der etwa 135 % des Regelbetrages entspricht, aufkommen soll.

Im Grunde ist die gesetzliche Regelung nur insoweit neu als sie die Messlatte, ab welcher der Mindestbedarf eines minderjährigen Kindes als gesichert gilt, auf 135 % des Regelbetrages festlegt. Soweit das Gesetz hierfür dem Barunterhaltspflichtigen den Einsatz seines Anteils am Kindergeld zumutet, normiert es nur die herrschende Rechtsprechung. Danach hatte der Unterhaltsschuldner im Mangelfall entspr. § 1603 Abs. 2 S. 1, 2 BGB auch seinen Kindergeldanteil zur Sicherung des Barunterhaltes des minderjährigen Kindes einzusetzen.

Kindergeld ist wegen seiner Zweckbestimmung, den Unterhaltsschuldner zu entlasten, kein Einkommen, das bei der Festlegung des Barbedarfes des Kindes herangezogen werden kann (BGH v. 16.4.1997 – XII ZR 233/95, MDR 1997, 842 = NJW 1997, 1919 [1921 ff.]). Bei der Frage der Leistungsfähigkeit des Schuldners ist es aber zu berücksichtigen (BGH v. 16.4.1997 – XII ZR 233/95, MDR 1997, 842 = NJW 1997, 1919 [1923]).

Ein Gesetz, das den Zielkonflikt, Sicherung des Existenzminimums des Kindes einerseits und Entlastung des Unterhaltspflichtigen andererseits, zugunsten des Existenzminimums des Kindes entscheidet, erscheint sachgerecht und berührt den Antragsgegner nicht in seinen verfassungsmäßigen Rechten nach Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 20 Abs. 1 GG.

Etwas anderes würde gelten, wenn der Unterhaltspflichtige den Kindergeldanteil für sein Existenzminimum braucht. Denn eine Regelung die das Existenzrecht einer Person in Frage stellen würde, wäre verfassungswidrig. Zu dieser Situation führt aber § 1612b Abs. 5 BGB nicht.

Das Existenzminimum wird dem Unterhaltsschuldner im Unterhaltsrecht durch den notwendigen Selbstbehalt belassen, der derzeit nach den Bayerischen Leitlinien bei 1.640 DM beim Erwerbstätigen und bei 1.425 DM beim Nic...

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