Entscheidungsstichwort (Thema)

Einhaltung der Frist des § 626 Abs. 2 BGB bei Ausspruch einer außerordentlichen Kündigung des Geschäftsführers einer GmbH

 

Leitsatz (amtlich)

1. Ist eine außerordentliche Kündigung aus wichtigem Grund durch die Gesellschafterversammlung einer GmbH auszusprechen, beginnt die Frist zum Ausspruch der Kündigung des § 626 Abs. 2 Satz 1 BGB erst zu dem Zeitpunkt, zu dem der Gesellschafterversammlung die für die Kündigung wesentlichen Tatsachen unterbreitet worden sind.

2. Die Einberufung der Gesellschafterversammlung darf nicht unangemessen verzögert werden. Andernfalls muss sich die Gesellschaft so behandeln lassen als wäre die Gesellschafterversammlung rechtzeitig mit der billigerweise zumutbaren Beschleunigung einberufen worden (Anschluss an BGHZ 139, 89 (92)).

3. Der Kündigungsberechtigte hat darzulegen, welche Tatsachenbehauptungen unklar und daher ermittlungsbedürftig waren und welche weiteren Ermittlungen er zur Klärung der Zweifel angestellt hat.

4. Zur Beurteilung einer unangemessenen Verzögerung bei der Ladung zur Gesellschafterversammlung sind alle relevanten Umstände zu berücksichtigen. Geraten die Ermittlungen mehr als zwei Wochen in Stillstand, ist darin ein Indiz für die unangemessene Verzögerung der Einberufung der Gesellschafterversammlung zu sehen.

 

Verfahrensgang

LG München I (Urteil vom 26.08.2008; Aktenzeichen 13 HKO 501/08)

 

Tenor

I. Die Berufung der Beklagten gegen das Endurteil des LG München I vom 26.8.2008 wird zurückgewiesen.

II. Die Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Gegenseite vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

IV. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Gründe

I. Der Kläger verlangt festzustellen, dass sein Geschäftsführerdienstverhältnis durch die außerordentlichen Kündigungen vom 3.12.2007 und 17.12.2007 nicht mit sofortiger Wirkung beendet wurde und über die genannten Kündigungszeitpunkte hinaus fortbesteht.

Die Parteien vereinbarten mit schriftlichem Geschäftsführerdienstvertrag vom 29.8.2005 (Anl. K 1, nachfolgend als Vertrag bezeichnet) die Anstellung des Klägers als Geschäftsführer mit Wirkung vom 1.8.2005 auf unbestimmte Zeit mit einer Kündigungsfrist von 1 Jahr zum Monatsende.

Der Kläger befand sich wegen Handlungen im Rahmen seiner Geschäftsführertätigkeit, die Gegenstand von strafrechtlichen Vorwürfen im sog. S. Bestechungsskandal sind, vom 16.11.2006 bis 22.12.2006 in Untersuchungshaft. Er wurde in der Zeit von November 2006 bis Juni 2007 umfangreich von den Ermittlungsbehörden vernommen. Als Auflage für die Außervollzugsetzung des Haftbefehls wurde ein Kontaktverbot zwischen dem Kläger und den Mitarbeitern der S.-AG bzw. der Beklagten angeordnet, das bis Anfang August 2007 aufrecht erhalten blieb. Mit Beschluss vom 9./10.1.2007 wurde der Kläger von der Beklagten als Geschäftsführer der Beklagten abberufen und dem Kläger Hausverbot für die Geschäftsräume der Beklagten und der S. AG erteilt.

Am 10.8.2007 erhielt die S. AG Teilakteneinsicht in die Ermittlungsakten der Staatsanwaltschaft München I im Verfahren 563 Js 45414/05. Die auf einer CD zur Verfügung gestellten umfangreichen Ermittlungsunterlagen wurden bis zum 17.8.2007 ausgedruckt, darunter die Protokolle über die Vernehmungen des Klägers vom 15.11.2006, 7./8./14. und 20.12.2006, 8./10./25.1.2007 und 20.6.2007 Am 21.8.2007 erließ der Zentralvorstand der S. AG im Hinblick auf mögliche arbeitsrechtliche Sanktionen gegen die in den Bestechungsskandal involvierten Mitarbeiter des S. Konzerns ein Rundschreiben (Anl. B 6), in dem mitgeteilt wurde, dass der Vorstand die Entscheidung über disziplinarische Folgen von rechtswidrigem Verhalten von Mitarbeitern im Zusammenhang mit den Bestechungsvorwürfen einem sog. Corporate Disciplinary Committee (nachfolgend CDC genannt) übertragen hat. Dieses trat am 7.9., 21.9., 27.9., 16.10. und 21.11.2007 zusammen.

Der Kläger hat am 9./10.9.2007 gegenüber Mitarbeitern der im Auftrag des Aufsichtsrats der S. AG mit der Aufklärung der Bestechungsvorwürfe eingesetzten Rechtsanwaltskanzlei D. zu den Bestechungsvorwürfen Auskunft erteilt.

Am 14.11.2007 erhielt die Kanzlei der Beklagtenvertreter die staatsanwaltschaftlichen Vernehmungsprotokolle mit dem Auftrag, das Verhalten des Klägers im Rahmen dieses Bestechungsskandals rechtlich zu würdigen. Die Beklagtenvertreter haben am 20.11.2007 die angeforderte Stellungnahme an den Senior Counsel des CDC, Dr. T., übermittelt, woraufhin das CDC in der Sitzung vom 21.11.2007 aufgrund der vom Kläger in dessen Beschuldigtenvernehmungen gemachten Angaben empfohlen hat, ggü. dem Kläger eine fristlose Kündigung, hilfsweise eine ordentliche Kündigung auszusprechen. Dem Kläger wurde mit Schreiben vom 26.11.2007 eine Frist zur Stellungnahme bis zum 29.11.2007, 18 Uhr, und mit Schreiben vom 30.11.200207 eine weitere Äußerungsfrist bis 3....

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