Leitsatz (amtlich)

Die einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung nach § 769 Abs. 1 S. 1 ZPO setzt neben der Einreichung der Klageschrift auch die Einzahlung des Gerichtskostenvorschusses nach § 65 Abs. 1 S. 1 GKG voraus, es sei denn, der Kläger ist von der Vorauszahlungspflicht befreit oder ihm wurde Prozesskostenhilfe bewilligt.

 

Verfahrensgang

LG Halle (Saale) (Aktenzeichen 3 O 59/02)

 

Tenor

Die sofortige Beschwerde der Kläger gegen den Beschluss der 3. Zivilkammer des LG Halle vom 22.4.2002, Geschäftszeichen: 3 O 59/02, wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass der auf die einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung aus der Urkunde des Notars B. aus S. vom 12.10.2001, UR-Nr. …, gerichtete Antrag als unzulässig zurückgewiesen wird.

Die Rechtsbeschwerde ist zulässig.

Der Wert des Beschwerdegegenstandes wird auf 29.552,67 Euro festgesetzt.

 

Gründe

I. Die Parteien haben am 12.10.2001 vor dem Notar B. aus S. einen Grundstückskaufvertrag über die im Grundbuch von S. Blatt 4109 eingetragene Liegenschaft Sch. 14 in S., Flur 13, Flurstück 103/71, geschlossen. In der Urkunde unterwarfen sich die Kläger der sofortigen Zwangsvollstreckung in ihr gesamtes Vermögen, wobei die Zwangsvollstreckung betrieben werden darf, ohne dass die Umstände, von denen Entstehung und Fälligkeit der vollstreckbar gestellten Forderung abhängen, eines Nachweises bedürfen.

Die Beklagten betreiben die Zwangsvollstreckung aus der Urkunde. Die Kläger meinen, der Kaufpreis sei nicht fällig, weil die Beklagten das Grundstück nicht ordnungsgemäß geräumt und nachteilige Veränderungen zwischen Vertragsabschluss und Räumung vorgenommenen hätten. Sie haben deshalb mit der am 15.2.2002 beim LG eingegangenen Klageschrift die Unzulässigkeit der Zwangsvollstreckung geltend gemacht und einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung mit dem Ziel gestellt, die Zwangsvollstreckung einstweilen einzustellen. Der Aufforderung des Prozessgerichts, einen Gerichtskostenvorschuss einzuzahlen, sind die Kläger bisher nicht nachgekommen, vielmehr haben sie darauf verwiesen, dass vorab über ihren Eilantrag zu entscheiden sei.

Das LG hat den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung durch Beschluss vom 22.4.2002 zurückgewiesen, da eine Vollstreckungsabwehrklage keine Aussicht auf Erfolg habe. Nach der vertraglichen Regelung sei der Kaufpreis zur Auszahlung fällig.

Gegen diese, ihrem Bevollmächtigten am 30.4.2002 zugestellte Entscheidung wenden sich die Kläger mit der am 8.5.2002 beim LG eingegangenen sofortigen Beschwerde, der das LG durch Beschluss vom 30.5.2002 nicht abgeholfen hat.

II. Die nach §§ 567 Abs. 1 Nr. 2, 569 Abs. 1 S. 1 u. 2, Abs. 2 ZPO zulässige sofortige Beschwerde der Kläger (vgl. zur Zulässigkeitsfrage Zöller/Herget, ZPO, 23. Aufl., § 769 Rz. 13) hat in der Sache keinen Erfolg. Das LG hat im Ergebnis zu Recht von der Anordnung der einstweiligen Einstellung der Zwangsvollstreckung i.S.v. § 769 Abs. 1 S. 1 ZPO abgesehen. Hierfür bedurfte es allerdings nicht der Auseinandersetzung mit den Erfolgsaussichten der Vollstreckungsabwehrklage. Der auf Erlass einer einstweiligen Anordnung durch das Prozessgericht gerichtete Antrag der Kläger ist bereits unzulässig.

Für eine Anordnung nach § 769 Abs. 1 S. 1 ZPO ist nur dann Raum, wenn die Hauptsache anhängig, mithin die Klageschrift eingereicht ist (OLG Brandenburg, Beschl. v. 29.9.1998 – 10 WF 111/98, FamRZ 1999, 1435 f.). Nur dann existiert ein Prozessgericht i.S.d. Vorschrift. Dieses kann gem. § 769 Abs. 1 S. 1 ZPO nur anordnen, dass die Zwangsvollstreckung „bis zum Erlass des Urteils” beschränkt ggf. vollständig eingestellt wird. Eine solche Anordnung setzt wiederum nicht nur die Einreichung der Klageschrift, sondern zudem ihre gesicherte Zustellung voraus, um so über den allein noch von den Zustellungsmodalitäten gehinderten alsbaldigen Eintritt der Rechtshängigkeit (vgl. §§ 261 Abs. 1, 253 Abs. 1 ZPO) ein der Entscheidungsfindung des Prozessgerichts zugängliches Prozessrechtsverhältnis begründen zu können (OLG Schleswig v. 16.11.1989 – 15 WF 220/89, FamRZ 1990, 303; OLG Naumburg v. 29.2.2000 – 14 WF 28/00, OLGReport Naumburg 2000, 388 = FamRZ 2001, 839 [840]; Zöller/Herget, ZPO, 23. Aufl., § 769 Rz. 4). Das bedeutet, dass dort, wo erforderlich, der zur Zustellung führende Gerichtskostenvorschuss eingezahlt sein muss (vgl. § 65 Abs. 1 S. 1 GKG; OLG Köln v. 16.2.1987 – 14 WF 27/87, FamRZ 1987, 963 [964]; OLG Hamburg v. 13.12.1989 – 12 WF 166/89, NJW-RR 1990, 394; Musielak/Lackmann, ZPO, § 769 Rz. 2; Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, 60. Aufl., § 769 Rz. 4; Karsten Schmidt in MünchKomm/ZPO, 2. Aufl., § 769 Rz. 11 m.w.N.; a.A. KG v. 13.11.1987 – 18 WF 6260/87, FamRZ 1988, 313 f.; Stein-Jonas/Münzberg, ZPO, 21. Aufl., § 769 Rz. 5–7). Etwas anderes gilt nur im Falle der Bewilligung von Prozesskostenhilfe oder der Befreiung von der Vorauszahlungspflicht (§ 65 Abs. 7 S. 1 Nr. 1, 3 u. 4, S. 2 GKG; OLG Köln v. 16.2.1987 – 14 WF 27/87, FamRZ 1987, 963 [964]). Beides können die Kläger nicht für sich i...

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