Leitsatz (amtlich)

1. Wird bereits vor der Hauptverhandlung thematisiert, ob die Messenanlage der Gebrauchsanweisung entsprechend aufgestellt und ausgerichtet gewesen ist, gebietet es die Amtsaufklärungspflicht dem Tatgericht den Messbeamten zu befragen, ob er die abstrakten Vorgaben der Bedienungsanleitung des Herstellers beachtet und umgesetzt hat.

2. Im Hinblick auf das im 3. Nachtrag zur innerstaatlichen Bauartzulassung vom 05. 12. 2006 zum Geschwindigkeitsübewachungsgerät ES 3.0 in Bezug genommene Merkblatt eso ES3.0 Vers. 1001 des Herstellers und die dort angesprochenen möglichen Messfehler muss der Tatrichter Feststellungen dazu treffen haben, ob bei dem angewendeten Messverfahren auf andere Weise, ggf. durch einen aufmerksamen Messbetrieb, sichergestellt war, dass nur ein Fahrzeug in Frage kommt, dem der Geschwindigkeitsmesswert zuzuordnen ist

 

Verfahrensgang

AG Zerbst (Entscheidung vom 13.04.2010; Aktenzeichen 8 OWI 393 Js 2040/10 (164/10))

 

Tenor

  • 1.

    Auf die Rechtsbeschwerde des Betroffenen wird das Urteil des Amtsgerichts Zerbst vom 13. April 2010 (8 OWI 393 Js 2040/10 (164/10)) aufgehoben.

  • 2.

    Die weiter gehende Rechtsbeschwerde des Betroffenen wird als unbegründet verworfen.

  • 3.

    Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an die bisher zuständige Abteilung des Amtsgerichts Zerbst zurückverwiesen.

 

Gründe

I.

Das Amtsgericht hat den Betroffenen wegen fahrlässigen Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit zu einer Geldbuße von 160,00 Euro und einem einmonatigen Fahrverbot verurteilt.

Dagegen wendet sich der Betroffene mit der Rechtsbeschwerde, mit der er die Verletzung materiellen Rechts rügt.

II.

Das Rechtsmittel hat mit der Sachrüge in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang Erfolg, ist jedoch im Übrigen unbegründet.

Die dem Schuldspruch zugrunde liegende Beweiswürdigung hält rechtlicher Prüfung nicht stand. Eine Beweiswürdigung muss auch im Bußgeldverfahren so beschaffen sein, dass sie dem Rechtsbeschwerdegericht die gebotene rechtliche Überprüfung ermöglicht. Im vorliegenden Fall hat sich der Tatrichter darauf beschränkt, die bei den Akten befindlichen Urkunden, insbesondere das Messprotokoll und den Eichschein, und die dem Beweise zugänglichen Augenscheinsobjekte auszuwerten und die seitens des Gerichts gezogenen Schlüsse darzustellen. Das Gericht knüpft mithin an die abstrakten Vorgaben einer ordnungsgemäßen Messung an und geht quasi selbstverständlich von einer ordnungsgemäßen Einzelmessung am 25. August 2009 um 9.23 Uhr aus, ohne indes den mit der konkreten Messung betrauten Beamten zu befragen, ob er die abstrakten Vorgaben beachtet und umgesetzt hat. Der Einvernahme des Messbeamten hätte es allerdings allein deshalb bedurft, weil der Verteidiger des Betroffenen bereits vor der Hauptverhandlung unter anderem thematisiert hat, ob die Messanlage der Gebrauchsanweisung entsprechend aufgestellt und ausgerichtet gewesen ist. Der Tatrichter hat sich mithin nicht sämtlicher erforderlichen Beweismittel bedient. Als weitere Folge blieb ihm die gebotene Beweiswürdigung verwehrt.

Das auf dem sachlich-rechtlichen Fehler beruhende Urteil ist deshalb aufzuheben und die Sache ist zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsbeschwerde, an die Vorinstanz zurückzuverweisen.

Soweit der Betroffene Freispruch beantragt hat, ist die Rechtsbeschwerde auf Antrag der Generalstaatsanwaltschaft gemäß §§ 79 Abs. 3 S. 1 OWiG, 349 Abs. 2 StPO als unbegründet zu verwerfen.

Die Sache einer anderen als der bisher zuständigen Abteilung des Amtsgerichts zu übertragen, § 79 Abs. 6 OWiG, besteht kein Anlass.

Für das weitere Verfahren weist der Senat auf Folgendes hin:

Das im 3. Nachtrag zur innerstaatlichen Bauartzulassung vom 05. Dezember 2006 (Geschwindigkeitsübewachungsgerät ES 3.0) in Bezug genommene Merkblatt eso ES3.0 Vers. 1001 des Herstellers sieht vor dem Hintergrund einer vereinzelt aufgetretenen unzulässigen Abweichung der Abstandsmessung zwischen Sensorkopf zum gemessenen Fahrzeug Auswerterichtlinien zur sicheren Zuordnung des Messwertes zum gemessenen Fahrzeug bei Verwendung eines Geschwindigkeitsmessgerätes vom Typ E53.0 mit der Softwareversion bis einschließlich 1.001 vor. Nach Ziff. 1 der Auswerterichtlinien darf ein Messfoto ausgewertet werden, wenn alle Fahrbahnteile, auf denen Messungen entstehen können, auf den Messfotos abgebildet sind und nur ein Fahrzeug auf dem Foto eindeutig mit der Vorderfront an der Fotolinie steht. Hierbei ist unter dem Begriff "alle Fahrbahnteile, auf denen Messungen entstehen können" nicht allein der am Geschwindigkeitsmessgerät vor der Messung eingestellte Messbereich auf der Fahrbahn zu verstehen, da der bei der Messung neben der Geschwindigkeit des gemessenen Objekts auch ermittelte Abstandsmesswert bei Verwendung der Softwareversion 1.001 eben nicht der Zuordnung des Messwertes zu einem Fahrzeug zugrunde gelegt werden kann. Dies hat zur Folge, dass das geräteintern auf dem gemessenen Abstandswert basierend...

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