Leitsatz (amtlich)

Ist einer Partei vor der Streitwertfestsetzung im Urteil kein rechtliches Gehör gewährt worden, so kann sie dies und dass die ihrer Ansicht nach richtige Streitwertfestsetzung Auswirkungen auf die Kostengrundentscheidung hat, mit der Anhörungsrüge geltend machen. Da die Kostengrundentscheidung nicht nach § 319 ZPO berichtigt werden kann, steht der Partei ein anderer Rechtsbehelf nicht zur Verfügung.

 

Verfahrensgang

LG Halle (Saale) (Urteil vom 19.07.2013; Aktenzeichen 6 O 681/11)

 

Tenor

1. Das Verfahren wird wieder aufgenommen und fortgeführt.

2. Die Kostenentscheidung in dem am 30.1.2014 verkündeten Urteil des Senats wird neu gefasst:

Die Kosten der ersten Instanz einschließlich der Kosten des selbständigen Beweisverfahrens - LG Halle (3 OH 10/09) - tragen die Klägerin zu 40 % und die Beklagte zu 60 %. Die Kosten der Nebenintervention tragen die Klägerin zu 40 %, im Übrigen trägt die Streithelferin ihre Kosten selbst. Die Kosten des Berufungsverfahrens tragen die Klägerin zu 69 % und die Beklagte zu 31 %. Die Kosten der Streithilfe trägt die Klägerin zu 69 %; im Übrigen trägt die Streithelferin ihre Kosten selbst.

und beschlossen:

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird in Abänderung des Streitwertbeschlusses in dem am 30.1.2014 verkündeten Urteil auf die Gebührenstufe bis 170.000,- Euro für die Zeit bis zum 20.9.2013 und auf die Gebührenstufe bis 80.000,- Euro für die Zeit danach festgesetzt (§ 63 Abs. 3 GKG).

 

Gründe

I. Mit dem am 19.7.2013 verkündetem Urteil hat das LG Halle die Beklagte verurteilt an die Klägerin 103.361,37 EUR nebst Zinsen zu zahlen und die Klage im Übrigen abgewiesen. Gegen dieses Urteil haben beide Parteien Berufung eingelegt. Die Beklagte hat ihre Berufung mit Schriftsatz vom 18.9.2013 vor Terminierung und ohne Antragstellung zurückgenommen (Bl. 148 II). Die Klägerin hat (neben weiteren Zinsen auf den Betrag von 103.361,37 EUR) beantragt, die Beklagte zur Zahlung von weiteren 56.000,- Euro zu verurteilen. Mit seinem am 30.1.2014 verkündeten Urteil hat der Senat die Berufung der Klägerin bis auf einen Teil der geltend gemachten Zinsforderung zurückgewiesen. Die Kostenentscheidung lautet:

Die Kosten der ersten Instanz einschließlich der Kosten des selbständigen Beweisverfahrens LG Halle (6 OH 5/11) tragen die Klägerin zu 40 % und die Beklagte zu 60 %. Die Kosten der Nebenintervention tragen die Klägerin zu 40 % und die Beklagte zu 60 %. Die Kosten des Berufungsverfahrens tragen die Klägerin zu 34 % und die Beklagte zu 66 %. Die Kosten der Streithilfe trägt die Klägerin zu 34 %; im Übrigen trägt die Streithelferin ihre Kosten selbst.

Mit dem Urteil hat der Senat mit Beschluss den Streitwert für das Berufungsverfahren einheitlich auf die Gebührenstufe bis 170.000,- Euro festgesetzt. Das Urteil wurde der Beklagten am 7.2.2014 zugestellt. Mit Schriftsatz vom 7.2.2014 hat die Beklagte einen Berichtigungsantrag hinsichtlich des Tenors gestellt (betreffend die Kosten der Streithilfe erster Instanz und hat weiter mit dem am 14.2.2014 beim OLG eingegangenen Schriftsatz eine Gehörsrüge erhoben.

Sie begründet die Gehörsrüge damit, dass sie vor der (endgültigen) Festsetzung des Streitwertes nicht gehört worden sei. Wäre sie gehört worden, hätte sie klargestellt, dass der Streitwert nur bis zur Rücknahme ihrer Berufung auf die Gebührenstufe bis 170.000,- Euro festgesetzt werden konnte, für die Zeit danach nur noch auf den Betrag entsprechend dem Berufungsantrag der Klägerin. Bei richtiger Streitwertfestsetzung hätte dies zu ihren Gunsten Auswirkungen auf die Kostengrundentscheidung für das Berufungsverfahren.

Der Klägerin wurde rechtliches Gehör gewährt. Mit Beschluss vom 22.5.2014 hat der Senat mit Zustimmung der Parteien das schriftliche Verfahren angeordnet.

II. Es ist festzustellen, dass das Verfahren wieder aufgenommen und fortgeführt wird (§ 321a Abs. 5 ZPO).

Die Gehörsrüge ist zulässig und begründet. Der BGH (Beschl. v. 30.7.2008 - II ZB 40/07 - [FamRZ 2008, 1925 f.]) hat entschieden, dass die Kostengrundentscheidung nicht gem. § 319 ZPO berichtigt werden kann, so dass der Beklagten ein anderweitiger Rechtsbehelf i.S.v. § 321a Abs. 1 Nr. 1 ZPO nicht zur Verfügung steht.

Es liegt ein Verstoß gegen das Recht der Klägerin auf rechtliches Gehör vor, weil ihr keine Gelegenheit zur Stellungnahme vor der endgültigen Festsetzung des Streitwertes für das Berufungsverfahren gegeben wurde. Die endgültige Wertfestsetzung erfolgt grundsätzlich nach Anhörung der Parteien (Hartmann, Kostengesetze, 44. Aufl., GKG, § 63 Rz. 24 m.w.N.).

Die Beklagte rügt zutreffend, dass der Streitwert für das Berufungsverfahren nur bis zur Rücknahme ihrer Berufung auf die Gebührenstufe bis 170.000,- festgesetzt werden konnte. Für die Zeit danach war der Streitwert begrenzt auf den Berufungsantrag der Klägerin (Gebührenstufe bis 80.000,-). Wie die Kostenquote zu ermitteln ist, wenn vor einer abschließenden Entscheidung eine Berufung zurückgenommen wird, ist im Gesetz nicht geregelt. Der Senat folgt im Grundsatz de...

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