Verfahrensgang

LG Magdeburg (Urteil vom 24.07.1996; Aktenzeichen 8 O 1325/95)

 

Tenor

Die Berufung der Beklagten gegen das am 24.07.1996 verkündete Urteil der 8. Zivilkammer des Landgerichts Magdeburg wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Beschwer der Beklagten übersteigt 60.000,– DM nicht.

 

Tatbestand

Von der Darstellung des Tatbestandes wird gemäß § 543 Abs. 1 ZPO abgesehen.

 

Entscheidungsgründe

Die Berufung hat keinen Erfolg.

Die Beklagte ist unter dem Gesichtspunkt des enteignenden Eingriffs verpflichtet, an den Kläger für die teilweise Vernichtung des Winterweizens durch Vogelfraß im Dezember 1991 eine Entschädigung in Höhe von insgesamt 17.882,50 DM zu leisten. Die erstinstanzliche Entscheidung des Landgerichts hält auch den Berufungsangriffen stand. Sie berücksichtigt insbesondere die Grundsätze, die der BGH für einen vergleichbaren Fall in seinem Urteil vom 13.12.1979 entwickelt hat (BGH NJW 1980, 770 f.; vgl. auch NVwZ 1986, 106 ff.). Der Senat macht sich deshalb die Ausführungen in dem angefochtenen Urteil in vollem Umfange zu eigen.

Zu der Berufungsbegründung ist ergänzend folgendes anzumerken:

Eine Entschädigung wegen enteignenden Eingriffs setzt unter anderem voraus, daß die hoheitliche Maßnahme unmittelbare Auswirkungen auf eine durch Art. 14 Abs. 1 GG geschützte Rechtsposition – hier: den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb des Klägers – hat. Es muß sich also eine besondere Gefahr verwirklichen, die bereits in der hoheitlichen Maßnahme selbst angelegt ist, so daß sich der im konkreten Fall eintretende Nachteil aus der Eigenart dieser Maßnahme ergibt (st. Rspr. etwa BGH NJW 1987, 2573, 2574; BGHZ 60, 301, 310 f.; 55, 229, 232 f.; 28, 310, 313). Im vorliegenden Fall hat die Beklagte durch die Ablagerung erheblicher Mengen von Hausmüll auf ihrer Deponie große Scharen nahrungssuchender Möwen und Krähen angelockt, die ihre Futtersuche zwangsläufig auf die benachbarten Äcker des Klägers ausdehnten und dort Schäden an der jungen Wintersaat anrichteten. Demnach hat sich im Winter 1991/92 lediglich eine von der Deponie stets ausgehende typische Gefahr für die junge Saat verwirklicht (vgl. BGH NJW 1980, 770). Daß hier noch weitere Faktoren hinzugetreten sind, die das massenhafte Auftreten der Krähen und Möwen begünstigt haben – etwa die späte Bestellung des Feldes durch den Kläger –, vermag demgegenüber an der Beurteilung der Unmittelbarkeit nichts zu ändern. Denn ungeachtet dieser zusätzlichen Einflüsse hat es sich – auch – um eine Folge des verstärkten Auftretens der Vögel und damit um eine Verwirklichung der von der Deponie ausgehenden Gefahr gehandelt.

Allerdings ist bei der Bemessung der Entschädigung nach § 287 ZPO zu berücksichtigen, daß der Betroffene nur für den Teil der Beeinträchtigungen, der die Opfergrenze übersteigt, eine Entschädigung erhält (s. BGH NJW 1980, 770, 771). In diesem Zusammenhang kommt auch dem Umstand Bedeutung zu, daß der Kläger auf der Feldfläche erst vergleichsweise spät – Ende November/Anfang Dezember 1991 – den Winterweizen ausgesät und dadurch eine Konzentration der Vögel auf diese Aussaat herbeigeführt hat. Doch hat das Landgericht diesem Gesichtspunkt in seiner Entscheidung vom 24.07.1996 ebenfalls Rechnung getragen und den Erstattungsanspruch des Klägers wegen dessen überwiegenden Mitverschuldens auf 1/3 des entstandenen Schadens beschränkt. Das ist nicht zu beanstanden. Gleichwohl bedeutete der Befall mit Krähen und Möwen für den Kläger aber nach wie vor ein Sonderopfer. Denn die Bestellung des Ackers mit Winterweizen entsprach – auch in zeitlicher Hinsicht – unstreitig den Regeln einer ordnungsgemäßen Bewirtschaftung, und die Beklagte hat auch nicht – jedenfalls nicht substantiiert – vorgetragen, daß das Vorgehen des Klägers etwa völlig unüblich gewesen wäre (zu einem gegenteiligen Fall vgl. BGH NVwZ 1988, 1066, 1068). Die übermäßige Beeinträchtigung der nicht unüblichen Ackernutzung führt aber zu einer (anteiligen) Entschädigung, wie sie das Landgericht dem Kläger zugesprochen hat.

Schließlich ist es auch als gerichtsbekannt, daß die von der Beklagten vorgeschlagenen Maßnahmen – das Aufstellen von Feldwächtern oder die Abgabe von Böllerschüssen – nicht zu einer dauerhaften Abschreckung der Vögel geführt hätte. Vielmehr hätten sie sich nach kurzer Zeit an die zunächst ungewohnten Erscheinungen gewöhnt, so daß der Verlust an gerade eingebrachtem Saatgut nur unwesentlich geringer ausgefallen wäre.

Die Entscheidung über die Kosten des Berufungsverfahrens beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO, diejenige über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.

 

Unterschriften

gez. Zink, gez. Lohmann, gez. Dr. Engel

 

Fundstellen

Haufe-Index 1516351

OLGR-NBL 1998, 17

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