Leitsatz (amtlich)

Zur ärztlichen Feststellung der Invalidität und zur Hinweispflicht des Versicherers.

Jedenfalls nach Ablauf der in den Allgemeinen Versicherungsbedingungen vereinbarten Invaliditätseintrittsfrist kann der eine Invaliditätsleistung beanspruchende Versicherungsnehmer keine zulässige Feststellungsklage mehr erheben.

 

Verfahrensgang

LG Halle (Saale) (Urteil vom 04.02.2021; Aktenzeichen 5 O 29/20)

 

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das am 4. Februar 2021 verkündete Urteil des Landgerichts Halle wird zurückgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten seines Rechtsmittels.

Dieses und das angefochtene Urteil des Landgerichts sind ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120% des auf Grund der Urteile vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 120% des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

und beschlossen:

Der Streitwert für den Berufungsrechtszug wird auf 144.000,00 EUR festgesetzt.

 

Gründe

I. Der Kläger unterhält bei der Beklagten u.a. eine private Unfallversicherung (Partner-Unfallversicherung mit Vorsorgeschutz-PremiumSchutz-). Mitversicherte Person ist die Ehefrau des Klägers, Frau Dr. P. S. . Vereinbart ist insoweit u.a. eine Invaliditätsleistung von 120.000,00 EUR, bei Vollinvalidität unter Berücksichtigung der sog. Progression 300 von 360.000,00 EUR. Zu den vertraglichen Grundlagen zählen vor allem die Allgemeinen Unfallversicherungs-Bedingungen (AUB 2012) Stand 06/2012, die Besonderen Bedingungen für die Unfallversicherung mit progressiver Invaliditätsstaffel 300 (BB Progression 2012 - 300 Prozent) und die Besonderen Bedingungen für die Produktlinie Premium (BB Premium 2012). Wegen der weiteren Einzelheiten des Versicherungsvertrages wird auf den Versicherungsschein PK ... vom 18.08.2015 (K1-I/11-13) und die Versicherungsbedingungen (K12-I/43-70) verwiesen.

Am 05.10.2017 (acht Monate nach dem behaupteten Unfall) schrieb die Beklagte unter der Schadensnummer ... im Hinblick auf den Schadenstag 10.02.2017 und die verletzte Person Dr. P. S. an den Kläger (K2-I/14-15):

"... wir haben von dem Unfall erfahren und kümmern uns jetzt um Ihr Anliegen.

Wenn Sie eine Invaliditätsleistung beanspruchen, beachten Sie bitte die folgenden vertraglich vereinbarten Voraussetzungen:

Die Invalidität muss innerhalb von einundzwanzig Monaten nach dem Unfall

  • eingetreten,
  • von einem Arzt schriftlich festgestellt und
  • von Ihnen bei uns geltend gemacht sein.

Wir weisen ausdrücklich darauf hin, dass nach Ablauf dieser Frist ein Anspruch auf die Invaliditätsleistung nicht mehr besteht.

Zur Vervollständigung unserer Unterlagen wollen Sie uns bitte die beigefügte Schadensanzeige vollständig ausgefüllt und von Ihnen sowie ggf. von der verletzten Person unterschrieben zurücksenden.

Wir bitten Sie, beiliegenden Erklärungsentwurf über die Entbindung von der ärztlichen Schweigepflicht von der verletzten Person unterzeichnet an uns zurückzusenden...".

Der Kläger füllte das übersandte Formular "Unfall-Schadensanzeige" aus (K3-I/16-17) und übersandte es am 10.10.2017 an die Beklagte. Zur Schilderung des Unfallhergangs verwies er auf einen beigefügten Mailverkehr. Er gab an, dass es zu einer Kopfverletzung mit Nervenschädigung gekommen und eine Invalidität noch unklar sei. Als erstbehandelnde Ärztin wurde die Hausärztin K. B. angegeben. Weiterbehandelnde Ärzte seien ein Orthopäde, ein Internist, eine Augenärztin und ein Zahnarzt. Hinzu käme seit Mai 2017 die Neurologin Dr. W. . Die "Einwilligung und Schweigepflichtentbindung für die Abfrage von Gesundheitsdaten bei Dritten zur Prüfung der Leistungspflicht und für die Datenweitergabe zur medizinischen Beurteilung und an Assistancedienstleister" (I/18-20) reichte der Kläger mit Schreiben vom 17.10.2017 nach.

Am 05.10.2018 wandte sich der Kläger an die Beklagte. Er verwies auf die nunmehr 20 Monate andauernde Arbeitsunfähigkeit seiner Ehefrau. Es werde von einer dauernden Beeinträchtigung ausgegangen. Die Beklagte wurde gefragt, wie die ärztliche Stellungnahme erfolgen müsse und ob es hierfür Vordrucke der Beklagten gäbe. Die Beklagte schrieb dem Kläger daraufhin am 15. Oktober 2018 unter der obigen Schadensnummer (K5-I/21):

"... Ihre Geltendmachung einer Invalidität haben wir vorgemerkt.

Zum Nachweis der unfallbedingten Invalidität erhalten Sie in der Anlage einen entsprechenden Vordruck. Bitte senden Sie uns diesen von fachärztlicher (nicht hausärztlicher) Seite ausgefüllt zurück.

Bitte beachten Sie, dass eine eventuelle unfallbedingte Invalidität bis zum 10.12.2018 durch ein ärztliches Attest festgestellt sein muss.

Wir machen ausdrücklich darauf aufmerksam, dass nach Ablauf dieser Frist ein Anspruch auf die Invaliditätsleistung nicht mehr besteht.

Wie telefonisch besprochen, haben wir die Invaliditätsfrist um einen Monat, bis zum 10.12.2018 verlängert. ...".

Die Neurologin Dr. W. füllte die "Ärztliche Bescheinigung zur Vorlage beim privaten Unfallversicherer"...

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