Entscheidungsstichwort (Thema)

Unwirksame AGB-Klauseln bei Altersvorsorgeverträgen

 

Leitsatz (amtlich)

1. Eine Zinsklausel, nach der sich Änderungen eines Referenzzinssatzes automatisch auf den Vertragszins auswirken, ohne dass es einer dahingehenden Erklärung eines der Vertragsteile bedarf, unterliegt als Preisregelung gem. § 307 Abs. 3 S. 1 BGB grundsätzlich nicht der Inhaltskontrolle. Dies gilt allerdings uneingeschränkt nur solange, als solche Regelungen nicht von dem gesetzlichen Leitbild des § 488 Abs. 1 S. 2 BGB abweichen und iSd § 307 Abs. 3 S. 1 BGB eine von Rechtsvorschriften abweichende Regelung treffen. (Rn. 37 - 38)

2. Ist bei einer Zinsklausel in Zusammenhang mit dem Verfahren der Zinsanpassung ein negativer Zins nicht ausgeschlossen, stellt diese Klausel in einem Altersvorsorgevertrag eine unangemessene Benachteiligung dar. Denn ein negativer Zins verstößt bei Altersvorsorgevertrag gegen das Leitbild des § 488 Abs. 1 S. 2 BGB. (Rn. 48)

3. Ein Verstoß gegen das Transparenzgebot liegt insbesondere vor, wenn sich der Verwender ungerechtfertigt weite Gestaltungsmöglichkeiten einräumen lässt, mit denen er nach Vertragsschluss auf die konkrete Ausgestaltung des Rechte- und Pflichtenprogramms einwirken und insbesondere das Äquivalenzverhältnis nachträglich zu seinen Gunsten verändern kann. (Rn. 61)

 

Normenkette

AltZertG § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 9; BGB § 307 Abs. 1 S. 2, Abs. 3 Sätze 1-2, § 308 Nr. 4, § 488 Abs. 1 S. 2; UKlaG § 3 Abs. 1 S. 1 Nr. 1, § 4 Abs. 1

 

Verfahrensgang

LG München I (Urteil vom 15.03.2021; Aktenzeichen 27 O 230/20)

 

Nachgehend

BGH (Urteil vom 21.11.2023; Aktenzeichen XI ZR 290/22)

 

Tenor

I. Die Berufung der Beklagten gegen das Endurteil des Landgerichts München I vom 15.03.2021, Az. 27 O 230/20 wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass es in Ziffer 1. Buchst. a des Tenors "Monatsende" statt "Montagsende" heißt.

II. Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt die Beklagte.

III. Das genannte Endurteil wird ohne Sicherheitsleistung für vorläufig vollstreckbar erklärt. Das vorliegende Urteil ist in Ziffer II. vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung hinsichtlich des Unterlassungsgebots des genannten Endurteils durch Sicherheitsleistung in Höhe von Euro 5.000,- abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet. Im übrigen kann die Beklagte die Vollstreckung hinsichtlich der Kosten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 115 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 115 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

IV. Die Revision zum Bundesgerichtshof wird zugelassen.

 

Gründe

I. Die Parteien streiten über die Zulässigkeit zweier Klauseln, die die Beklagte in Altersvorsorgeverträgen, sog. Riester-Verträgen verwendet.

Der Kläger ist eine qualifizierte Einrichtung im Sinne von § 3, § 4 UKIaG (K1). Er wendet sich gegen Allgemeine Geschäftsbedingungen (kurz: AGB), die die Beklagte für Altersvorsorgeverträge nach dem Altersvermögensgesetz verwendet, und zwar für den "VorsorgePlus Altersvorsorgevertrag nach dem Altersvermögensgesetz (Sparkonto mit Zinsansammlung)" (K2, K3, kurz: Sparvertrag). Charakteristisch für diese nach dem Altersvorsorgeverträge-Zertifizierungsgesetz zertifizierten und steuerlich förderungsfähigen Sparverträge ist die Ansparung eines Guthabens durch regelmäßige Einzahlungen und staatliche Förderbeträge (Ansparphase), das dem Sparer dann mit Beginn einer gesetzlichen Altersversorgung zugutekommt (Auszahlungsphase). Das Guthaben wird während der Ansparphase mit einer variablen Grundverzinsung und mit Bonuszinsen vergütet. Für die Auszahlungsphase kann der Sparer sich u.a. für eine Leibrente entscheiden.

Die Klage richtet sich gegen folgende (in Fettdruck wiedergegebene) Klausel im Vertragsformular, die gemeinsam mit der einbezogenen Anlage "Verfahren der Zinsanpassung" zum Sparvertrag die Anpassung der Grundverzinsung während der Ansparphase regelt (K2, Seiten 1 und 4, kurz: Zinsklausel):

"4. Grundzinsen und Bonuszinsen

Die ... gewährt dem Sparer während der Ansparphase auf sein Sparguthaben variable Grundzinsen und Bonuszinsen gemäß den nachfolgenden Bestimmungen:

"4.1 Grundzinsen

Das Sparguthaben wird variabel, zunächst mit jährlich (2,950) % verzinst. Die Zinsanpassungen während der Vertragslaufzeit erfolgen nach dem in der Anlage "Verfahren der Zinsanpassung" beschriebenen Verfahren. (...) Die aufgelaufenen Zinsen werden zum Schluss des Geschäftsjahres gutgeschrieben, dem Sparguthaben hinzugerechnet und mit diesem vom Beginn des neuen Geschäftsjahres an verzinst.

4.2 Bonuszinsen"

Die Grundzinsen erhöhen sich gemäß der auf der Rückseite des Sparvertrags aufgeführten Bonuszinsstaffel."

Die Anlage "Verfahren der Zinsanpassung" (K2, S. 3) lautet:

"Die Zinsanpassung richtet sich nach einer Veränderung des Referenzzinssatzes. Der Referenzzinssatz ist der am Monatsende ermittelte gewichtete und auf zwei Stellen hinter dem Komma kaufmännisch gerundete Wert aus den gleitenden Du...

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