Entscheidungsstichwort (Thema)

Beurteilung eines wichtigen Grundes für die außerordentliche Kündigung des Geschäftsführers einer GmbH nach § 626 Abs. 1 BGB

 

Leitsatz (amtlich)

1. Löst der Geschäftsführer einer GmbH fällige Aktienoptionen, die ihm als Vergütungsbestandteil zustehen, auf die er jedoch nur während des bestehenden Geschäftsführerdienstverhältnisses Anspruch hat, nach Erhalt einer fristlosen außerordentlichen Kündigung ein, liegt darin kein zur weiteren außerordentlichen Kündigung berechtigender wichtiger Grund, wenn die zunächst erklärte Kündigung als außerordentliche Kündigung unwirksam war und das Dienstverhältnis nicht mit sofortiger Wirkung beendet hat. Ohne ausdrückliche vertragliche Vereinbarung besteht keine Verpflichtung des Geschäftsführers, mit der Ausübung der Aktienoption zuzuwarten, wenn er die Kündigung in vertretbarer Weise für unwirksam halten durfte.

2. Allein die fehlende Auskunftsbereitschaft des gekündigten Geschäftsführers einer GmbH bei seiner Anhörung zu einer bereits zuvor ausgesprochenen außerordentlichen Kündigung stellt keinen eigenständigen wichtigen Grund für eine außerordentliche Kündigung dar, wenn der Geschäftsführer im Rahmen von staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen umfassend zu den Vorwürfen ausgesagt hat, der Dienstberechtigte den Inhalt der Vernehmungsprotokolle kennt und dieser nicht darlegt, zu welchen noch offenen Fragen vom Geschäftsführer weitere Aufklärung gewünscht wird.

 

Verfahrensgang

LG München I (Urteil vom 26.08.2008; Aktenzeichen 13 HKO 493/08)

 

Tenor

I. Die Berufung der Beklagten gegen das Endurteil des LG München I vom 26.8.2008 wird zurückgewiesen.

II. Die Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Gegenseite vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

IV. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Gründe

A. Der Kläger verlangt festzustellen, dass sein Geschäftsführerdienstverhältnis mit der Beklagten durch die Kündigungen vom 20.12.2007 und 21.12.2007 nicht mit sofortiger Wirkung beendet wurde.

Die Parteien vereinbarten mit schriftlichem Geschäftsführerdienstvertrag vom 29.8.2005 (Anl. K 1, nachfolgend als Vertrag bezeichnet) die Anstellung des Klägers als Geschäftsführer mit Wirkung vom 1.8.2005 auf unbestimmte Zeit mit einer Kündigungsfrist von 1 Jahr zum Monatsende. Nach § 2.1 dieses Vertrages sollte das Jahreszieleinkommen 510.000 EUR betragen, das sich aus einem festen Jahresgehalt von brutto 306.000 EUR, zu leisten in monatlich nachträglich auszuzahlenden Teilbeträgen von 25.500 EUR nach Abzug der gesetzlichen Abgaben, und aus zwei Boni zusammensetzen sollte. Zusätzlich sollte der Kläger nach § 2.2 des Vertrages eine aktienorientierte Vergütung erhalten, über deren Zuteilung und Höhe jährlich neu entschieden werden sollte und für die gem. § 2.2 Satz 2 2. Halbsatz des Vertrags die Richtlinien des Aktienoptionsplans 2001 (Anl. B 2) gelten sollten. Nach Ziff. 9 Satz 1 dieser Richtlinien erlöschen bei Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses sämtliche Bezugsrechte. Ein Anspruch auf Gewährung von Aktienoptionen besteht dann nicht mehr. Dem Kläger standen vor Ausspruch der Kündigung vom 3.12.2007 Optionen der Tranchen 2003, 2004 und 2005 in dem von ihm geltend gemachten Umfang mit einem Bruttoerlös von 908.241,75 EUR unstreitig zu.

Wegen Handlungen im Rahmen seiner Geschäftsführertätigkeit, die Gegenstand von strafrechtlichen Vorwürfen im sog. S.-Bestechungsskandal sind, befand sich der Kläger vom 16.11.2006 bis 22.12.2006 in Untersuchungshaft. Er wurde in der Zeit von November 2006 bis Juni 2007 umfangreich von den Ermittlungsbehörden vernommen. Als Auflage für die Außervollzugsetzung des Haftbefehls wurde ein Kontaktverbot zwischen dem Kläger und den Mitarbeitern der S. AG bzw. der Beklagten angeordnet, das bis Anfang August 2007 aufrecht erhalten blieb. Mit Beschluss vom 9./10.1.2007 wurde der Kläger von der Beklagten als Geschäftsführer der Beklagten abberufen und dem Kläger Hausverbot für die Geschäftsräume der Beklagten und der S. AG erteilt.

Am 10.8.2007 erhielt die S. AG Teilakteneinsicht in die Ermittlungsakten der Staatsanwaltschaft München I mit dem Aktenzeichen 563 Js 45414/07. Die auf einer CD zur Verfügung gestellten umfangreichen Ermittlungsunterlagen wurden bis zum 17.8.2007 ausgedruckt, darunter die Protokolle über die Vernehmungen des Klägers vom 15.11.2006, 7./8./14. und 20.12.2006, 8./10./25.1.2007 und 20.6.2007. Am 21.8.2007 erließ der Zentralvorstand der S. AG im Hinblick auf mögliche arbeitsrechtliche Sanktionen gegen die in den Bestechungsskandal involvierten Mitarbeiter des S. Konzerns ein Rundschreiben, in dem mitgeteilt wurde, dass der Vorstand die Entscheidung über disziplinarische Folgen von rechtswidrigem Verhalten von Mitarbeitern im Zusammenhang mit den Bestechungsvorwürfen einem sog. Corporate Disciplinary Committee (nachfolgend C...

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