Entscheidungsstichwort (Thema)

Rettungsdienst Harz

 

Leitsatz (amtlich)

1. Die Einbeziehung eines Dritten in die Erfüllung der Aufgabe des bodengebundenen Rettungsdienstes durch den Aufgabenträger beruht nach dem RettDG LSA 2006 auf einem öffentlich-rechtlichen Vertrag, der auch konkludent zustande kommen kann. Mit der Verlängerung einer Genehmigung nach § 11 RettDG LSA 2006 ist regelmäßig konkludent das Angebot verbunden, einen Auftrag zu den Konditionen des gesetzlich geregelten Beteiligtenmodells und im Rahmen der Genehmigung zu erteilen.

2. Ein Vertrag über die Erbringung von Leistungen des bodengebundenen Rettungsdienstes durch Dritte nach dem im RettDG LSA 2006 geregelten Beteiligungsmodell ist keine Dienstleistungskonzession.

3. Für die Antragsbefugnis in einem Nachprüfungsverfahren, welches die Feststellung der Unwirksamkeit von öffentlichen Aufträgen nach § 101b GWB zum Gegenstand hat, ist es ausreichend, dass dem Antragsteller durch die beanstandete Direktvergabe die Chance zur Beteiligung an einer Ausschreibung genommen wird.

4. Für ein Nachprüfungsverfahren, welches die Feststellung der Unwirksamkeit eines oder mehrerer öffentlicher Aufträge nach § 101b GWB zum Gegenstand hat, gilt an Stelle der allgemeinen Regelung zur Antragsfrist in § 107 Abs. 3 S. 1 Nr. 4 GWB die speziellere Regelung des § 101b Abs. 2 GWB.

5. Eine Ausnahme von der Verpflichtung des Aufgabenträgers zur Durchführung eines förmlichen Vergabeverfahrens für die Erteilung eines Auftrags zur Erbringung von Dienstleistungen des bodengebundenen Rettungsdienstes durch Dritte ergibt sich nicht aus § 15 Abs. 2 RettDG LSA 2010.

 

Verfahrensgang

1. Vergabekammer beim Landesverwaltungsamt LSA (Beschluss vom 05.08.2011; Aktenzeichen 1 VK LSA 05/11)

 

Tenor

Auf die sofortige Beschwerde des Antragsgegners wird der Beschluss der 1. Vergabekammer beim Landesverwaltungsamt des Landes Sachsen-Anhalt vom 5.8.2011 in Ziff. 4) teilweise wie folgt abgeändert:

Die Verfahrenskosten (Gebühren und Auslagen) werden auf insgesamt ...,.. EUR festgesetzt.

Im Übrigen wird die sofortige Beschwerde des Antragsgegners gegen diesen Beschluss zurückgewiesen.

Die gerichtlichen Kosten des Beschwerdeverfahrens und die außergerichtlichen Aufwendungen der Antragstellerin im Beschwerdeverfahren haben der Antragsgegner und die Beigeladenen zu 1) und zu 5) jeweils zu einem Drittel zu tragen. Im Übrigen findet eine Kostenerstattung nicht statt.

Der Kostenwert des Beschwerdeverfahrens wird auf eine Gebührenstufe bis zu 380.000 EUR festgesetzt.

 

Gründe

A. Der Antragsgegner, eine kommunale Gebietskörperschaft und Rechtsnachfolger der früheren Landkreise Ht., W. und Q., ist Träger des bodengebundenen Rettungsdienstes für sein Territorium i.S.v. § 3 Abs. 1 S. 1 und 2 RettDG LSA. Er erfüllt diese Aufgabe teilweise mit eigenen Ressourcen, hinsichtlich der notärztlichen Versorgung durch die Kassenärztliche Vereinigung Sachsen-Anhalt (§ 3 Abs. 3 RettDG LSA) und im Übrigen durch geeignete dritte Leistungserbringer (§ 3 Abs. 2 RettDG LSA). Die jährlichen Gesamtkosten des bodengebundenen Rettungsdienstes übersteigen 10 Millionen Euro; der Anteil der auf dritte Leistungserbringer entfallenden Aufwendungen beträgt mehr als 4 Millionen Euro.

Die Einbeziehung dritter Leistungserbringer in den Rettungsdienst erfolgte nach dem Rettungsdienstgesetz Sachsen-Anhalt vom 11.11.1993 (GVBl. LSA 1993, 699) auf der Grundlage öffentlich-rechtlicher Verträge zwischen dem Aufgabenträger und dem jeweiligen Dienstleister. Für die zulässige Einbeziehung eines Dritten war die Erteilung einer Genehmigung zur Leistungserbringung erforderlich. Solche Verträge bestanden auch zwischen dem Beigeladenen zu 3) und dem Altkreis W. seit dem Jahre 1992, zwischen der Beigeladenen zu 1) bzw. dem Beigeladenen zu 4) und dem Altkreis Ht. mindestens seit dem Jahre 2004 sowie zwischen dem Beigeladenen zu 2) bzw. dem Rechtsvorgänger der Beigeladenen zu 5) und dem Altkreis Q. seit dem Jahre 1995. Die Vergütung der Leistungen erfolgte durch den Aufgabenträger, der sich über eine Gebührensatzung refinanzierte.

Nach einer zum 1.1.2007 in Kraft getretenen Gesetzesänderung ist im Rettungsdienstgesetz Sachsen-Anhalt vom 21.3.2006 (GVBl. LSA 2006, 84) nur noch das Genehmigungsverfahren in § 11 geregelt. Die Altkreise W., Ht. und Q. bezogen die Beigeladenen zu 1) bis zu 5) als Dritte jeweils allein durch die Verlängerung der bestehenden Genehmigungen in den bodengebundenen Rettungsdienst ein. Die zuletzt erteilten Genehmigungen wiesen jeweils eine Laufzeit bis zum 31.12.2010 aus, mit Ausnahme der Genehmigung des Beigeladenen zu 3) vom 22.11.2006, die bis zum 30.6.2011 befristet war. Für die Vergütung der Leistungen wurde in § 12 RettDG LSA 2006 eine neue Regelung geschaffen, welche sich hinsichtlich der Grundsätze der Kostenermittlung auf die (fortgeltenden) §§ 4 bis 6 RettDVO LSA stützte.

Im Jahre 2010 beabsichtigte der Antragsgegner, ohne Durchführung eines förmlichen Vergabeverfahrens die bestehenden Genehmigungen zur Erbringung von Rettungsdienstleis...

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Deutsches Anwalt Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge