Leitsatz (amtlich)

1. Zur Auslegung eines notariellen Testaments hinsichtlich der Frage, ob aus dem vorhandenen Nachlass vorrangig die angeordneten Vermächtnisse oder die Testamentsvollstreckervergütung zu erfüllen ist.

2. Zur Berechnung einer Testamentsvollstreckervergütung nach der Neuen Rheinischen Tabelle

 

Normenkette

BGB §§ 133, 2084, 2219; InsO §§ 324, 327

 

Verfahrensgang

LG München I (Aktenzeichen 3 O 4493/21)

 

Tenor

1. Auf die Berufung des Beklagten wird das Endurteil des Landgerichts München I vom 17.08.2021, Az. 3 O 4493/21, wie folgt abgeändert:

Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 39.408,73 EUR zuzüglich Zinsen hieraus in Höhe von fünf Prozentpunkten p.a. über dem Basiszinssatz ab 30.11.2020 als Gesamtschuldner neben der Stiftung P. Kulturbesitz, B., zu bezahlen. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

2. Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen. Die Widerklage wird abgewiesen.

3. Von den Kosten des Rechtsstreits in erster Instanz tragen der Kläger 56 % und der Beklagte 44 %.

Von den Kosten des Berufungsverfahrens tragen der Kläger 25 % und der Beklagte 75 %.

4. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Parteien können jeweils die Vollstreckung der Gegenseite durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der Gegner vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrags leistet.

5. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Gründe

I. Die Parteien streiten um Testamentsvollstreckervergütung.

Am 26.09.2017 verstarb die Erblasserin B. G. Ihr wesentlicher Nachlass bestand aus Kunstgegenständen, darunter Bilder von M. B. Nach dem Tatbestand des erstinstanzlichen Urteils betrug der Nachlasswert 32.937.205,52 EUR entsprechend dem Nachlassverzeichnis (Anlage B1).

In ihrem notariellen Testament vom 30.08.2011 (Anlage K1) setzte die Erblasserin den Beklagten zum Miterben zu 1/4 ein, neben der Stiftung P. Kulturbesitz als Miterbin zu 3/4. Als nicht auszugleichendes Vorausvermächtnis wandte die Erblasserin dem Beklagten eine bereits beim Beklagten befindliche Dauerleihgabe, ein Bild von M. B. im Wert von 4.750.000 EUR, zu.

Gemäß Ziff. V. des Testaments ordnete die Erblasserin Testamentsvollstreckung an, bestimmte den Aufgabenkreis und benannte den Beklagten als Testamentsvollstrecker. Die Erblasserin ordnete an, dass der Testamentsvollstrecker neben dem Ersatz seiner Aufwendungen eine Vergütung erhalten solle, deren Höhe sich nach den zum Zeitpunkt des Erbfalls gültigen Richtlinien des Deutschen Notarvereins bemessen solle, zuzüglich Umsatzsteuer. Nach weiteren Bestimmungen zur Befreiung von Beschränkungen nach § 181 BGB, zur Eingehung von Verbindlichkeiten und zur Vollmacht des Testamentsvollstreckers verfügte die Erblasserin, dass im Übrigen für die Testamentsvollstreckung die gesetzlichen Bestimmungen gelten sollen.

In Ziff. III. 2. des Testaments ist unter der Überschrift "Geldvermächtnis" folgendes geregelt:

"Das bei meinem Tode nach Abzug aller Erblasser- und Erbfallschulden, einschließlich der Kosten für Pflege, Beerdigung, der geschätzten Kosten für die Grabpflege gemäß Ziffer IV, sonstiger Verpflichtungen und nach Auflösung meines Haushalts vorhandene Bargeld sowie eventuell noch vorhandene Wertpapiere sollen wie folgt verteilt werden:..."

Es folgt eine Aufstellung von sieben Personen unter Benennung des jeweiligen Anteils.

Der Kläger hat das Amt des Testamentsvollstreckers angenommen. Der Nachlass ist inzwischen mit Ausnahme der Testamentsvollstreckervergütung abgewickelt. Nach vorgerichtlichen Verhandlungen stellte der Kläger unter dem 19.08.2020 (Anlage K7) eine Kostennote über eine Vergütung in Höhe von 551.558,00 EUR netto, somit (unter Berücksichtigung einer Umsatzsteuer von 16 %) 639.807,28 EUR brutto. Die Stiftung P. Kulturbesitz bezahlte hierauf einen Kostenvorschuss in Höhe von 10.000 EUR netto, somit 11.600 EUR brutto, sowie weitere 468.255,46 EUR brutto. Der Beklagte leistete eine Zahlung in Höhe von 71.243,18 EUR. Offen ist somit ein Betrag in Höhe von 88.708,64 EUR brutto, den der Kläger mit der Klage nebst Zinsen geltend gemacht hat.

Im Übrigen nimmt der Senat hinsichtlich des Sach- und Streitstandes auf die Feststellungen im Ersturteil des Landgerichts München I vom 17.08.2021 Bezug, § 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO.

Das Erstgericht hat die Klage in vollem Umfang zugesprochen. Schuldner der Testamentsvollstreckervergütung seien grundsätzlich die Erben. Die Auslegung des Testaments ergebe, dass die Erblasserin nicht anderes verfügt habe. Die Höhe der Vergütung bestimme sich laut Testament nach der sog. Neuen Rheinischen Tabelle und sei entsprechend der Kostennote Anlage K7 in Stufen zu berechnen.

Hiergegen wendet sich der Beklagte mit seiner Berufungsbegründung vom 09.11.2021 (Bl. 62/71) und weiteren Schriftsätzen vom 01.02.2022 (Bl. 86/88), 09.02.2022 (Bl. 93/94) und 17.05.2022 (Bl. 107/109). Dem Grunde nach bestreite der Beklagte nicht, als Miterbe grundsätzlich Schuldner der Testamentsvollstreckervergütung zu sein. I...

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