Leitsatz (amtlich)

Auch unter Berücksichtigung der Notwendigkeit, sich auf veränderte Markt- und Lebensbedingungen einstellen zu müssen, nehmen nur solche Betriebe an der Privilegierung nach § 2312 BGB teil, die nach ihrem Gesamtbild vom Betrieb einer Landwirtschaft im Sinne einer Urproduktion geprägt sind. Bei einer Pferdepension liegen diese Voraussetzungen nicht vor.

 

Normenkette

BGB § 2312

 

Verfahrensgang

LG München I (Aktenzeichen 30 O 18862/00)

 

Tenor

I. Auf die Berufung, der Klägerin wird das Endurteil des LG München I vom 21.12.2001 aufgehoben.

II. Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 125.290,87 Euro nebst 4 % Zinsen hieraus seit 10.10.2000 zu zahlen.

Im Übrigen werden die Klage abgewiesen und die Berufung zurückgewiesen.

III. Von den Kosten des Rechtsstreits tragen die Klägerin 11,1 % und der Beklagte 88,9 %.

IV. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung i.H.v. 137.000 Euro abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung i.H.v. 2.000 Euro abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

V. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Klägerin macht gegen den Beklagten Restpflichtteilsansprüche geltend.

Die Mutter der Parteien verstarb am 3.1.1999. Die Erblasserin hat neben den Parteien, die deren Kinder aus zweiter Ehe sind, einen weiteren Sohn aus erster Ehe hinterlassen.

Mit notariellem Testament vom 20.8.1997 (Anlage K 1) setzte die Erblasserin den Beklagten als Alleinerben ein. Der Klägerin und dem weiteren Sohn wandte sie ein Vermächtnis, das das gesamte bei ihrem Tode vorhandene Geldvermögen umfassen sollte, zu. Ferner bestimmte sie, dass bei der Berechnung etwaiger Pflichtteilsansprüche – soweit gesetzlich möglich – vom Ertragswert ausgegangen werden solle.

Zum Nachlass gehört ein landwirtschaftliches Anwesen in der Gemeinde S. mit insgesamt ca. 14,8 ha, bestehend aus Wohnhaus, Wirtschaftsgebäuden, Grünland und Forstland. Bis 1996 betrieb die Erblasserin gemeinsam mit ihrem ältesten Sohn eine Milchwirtschaft. Diese wurde nach dem Tod des ältesten Sohnes am 24.10.1996 eingestellt. Mit Wirtschaftsüberlassungsvertrag vom 1.1.1997 (Bl. 123/127 d.A.) überließ die Erblasserin dem Beklagten die alleinige Nutzung des Anwesens.

Der Beklagte betreibt darauf eine Pferdepension. Zum Zeitpunkt des Todes der Erblasserin waren dort fünf Pensionspferde untergestellt. Das auf den Grünflächen geerntete Raufutter wurde zum Teil an die eingestellten Pferde verfüttert, im Übrigen an Dritte verkauft. Das erwirtschaftete Holz wurde zum Teil vom Beklagten selbst verbraucht, zum Teil an Dritte verkauft.

Der Beklagte ist gelernter Elektriker und unterhält auf dem Nachbargrundstück einen Gewerbebetrieb.

Der Verkehrswert des Anwesens betrug zum Zeitpunkt des Erbfalles 2.099.000 DM.

Der Beklagte zahlte zur Erfüllung des Pflichtteilsanspruchs der Klägerin einen Betrag von 113.200 DM.

Mit ihrer Klage nimmt die Klägerin den Beklagten auf Zahlung weiterer 275.603,13 DM (= 140.913,64 Euro) in Anspruch.

Die Klägerin hat geltend gemacht, dass ihr dieser Anspruch zustehe, da das vererbte Anwesen entgegen der Auffassung des Beklagten nicht mit dem Ertragswert von 147.000 DM, sondern mit dem Verkehrswert von 2.099.000 DM anzusetzen sei. Die Voraussetzungen für eine Privilegierung des Beklagten gem. § 2312 BGB lägen nicht vor, da das vererbte Anwesen kein Landgut i.S.d. Vorschrift sei. Bei der vom Beklagten betriebenen Pferdepension handele es sich nicht um eine Landwirtschaft. Die Einnahmen aus der Nutzung des Grünlandes und der Forstflächen sowie die Einnahmen des Betriebes insgesamt seien im Übrigen so gering, dass von einem lebensfähigen landwirtschaftlichen Betrieb nicht ausgegangen werden könne.

Der Beklagte hat Klageabweisung beantragt und entgegnet, dass es sich bei dem vererbten Anwesen sehr wohl um ein Landgut i.S.d. § 2312 BGB handele. Bei der von ihm betriebenen Pferdepension handele es sich um einen landwirtschaftsnahen Betrieb, der ebenfalls der Privilegierung dieser Vorschrift unterfalle. Es sei auch ausreichend, dass der Betrieb im Nebenerwerb geführt werde.

Das LG München I hat die Klage mit Urt. v. 21.12.2001 abgewiesen. Zur Begründung hat es u.a. ausgeführt, dass die landwirtschaftliche Bewirtschaftung zu keinem Zeitpunkt aufgegeben worden sei. Zwar stelle das Unterhalten einer Pferdepension nicht das Betreiben von Landwirtschaft dar, ausreichend sei jedoch der Verkauf des abgeernteten Grases bzw. Heus an die Pferdehalter oder Dritte sowie der eigene Verbrauch und der Verkauf des eingeschlagenen Holzes. Es könne dahingestellt bleiben, ob die Erträgnisse zum Zeitpunkt des Todes der Erblasserin zu einem erheblichen Teil zu ihrem Lebensunterhalt beigetragen hätten, da sich von den beiden Kindern des Beklagten noch keines dagegen entschieden habe, die Landwirtschaft weiterzubetreiben. Es bestehe also die begründete E...

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