Verfahrensgang

LG Tübingen (Aktenzeichen 4 O 220/17)

 

Tenor

A. Auf die Berufung des Klägers wird das am 29. Juni 2018 verkündete Urteil der 4. Zivilkammer des Landgerichts Tübingen (Az.: 4 O 220/17) abgeändert:

I. Der Beklagten wird untersagt, gegenüber Verbrauchern (§ 13 BGB) die nachfolgenden oder inhaltsgleichen Klauseln in ihren Allgemeinen Geschäftsbedingungen im Zusammenhang mit Altersvorsorgeverträgen nach dem Altersvermögensgesetz zu verwenden oder sich auf diese Klauseln zu berufen:

1. Die Zinsanpassung während der Vertragslaufzeit richtet sich nach einer Veränderung des Referenzzinssatzes. Der Referenzzinssatz ist der per Ende des Kalendermonats ermittelte gewichtete Wert aus dem

  • gleitenden 3-Monatszins mit 30 %

und dem

  • gleitenden 10-Jahreszins mit 70 %.

Basis für die Berechnung des Referenzzinssatzes sind die von der Deutschen Bundesbank veröffentlichten Geld- und Kapitalmarktzinssätze.

2. VorsorgePlus

Vertragsabschlüsse bis 31. Januar 2015

Variable Grundzinsen für den Altersvorsorgevertrag nach dem Altersvermögensgesetz - ab 01. August 2016 -0,40%

3. VorsorgePlus

Vertragsabschlüsse bis 31. Januar 2015

Variable Grundzinsen für den Altersvorsorgevertrag nach dem Altersvermögensgesetz - ab 01. November 2016 -0,50 %

II. Der Beklagten wird für jeden Fall der Zuwiderhandlung ein Ordnungsgeld bis zu 250.000,00 Euro (ersatzweise Ordnungshaft bis zu 6 Wochen) oder Ordnungshaft bis zu 6 Monaten angedroht.

B. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Landgerichts Tübingen (4 O 220/17) vom 29. Juni 2018 abgeändert:

I. Dem Kläger wird es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung vom

Gericht festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000,00 Euro, ersatzweise Ordnungshaft, oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, im Falle wiederholter Zuwiderhandlung bis insgesamt zwei Jahren - zu vollstrecken am Vorstand - untersagt, die Behauptung zu veröffentlichen und zu verbreiten, die Beklagte forderte von Ihren Kunden des Produktes VorsorgePlus und damit für Altersvorsorgeverträge der staatlich geförderten Riester-Rente Negativzinsen beziehungsweise ein Entgelt, statt ihrerseits Zinsen zu zahlen, insbesondere wenn dies erfolgt wie auf der Internetseite www... PM-... abgemahnt (Anlage B11).

II. Der Kläger ist verpflichtet, der Beklagten Auskunft zu erteilen, gegenüber wem die Behauptung aus Ziffer I aufgestellt worden ist, unter Angabe der jeweiligen Personen sowie der entsprechenden Presseorgane, gegenüber denen die Behauptung aufgestellt worden ist, sowie wo diese Behauptung sonst überall durch den Kläger selbst veröffentlicht und verbreitet worden ist.

III. Der Kläger wird verurteilt, der Beklagten 1.766,50 EUR zu bezahlen.

IV. Es wird festgestellt, dass der Kläger der Beklagten sämtlichen über den im Ziffer III bezifferten hinausgehenden Schaden zu ersetzen hat, der der Beklagten durch die in Ziffer I. genannten Handlungen entstanden ist und noch entstehen wird.

V. Die weitergehende Widerklage wird abgewiesen, die Berufung insoweit zurückgewiesen.

C. Von den Kosten des Rechtsstreits in beiden Instanzen tragen der Kläger 84%, die Beklagte 14%.

D. Das Urteil des Senats ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung der Beklagten gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 100.000,- EUR, die Beklagte die Vollstreckung des Klägers gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 15.000,- EUR abwenden, wenn nicht die jeweilige Gegenseite zuvor Sicherheit in entsprechender Höhe leistet.

E. Die Revision wird zugelassen, soweit der Beklagten die Verwendung der in A. I. 1. und 2. verbotenen Klauseln untersagt worden ist.

Streitwert des Berufungsverfahrens: 115.000,00 EUR

Klage 15.000,00 EUR

Widerklage 100.000,00 EUR

 

Gründe

I. 1. Der Kläger begehrt die Untersagung der Verwendung einer Zinsanpassungs- bzw. gleitklausel für sogenannte Riester-Verträge, die Beklagte widerklagend die Unterlassung einer Pressemitteilung, Auskunft, wem gegenüber die Behauptungen aufgestellt wurden und Feststellung einer Schadensersatzersatzpflicht für die durch diese Pressemitteilung entstandenen Schäden.

Die Beklagte hat von 2002 bis Anfang 2015 Altersvorsorgeverträge vertrieben, die mit variablen Grundzinsen und laufzeitabhängigen Bonuszinsen angeboten wurden, wobei für die Berechnung der Grundzinsen in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen folgende Klausel verwendet wurde (Anlage K 2, Blatt 20):

1. Grundzinsen

Das Sparguthaben wird variabel, zunächst mit jährlich 1,100 % verzinst.

Die Verzinsung beginnt mit dem Tage der Einzahlung und endet mit dem der Rückzahlung vorhergehenden Kalendertag. Der Monat wird zu 30 Tagen, das Jahr zu 360 Tagen gerechnet. Die aufgelaufenen Zinsen werden zum Schluss des Geschäftsjahres gutgeschrieben, dem Sparguthaben hinzugerechnet und mit diesem vom Beginn des neuen Geschäftsjahres an verzinst.

Die Zinsanpassungen für die Grundzinsen während der Vertragslaufzeit erfolgen nach dem nachstehenden "Verfahren der Zinsanpassung".

2. Bonuszinsen

...

Verfahren der Zinsanpassung

Das Sparguthaben des Sparers wird variabel, zunächst mit den u...

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