Verfahrensgang

LG Kempten (Aktenzeichen 13 O 2059/11)

 

Tenor

  • 1.

    Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Landgerichts Kempten (Allgäu) vom 23.02.2012, Az. 13 O 2059/11, wird zurückgewiesen.

  • 2.

    Der Kläger hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

  • 3.

    Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Das in Ziffer 1 genannte Urteil des Landgerichts Kempten (Allgäu) ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des zu vollstreckenden Betrags leistet.

  • 4.

    Die Revision gegen dieses Urteil wird zugelassen.

 

Gründe

I.

Der Kläger macht Ansprüche nach den Vorschriften zur ungerechtfertigten Bereicherung geltend. Er hat mit Anwaltsschreiben vom 20.01.2011 einen Versicherungsvertrag, der eine Kapitallebensversicherung zum Gegenstand hatte, widerrufen, hilfsweise gekündigt, nachdem er für den Zeitraum vom 01.07.2003 bis 31.01.2011 die vertraglich vereinbarten Beiträge bezahlt hatte.

Die Beklagte hat den Widerruf wegen Fristüberschreitung zurückgewiesen, die Kündigung akzeptiert und den Rückkaufswert ausbezahlt.

Mit der Klage verlangt der Kläger die Differenz zwischen dem ausbezahlten Rückkaufswert und dem Gesamtbetrag der von ihm bezahlten Beiträge (4.517,30 EUR), außerdem ausgerechnete Zinsen auf die geleisteten Beiträge (3.950,24 EUR).

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil Bezug genommen.

Der Kläger stellte erstinstanzlich folgenden Antrag:

  • 1.

    Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger Euro 7.782,94 nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 04.02.2011 zu zahlen.

  • 2.

    Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger Rechtsanwaltskosten für die außergerichtliche Tätigkeit in Höhe von Euro 1.020,30 nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab Rechtshängigkeit zu zahlen.

Die Beklagte beantragte

Klagabweisung.

Das Landgericht hat die Klage mit der Begründung abgewiesen, der Versicherungsvertrag sei nicht wirksam widerrufen worden, weil die Jahresfrist des § 5a Abs. 2 Satz 4 VVG a.F. im Zeitpunkt des Widerrufs bereits verstrichen gewesen sei. Diese Norm verstoße nicht gegen höherrangiges Unionsrecht. Der wirksame Vertrag stelle den Behaltensgrund für die den Rückkaufswert übersteigenden Beträge dar.

Mit seiner Berufung rügt der Kläger, dass entgegen der Auffassung des Landgerichts § 5a Abs. 2 Satz 4 VVG a.F. gegen europäisches Unionsrecht verstoße.

Der Kläger verfolgt mit seiner Berufung weiterhin die erstinstanzlichen Klaganträge und beantragt eine dementsprechende Abänderung des angefochtenen Urteils.

Die Beklagte beantragt die Zurückweisung der Berufung.

Sie verteidigt das angefochtene Urteil unter Hinweis auf die bisherige obergerichtliche Rechtsprechung und die vorherrschende Meinung in der Fachliteratur.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die gewechselten Schriftsätze im Berufungsverfahren Bezug genommen.

Mit Verfügung vom 6.7.2012 hat der Senat auf seine vorläufige Auffassung hingewiesen. Mit Zustimmung der Parteien wurde im schriftlichen Verfahren entschieden, bei dem Schriftsätze bis 1.9.2012 eingereicht werden konnten.

II.

Der Kläger hat keinen Anspruch auf Rückzahlung der geleisteten Versicherungsprämien gemäß § 812 Abs. 1 BGB über die erfolgte Zahlung des Rückgabewerts hinaus, da der Versicherungsvertrag wirksam zustande gekommen ist und dem Kläger zum Zeitpunkt des Schreibens vom 18.09.2009 (Anlage K 2) kein Widerrufsrecht mehr zustand.

Der streitgegenständliche Versicherungsvertrag ist aufgrund des durch den Kläger gestellten Antrags vom 17.06.2003 und der Annahme durch Übersendung des Versicherungsscheins vom 30.06.2003 (Anlage K 1) gem. § 5a Abs. 1 S. 1 VVG a.F. wirksam zustande gekommen, da der Kläger jedenfalls nicht innerhalb eines Jahres nach Zahlung der ersten Prämie widersprochen hat (§ 5a Abs. 2 S. 4 VVG a.F.).

1.

Mit der ganz überwiegenden Rechtsprechung der Oberlandesgerichte (OLG Köln, Urteil vom 02.03.2012, OLG Celle, Urteil vom 9.2.2012, OLG Hamm, Beschluss vom 24.8. 2011, jeweils [...]Recherche) ist der erkennende Senat der Ansicht, dass die Regelung des § 5a Abs. 1 S. 1 VVG a.F. nicht der Richtlinie 2002/83/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 05.11.2002 über Lebensversicherungen widerspricht. § 5a Abs. 1 S. 1 VVG a.F. sieht für den Fall, dass ein Versicherer dem Versicherungsnehmer bei Antragstellung die Versicherungsbedingungen nicht übergeben oder eine Verbraucherinformation nach § 10 a VVG unterlassen hat, vor, dass ein Versicherungsvertrag auf Grundlage des Versicherungsscheins, der Versicherungsbedingungen und der weiteren für den Versicherungsinhalt maßgeblichen Information als geschlossen gilt, wenn der Versicherungsnehmer nicht innerhalb von 14 Tagen nach Überlassung dieser Unterlagen in Textform widerspricht . Diese Regelung genügt den Vorgaben des Art. 36 Abs. 1 der Richtlinie 2002/8...

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