Leitsatz (amtlich)

1. Nach § 22 Abs. 3 WaldG LSA ist ein Waldeigentümer weitgehend von Pflichten zur Verkehrssicherung gegen sog. waldtypische Gefahren freigestellt, das gilt auch für so beworbene "Qualitätswanderwege" im Wald.

2. Zu den typischen Gefahren des Waldes, gegen die ein Waldeigentümer Wanderwege jeder Art grundsätzlich nicht sichern muss, gehören auch Gefahren, die von lebenden oder toten Bäumen ausgehen, also deren mangelnde Stand- oder Bruchfestigkeit.

 

Verfahrensgang

LG Magdeburg (Urteil vom 04.03.2020; Aktenzeichen 10 O 701/19)

 

Tenor

I. Die Berufung des Klägers gegen das am 4. März 2020 verkündete Urteil der 10. Zivilkammer des Landgerichts Magdeburg wird zurückgewiesen.

II. Die Kosten des Berufungsverfahrens hat der Kläger zu tragen.

III. Der Beschluss des Senats und das o.g. Urteil des Landgerichts sind jeweils ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Zwangsvollstreckung durch die Beklagte durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

IV. Der Streitwert für die Gebührenberechnung im Berufungsverfahren wird auf 205.000,00 EUR festgesetzt.

 

Gründe

A. Der Kläger begehrt von der beklagten Kommune wegen eines Unfalls am 13.07.2018 ein in das Ermessen des Gerichts gestelltes Schmerzensgeld (mindestens 200.000 EUR), die Feststellung der Ersatzpflicht für alle materiellen Schäden aus diesem Vorfall sowie die Freistellung von vorgerichtlichen Rechtsverfolgungskosten.

Der Kläger hat unter Beweisantritt behauptet, dass er am 13.07.2018 in Begleitung seiner Ehefrau P. F., seiner Söhne M. und J. F. und seiner Schwiegereltern E. und R. T. auf dem Wanderweg S. vom H. Platz in Richtung Stadt T. gewandert sei. Auf dem B. Weg sei gegen 13:45 Uhr plötzlich und unerwartet ein Baum (eine Eiche) mit einer Höhe von 10 bis 12 Metern und einer Masse von ca. 2 Tonnen umgestürzt und auf ihn gefallen. Er habe geborgen und auf einer Trage zum Hubschrauber transportiert werden müssen (u.a. Vorlage des Einsatzprotokolls von der Bergung durch die Bergwacht); mit dem Hubschrauber sei er in das Traumazentrum der Klinik N. geflogen worden. Er hat weiter unter Vorlage medizinischer Unterlagen angegeben, welche Verletzungen er erlitten und welche medizinischen Behandlungen er absolviert habe. Wegen der Einzelheiten wird auf den Tatbestand des erstinstanzlichen Urteils Bezug genommen.

Der Wanderweg führt im o.g. Abschnitt durch einen Wald, der im Eigentum der Beklagten steht. Die Beklagte schloss mit dem Land Sachsen-Anhalt, vertreten durch das Forstamt T., einen öffentlich-rechtlichen Vertrag über die ständige Betreuung ihres kommunalen Waldbestandes (künftig: Betreuungsvertrag). Die Beklagte bewarb den Wanderweg touristisch u.a. als einen zertifizierten "Qualitätswanderweg". Nach dem Vorfall vom 13.07.2018 veranlasste die Beklagte eine Baumschau, in deren Ergebnis insgesamt 278 Bäume als nicht "voll gesund" (also teilweise hohl, teilweise abgestorben) bewertet und gefällt wurden.

Der Kläger hat die Auffassung vertreten, dass die Beklagte ihre Verkehrssicherungspflicht verletzt habe, indem sie eine regelmäßige Baumschau im Bereich des o.g. Wanderweges vor dem Vorfall vom 13.07.2018 versäumt habe. Im Falle der Baumschau wäre der an diesem Tag umgestürzte Baum als instabil erkannt und entfernt worden. Er hat sich insoweit darauf berufen, dass eine zweimal jährliche Baumschau in dem Betreuungsvertrag nicht vereinbart worden sei. Der Kläger hat gemeint, dass es auf die - unstreitig fehlende - straßenrechtliche Widmung des Wanderweges nicht ankomme. Aufgrund der intensiven Bewerbung durch die Beklagte und die massive Frequentierung des Wanderweges erwachse eine besondere Verkehrssicherungspflicht. Schließlich hat der Kläger sich darauf berufen, dass die Stellungnahme des Bürgermeisters der Beklagten nach dem Vorfall gegenüber der Versicherung, dem Kommunalen Schadensausgleich (künftig: KSA), dem Grunde nach ein Haftungsanerkenntnis darstelle.

Wegen des weiteren wechselseitigen Parteivorbringens, des Prozessverlaufs und der Antragstellung der Parteien wird auf den Tatbestand des erstinstanzlichen Urteils Bezug genommen.

Das Landgericht hat die Klage mit seinem am 04.03.2020 verkündeten Urteil ohne Durchführung einer Beweisaufnahme abgewiesen und seine Entscheidung im Wesentlichen darauf gestützt, dass einerseits die interne Stellungnahme der Beklagten gegenüber dem KSA kein selbständiges Schuldversprechen bzw. Schuldanerkenntnis i.S.v. §§ 780 f. BGB darstelle und andererseits ein deliktischer Schadensersatzanspruch schon deswegen nicht begründet sei, weil der Beklagten keine Verkehrssicherungspflicht bezüglich des Waldwanderweges oblegen habe. Das Landgericht hat auf die zu dieser Rechtsfrage ergangene höchstrichterliche und Instanz-Rechtsprechung verwiesen und letztlich das Umstürzen des Baumes als eine waldtypische Gefahr bewertet, für welche ein Waldbesit...

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