Leitsatz (amtlich)

  • 1.

    Hat die Verwaltungsbehörde im Bußgeldbescheid die Regelsanktionen der Bußgeldkatalog-Verordnung, die von fahrlässiger Begehung und gewöhnlichen Tatumständen ausgeht (§ 1 Abs. 2 BKatV), angeordnet, ist der Bußgeldrichter bei wirksamer Beschränkung des Einspruchs auf die Rechtsfolgenentscheidung an den Tatvorwurf der fahrlässigen Begehungsweise gebunden.

  • 2.

    Die Bindungswirkung der Einspruchsbeschränkung hängt nicht von dem Verdacht des Tatrichters ab, der Schuldvorwurf des Bußgeldbescheides könne zu Lasten des Betroffenen anders zu beurteilen sein. Vielmehr ist eine Beschränkung des Einspruchs auf den Rechtsfolgenausspruch grundsätzlich zulässig und nur dann unwirksam, wenn der Bußgeldbescheid den Anforderungen des § 66 Abs. 1 OWiG nicht entspricht oder die Beschränkung des Rechtsmittels sich auf Beschwerdepunkte bezieht, die nach dem inneren Zusammenhang der angefochtenen Entscheidung nicht losgelöst von deren nicht angegriffenem Teil rechtlich und tatsächlich selbständig beurteilt werden können, ohne eine Prüfung der Entscheidung im übrigen erforderlich zu machen.

 

Verfahrensgang

AG Eisleben (Entscheidung vom 09.11.2004; Aktenzeichen 12 OWi 882 Js 19745/04)

 

Tenor

  • 1.

    Auf die Rechtsbeschwerde des Betroffenen wird das Urteil des Amtsgerichts Eisleben vom 09. November 2004 mit den Feststellungen aufgehoben.

  • 2.

    Der Betroffene ist der im Bußgeldbescheid der Zentralen Bußgeldstelle im Technischen Polizeiamt Magdeburg vom 04. März 2004 (Az.: ... ) aufgeführten fahrlässigen Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit schuldig.

  • 3.

    Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung zum Rechtsfolgenausspruch, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an die bisher zuständige Abteilung des Amtsgerichts Eisleben zurückverwiesen.

 

Gründe

Das Amtsgericht hat den Betroffenen wegen vorsätzlicher Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit zu einer Geldbuße von 300 EUR und einem zweimonatigen Fahrverbot verurteilt.

Dagegen wendet sich der Betroffene mit der Rechtsbeschwerde, mit der er die Verletzung formellen und materiellen Rechts rügt. Das Rechtsmittel hat mit der Sachrüge in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang Erfolg. Es ist daher ohne Belang, dass eine Verfahrensrüge nicht in der gebotenen Form des § 344 Abs. 2 S. 2 StPO i. V. m. § 79 Abs. 3 S. 1 OWiG ausgeführt und demgemäß unzulässig ist.

Rechtsfehlerhaft hat das Amtsgericht auf vorsätzliche Begehungsweise erkannt, obwohl der Betroffene im Hauptverhandlungstermin am 09. November 2004 seinen Einspruch gegen den Bußgeldbescheid, mit welchem ihm eine fahrlässige Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit zur Last gelegt wird, wirksam auf die Rechtsfolgenentscheidung der Verwaltungsbehörde - Geldbuße von 275 EUR und zweimonatiges Fahrverbot - beschränkt hatte (§ 67 Abs. 2 OWiG). Diese Beschränkung ist nicht etwa deshalb unwirksam, weil der Bußgeldbescheid keine ausdrückliche Angabe darüber enthält, ob die Verkehrsordnungswidrigkeit vorsätzlich oder fahrlässig begangen wurde. Im Bußgeldbescheid heißt es :

"Tatangaben:

Ihnen wird vorgeworfen, ...

folgende Verkehrsordnungswidrigkeit(en) nach § 24 StVG begangen zu haben:

Sie überschritten die zulässige Höchstgeschwindigkeit außerhalb geschlossener Ortschaften um 61 km/h. Zulässige Geschwindigkeit: 100/km/h; Festgestellte Geschwindigkeit (abzgl. Toleranz): 161 km/h.

Konkretisierung:

*Z. 274-60

Verletzte Rechtsvorschriften:

§ 41 Abs. 2, § 49 StVO; § 24, § 25 StVG; 11.3.9 Bkat; § 4 Abs. 1 BKatV,

Beweismittel:

Messung mit Geschw.meßgerät, Video-Band-Aufzeichnung, Messung durch Nachfahren"

Erkennbar hat die Verwaltungsbehörde damit fahrlässiges Handeln des Betroffenen zugrunde gelegt, weil sie für den Tatvorwurf die Regelsanktionen der Bußgeldkatalog-Verordnung, die von fahrlässiger Begehung und gewöhnlichen Tatumständen ausgeht (§ 1 Abs. 2 BKatV), angeordnet hat. Bei einer wirksamen Beschränkung des Einspruchs auf die Rechtsfolgenentscheidung - wie hier - hat das Gericht von fahrlässiger Begehungsweise auszugehen und zu prüfen, welche Ahndung für das fahrlässige Verhalten tat- und schuldangemessen ist (BayObLG VRS 96, 47, 49; OLG Rostock VRS 101, 380, 383 m. w. Nachw.; KG Berlin VRS 102, 296 m. w. Nachw.; Senat, Beschluss vom 27. Januar 2000 - 1 Ss (B) 462/99 - ).

Die Bindung des Richters an die in Rechtskraft erwachsene Entscheidung der Verwaltungsbehörde hat der Gesetzgeber in Kauf genommen (BayObLG a. a. O., 48). Aufgrund dieser Bindung des Tatrichters ist es ihm verwehrt, etwa bedingten Vorsatz statt Fahrlässigkeit anzunehmen (vgl. OLG Köln NStZ 1981, 63, 64); der Tatrichter ist jedoch nicht gehindert, weitere Feststellungen auch zum Tatvorwurf zu treffen, sofern diese für den Rechtsfolgenausspruch von Bedeutung sind und den bereits rechtskräftig feststehenden nicht widersprechen (OLG Rostock a. a. O., 384).

Der Auffassung des Oberlandesgerichts Celle, wonach der Bußgeldrichter bei Beschränkung des Einspruchs auf die Rechtsfolgen von fahrlässiger Begehungsweise ausgeht, "es sei denn, er hat Grund...

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